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»Und ich reise nur ab, wenn die Emersons mitkommen«, erklärte ich. »Übrigens, Lucas, mit meiner Mannschaft verhandle ich selbst. Der Ihren können Sie befehlen, was Sie wollen.«

»Hm«, brummte er und ging, dies zu tun.

Evelyn ließ den Kopf hängen, und ich rief nach Reis Hassan, um einen neuen Versuch zu machen, die Sprachbarriere zu durchbrechen. Er sagte immer nur »gehen« und deutete flußaufwärts.

»Emerson?« fragte ich und deutete zum Lager.

Er nickte heftig. »Heute«, sagte er, und das wiederholte er mehrmals. Die Araber benützen viel häufiger das Wort >morgen<, es liegt ihnen viel besser. Deshalb sagte ich es auch.

Hassans Gesicht zog sich in die Länge, dann zuckte er resigniert die Achseln. »Morgen«, wiederholte er.

10. Kapitel

Kurz nach dem Frühstück machten wir uns auf den Weg. Der Sand glühte blaßgolden, die Sonne schien schon grell. Wir unterhielten uns kaum. Ich machte mir Sorgen um Evelyn. Wie sollte ich sie von ihren seltsamen Ängsten befreien?

Die erste Person, die uns entgegenkam, war Walter. Er trug den verletzten Arm in der Schlinge, schien sich aber sonst wohl zu fühlen. Ich freute mich sehr darüber. Er gab zwar zuerst mir die Hand, schaute dabei jedoch Evelyn an.

»Ich bin sehr erleichtert, Sie zu sehen«, sagte er, »und ich war sehr böse auf Radcliffe, als er mir sagte, daß Sie gegangen seien.«

»Um uns brauchten Sie sich keine Sorgen zu machen«, erwiderte ich. »Wir waren um Sie besorgt. Wo ist Ihr Bruder?«

»Raten Sie«, meinte er lächelnd.

»Wahrscheinlich hat er in meiner Abwesenheit die Grabungen wiederaufgenommen. Hat er denn gar kein Gewissen? Hat er etwas gefunden? Etwa neue Malereien?«

»Miß Amelia, woher wissen Sie das?« rief Walter erstaunt.

»Ich kenne Ihren Bruder doch. Er ist zu jeder Dummheit fähig, wenn es um Altertümer geht. Wo ist er? Ich habe mit ihm zu reden.«

»Das Pflaster ist nicht weit von dem zerstörten entfernt. Aber .«

»Keine Widerrede!« unterbrach ich ihn. »Ihr kehrt jetzt alle ins Lager zurück, und ich hole Emerson.«

Ich hatte mich in einen richtigen Zorn hineingesteigert, als ich ihn fand. Er kauerte fast unsichtbar auf dem Boden, und fast wäre ich über ihn gestolpert. Er war so in seine Arbeit vertieft, daß er mich nicht hörte, und ich versetzte ihm daher mit meinem Sonnenschirm einen ziemlich kräftigen Schlag auf die Schulter.

»Oh, Sie sind's, Peabody«, sagte er. »Wer sonst würde einen Mann zur Begrüßung über den Kopf schlagen?«

Ich hockte mich neben ihn auf die Fersen. Daran hatte ich mich gewöhnt, und meine Knie protestierten längst nicht mehr dagegen. Er hatte ein Stück von etwa drei Fuß im Quadrat gesäubert. Auf dem blauen Grund, der Wasser bedeutet, schwammen drei herrlich geformte Lotosblüten mit grünen Blättern.

»Aha, Sie wollten also nur in Ruhe arbeiten. Sie sind doch der größte Egoist, den die Welt je gesehen hat! Und welche Zeitverschwendung, den Sand mit bloßen Händen wegzuschaufeln! Auf die Art legen Sie niemals das ganze Pflaster frei.« Da er nicht antwortete, fuhr ich fort:

»Sind Sie denn gar nicht neugierig? Wollen Sie nicht wissen, was vergangene Nacht geschehen ist?«

»Weiß ich doch«, antwortete er. »Ich war in aller Morgenfrühe beim Boot und habe mit Hassan gesprochen.«

Er sah sehr müde aus, das stimmte, aber ich brauchte eine Weile, um mich von meiner Verblüffung zu erholen. »Und was halten Sie davon?« fragte ich.

»Es ging genau, wie ich vermutete. Die Mumie erschien und wurde von Ihnen .«

»Von Lucas.«

»Seine Lordschaft schien nicht besonders nützlich gewesen zu sein, denn sein Kollaps hat die Mannschaft zur Panik getrieben. Selbst Reis Hassan, der gewiß kein Feigling ist, hat jetzt Angst. Hat der Lord sich wenigstens von seinem Angstanfall erholt?«

»Ich weiß wirklich nicht, was mit ihm war und warum er ohnmächtig wurde. Aber ein Feigling ist er nicht.«

Emerson zuckte die Achseln und räumte weiter Sand weg.

»Sind Sie denn ganz von Sinnen?« fuhr ich ihn an. »Ein Pflaster haben Sie schon vernichtet, und wenn Sie das hier freilegen, geschieht es wieder so. Die einzige Sicherheit liegt darin, daß es keiner sieht.«

»Dieses Pflaster ist nicht meine größte Sorge. Besser, wir verlieren dieses Mosaik als Miß Evelyn.«

»Das kann ich Ihnen nun wirklich nicht recht glauben«, erwiderte ich.

»Es ist wahr, auch wenn Sie von mir die denkbar schlechteste Meinung haben.« Das klang so bitter, daß ich mich getroffen fühlte.

»Ich habe doch gar keine schlechte Meinung von Ihnen«, murmelte ich. Es muß ein urkomisches Bild gewesen sein, das wir boten. Er hockte auf den Fersen und beugte sich vorwärts, um mir ins Gesicht zu schauen. Er glich in dieser Haltung eher einem Orang-Utan als einem Menschen, und ich mußte mit meinen um mich gebauschten Röcken auch recht merkwürdig ausgesehen haben. Es war mir aber unwichtig, denn ich sah nur seine intensiven blauen Augen, die wie Saphire funkelten und meine Augen nicht losließen. Da mußte ich den Blick senken, und ich glaube, ich wurde flammend rot. »Hallo, Radcliffe!« hörte ich in diesem Augenblick Walter rufen, der auf uns zukam. »Was meinst du, was ...« Er schaute von einem zum anderen. »Was ist denn? Habe ich ... gestört?«

»Nein, hast du nicht«, knurrte Emerson. »Was ist, Walter? Du bist so aufgeregt.«

»Kein Wunder, und du wirst auch aufgeregt sein, wenn du hörst, was letzte Nacht geschehen ist.«

»Das weiß ich doch.«

»Dann hat es dir also Miß Amelia erzählt. Radcliffe, es muß etwas geschehen! Das ist doch entsetzlich. Du mußt die Damen überreden, noch heute abzureisen. Komm mit ins Lager. Ich habe keinen Erfolg bei Miß Evelyn und auch nicht bei Lord Ellesmere.«

»Na, gut«, brummte Emerson, und wir machten uns auf den Weg. Walter hörte nicht auf, über sein Entsetzen zu sprechen, bis ihn sein Bruder unterbrach. »Walter, hör doch endlich auf mit deinem Geplapper. Was erreichen wir damit, wenn wir Miß Evelyn wegschicken? Ist die Mumie etwas Übernatürliches, was ihr Narren alle zu glauben scheint, dann kann sie ihr folgen, wohin sie auch geht. Und sie kann ihr auch folgen, wenn sie nichts Übernatürliches ist. Da dir an ihrer Sicherheit mehr liegt als an unserer Arbeit hier, sollten wir vielleicht besser daran denken, die Motive dieser Kreatur zu erforschen, um ihnen wirksam begegnen zu können.«

Walter sah ziemlich geknickt drein, und ich versuchte ihn aufzuheitern. »Ich bin überzeugt, daß die Mumie Evelyn nichts Böses will. Sie und Lucas, Sie beide wurden angegriffen, aber nicht Evelyn.« - »Ah«, sagte Emerson und sah mich lange und nachdenklich an. »Peabody, ich versichere Ihnen, das ist mir nicht entgangen.«

Walter war besorgt, ich wütend, und so legten wir den Weg schweigend zurück. Evelyn und Lucas warteten schon auf uns, und wir setzten uns zu einer Diskussion zusammen, die uns anfangs auch nicht weiterbrachte. Das war mein Fehler; sonst fällt es mir nicht schwer, selbst zu einem Entschluß zu kommen und andere von dessen

Richtigkeit zu überzeugen, aber diesmal gelang es mir nicht.

Am sichersten wäre es gewesen, wenn wir gepackt und das Lager aufgegeben hätten. Das kam für Emerson nicht in Betracht, und ich gab ihm insgeheim darin recht. Ich konnte aber auch die Emersons nicht im Stich lassen und unsere Vergnügungsreise fortsetzen, denn die beiden Brüder waren nicht besonders gesund. Wie sollten sie Hilfe herbeiholen, wenn die Dorfbewohner vom passiven Widerstand zur offenen Feindseligkeit übergingen? In Amar-na gab es schon in ruhigen Zeiten kaum Touristen.