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Und Gul’dan war ihr Anführer gewesen, ihr Anstifter – der mächtigste, durchtriebenste und selbstsüchtigste von allen.

Doomhammer kannte den Wert der Hexenmeister für die Horde. Dennoch war er sicher, dass sie ohne diese Kerle weit besser dran gewesen wären.

Vielleicht erahnte Gul’dan diese Gedankengänge nach einem Blick in Doomhammers Augen. Denn seine Wut schwand und wurde ersetzt von Vorsicht und widerwilligem Respekt.

»Natürlich, großer Doomhammer«, krächzte der Hexenmeister und neigte den Kopf. »Du hast Recht. An erster Stelle steht die Horde.« Er grinste, und von seiner Furcht war bereits nichts mehr zu spüren. Die Wut war entweder verschwunden oder zumindest zurückgedrängt. »Ich habe ein paar neue Ideen, die unserem Feldzug dienen könnten. Doch zuerst einmal liefere ich dir die versprochenen Krieger. Sie sind unaufhaltsam, stehen aber völlig unter deiner Kontrolle.«

Doomhammer nickte langsam. »Sehr gut«, sagte er. »Ich werde nichts außer Acht lassen, das unserem Sieg dient.« Er wandte sich ab und entließ den Hexenmeister und seinen Anhänger.

Gul’dan verstand den Wink, verneigte sich und ging. Cho’gall stapfte neben ihm her.

Doomhammer wusste, dass er die beiden im Auge behalten musste. Gul’dan war niemand, der eine Schmach einfach wegsteckte, und er ließ sich gewiss auch nicht lange gängeln. Aber solange der Hexenmeister linientreu blieb, war seine Magie nützlich, und Doomhammer würde sie nutzen. Je eher sie die Gegner vernichteten, desto schneller konnte sein Volk die Waffen beiseitelegen, um wieder Häuser zu bauen und Familien zu gründen.

Mit solchen Gedanken suchte Doomhammer nach einem seiner Offiziere. In der ehemaligen großen Halle, wo sich seine Krieger an Speis und Trank labten, die sie hier gefunden hatten, wurde er fündig.

»Zuluhed!« Der Orc-Schamane schaute auf. Er schob sofort Kelch und Teller von sich weg, als Doomhammer seinen Namen rief. Schleunigst eilte er herbei. Zuluheds rotbraune Augen waren immer noch scharf, umrahmt von zerfransten grauen Zöpfen.

»Doomhammer.« Anders als Gul’dan wimmerte oder verbeugte Zuluhed sich nicht. Doomhammer respektierte es. Zuluhed war selbst Häuptling, Oberhaupt des Dragonmaw-Clans. Er war zudem Schamane, sogar der einzige, der der Horde erhalten geblieben war. Aufgrund dieser Voraussetzungen war Doomhammer an ihm interessiert.

»Wie geht die Arbeit voran?« Doomhammer hielt sich nicht mit Förmlichkeiten auf. Aber er nahm den Becher entgegen, den Zuluhed ihm anbot. Der Wein war exzellent, und die Reste menschlichen Blutes darin verbesserten das Bouquet spürbar.

»Wie immer«, antwortete der Anführer des Dragonmaw-Clans. Man konnte ihm die Empörung vom Gesicht ablesen.

Vor ein paar Monaten hatte Zuluhed Doomhammer von merkwürdigen Visionen erzählt, die ihn plagten. Visionen einer bestimmten Gebirgsregion, unter der ein mächtiger Schatz vergraben liegen sollte. Allerdings versprach der Schatz keinen Reichtum, sondern einzig und allein… Macht.

Doomhammer vertraute dem älteren Häuptling und erinnerte sich der Kraft einer Schamanenvision in ihrer ursprünglichen Welt. Er hatte Zuluhed erlaubt, mit seinem Clan nach dem Berg und der darin schlummernden Machtmittel zu suchen. Es hatte Wochen gedauert, aber schließlich hatte der Dragonmaw-Clan eine Höhle tief unter der Erde gefunden.

Darin lag ein merkwürdiges Objekt: eine goldene Scheibe, die sie Dämonenseele genannt hatten. Obwohl Doomhammer das Artefakt noch nicht selbst gesehen hatte, hatte Zuluhed ihm versichert, es strahle ein hohes Alter und unglaubliche Kräfte aus. Unglücklicherweise war diese Kraft jedoch nur schwer zu kontrollieren.

»Du hast mir versprochen, du könntest die Macht darin beherrschen«, erinnerte Doomhammer ihn und warf den leeren Becher beiseite. Er traf die Wand mit einem dumpfen Krachen.

»Und das werde ich auch«, versicherte Zuluhed. »Die Dämonenseele besitzt gewaltige Kräfte und genug Macht, um Berge zu zertrümmern und den Himmel aufzureißen!« Er runzelte die Stirn. »Aber bislang hat sie meiner Magie widerstanden.« Er schüttelte den Kopf. »Doch ich werde den Schlüssel dazu finden! Dessen bin ich mir sicher. Ich habe vieles in meinen Träumen gesehen! Und wenn wir erst seine Kräfte beherrschen, werden wir sie nutzen, um unsere Gegner zu versklaven! Und wenn wir das geschafft haben, werden wir die Lüfte beherrschen, und Feuer wird auf all die hinabregnen, die sich uns entgegen stellen!«

»Ausgezeichnet.« Doomhammer klopfte dem Orc auf die Schulter. Manchmal beunruhigte ihn der Fanatismus des Schamanen, besonders weil Zuluhed nicht zur Gänze in dieser Welt zu leben schien. Aber er zweifelte seine Loyalität nicht an. Deshalb hatte er die Suche des alten Orcs unterstützt, während Gul’dans Wunsch, der auf einer ähnlichen Vision basierte, von ihm abgelehnt worden war.

Doomhammer wusste, dass Zuluhed sich niemals gegen ihn oder sein eigenes Volk wenden würde. Und wenn diese Dämonenseele auch nur halb so viel konnte, wie Zuluhed behauptete – wenn sie es dem Schamanen ermöglichte, seine Vision wahr werden zu lassen -, würde sie der Horde die Übermacht im Kampf sichern. »Sag Bescheid, wenn alles bereit ist.«

»Selbstverständlich.« Zuluhed prostete ihm mit seinem eigenen Trinkgefäß zu, das er aus einem blutverschmierten Krug nachfüllte.

Doomhammer überließ den Schamanen seiner Feier und wanderte durch die gefallene Stadt. Er sah gern mit eigenen Augen, was seine Krieger trieben. Und er wusste, dass, wenn die anderen ihn dabei sahen, es ihnen ein Gefühl vermittelte, als wäre er einer von ihnen.

Und das band sie nur noch stärker an ihn. Blackhand hatte das auch gewusst. Er sorgte dafür, dass seine Orcs ihn ebenso als Krieger wie auch als Häuptling respektierten und später dann als Kriegshäuptling.

Das war eine der Lektionen, die Doomhammer von seinem Vorgänger gelernt hatte. Sein Gespräch mit Zuluhed hatte den fauligen Geschmack weggespült, den Gul’dan in ihm zurückgelassen hatte. Als er durch die Straßen wanderte, fühlte er sich gut. Seine Leute hatten hier einen großen Sieg errungen und verdienten es zu feiern. Er würde sie sich ein paar Tage vergnügen lassen. Erst dann würden sie sich dem nächsten Ziel zuwenden.

Gul’dan beobachtete Doomhammer aus der Entfernung, verborgen im Schatten einiger Gebäude.

»Was haben er und Zuluhed nur vor?«, murmelte er. Dabei behielt er den Kriegshäuptling im Blick.

»Keine Ahnung«, antwortete Cho’gall. »Sie sind darüber sehr verschwiegen. Ich weiß, dass es um etwas geht, das der Dragonmaw-Clan in den Bergen gefunden hat. Der halbe Clan ist jetzt dort. Aber ich weiß nicht, was sie dort tun.«

»Das ist eigentlich auch gleichgültig.« Gul’dan furchte die Stirn und rieb sich geistesabwesend über einen seiner Hauer, während er nachdachte. »Was immer es auch ist, so sorgt es jedenfalls dafür, dass Doomhammer abgelenkt ist. Und das ist sehr zu unserem Vorteil. Es wäre nicht gut, wenn er unsere Pläne aufdeckte, bevor wir sie umgesetzt haben.« Er grinste. »Und wenn das erst einmal geschehen ist – ist es zu spät für ihn.«

»Wirst du ihn als Kriegshäuptling absetzen?«, fragte Cho’galls anderer Kopf, während sie zu ihrem Quartier zurückgingen.

»Ich? Nein.« Gul’dan lachte. »Ich habe keine Lust, mit Axt oder Hammer durch die Straßen zu ziehen, um meine Feinde zu erschlagen. Ich habe andere Vorstellungen: Ich treffe sie in ihrem Geist – und erschlage sie aus der Ferne. Hunderte oder Tausende auf einen Streich!« Er lächelte bei dem Gedanken. »Schon bald wird alles, was mir versprochen wurde, auch mir gehören. Und dann ist Doomhammer nichts mehr gegen mich. Selbst die Macht der Horde wird gegen mich verblassen. Ich werde meine Hand ausstrecken und diese Welt säubern… um sie dann nach meinen Idealen neu zu errichten!« Er lachte abermals, und das Gelächter hallte von den eingestürzten Wänden und Gebäuden wider, als würde die sterbende Stadt darin einstimmen.