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Ich musterte Random und dachte daran, was für ein hervorragender Kartenspieler er doch war. Doch sein Gesicht verriet mir nicht mehr als beispielsweise ein beliebiger Karo-Bube, ob er nun log oder nicht – im Großen oder im Detail. Die Sache mit dem Buben war übrigens eine hübsche Ausschmückung. Und seine Geschichte enthielt genügend Dinge dieser Art, um sie irgendwie wahrheitsgemäß erscheinen zu lassen.

»Um mit Ödipus, Hamlet, Lear und all den Burschen zu sprechen«, sagte ich. »Ich wünschte, ich hätte das alles schon früher gewußt.«

»Dies war die erste Gelegenheit, dir die Geschichte zusammenhängend zu erzählen«, erwiderte er.

»Sicher«, stimmte ich zu. »Leider macht sie die Dinge nicht klarer, sondern trägt eher dazu bei, das Rätsel noch rätselhafter erscheinen zu lassen. Was keine Kleinigkeit ist. Hier stehen wir nun am Ende einer schwarzen Straße, die bis zum Fuße des Kolvir reicht. Sie durchschneidet alle Schatten, und Wesen sind auf ihr heranmarschiert, um Amber zu belagern. Die Beschaffenheit der Kräfte, die dahinterstehen, kennen wir nicht, doch sind sie offenbar bösartig und scheinen an Stärke zuzunehmen. Ich habe ihretwegen seit einiger Zeit Schuldgefühle, weil diese Phänomene meiner Auffassung nach mit meinem Fluch zu tun haben. Ja, ich habe uns mit einem Fluch belegt. Doch ob das Problem nun damit zu tun hat oder nicht – letztlich löst sich alles zu einer Art greifbarer Erscheinung auf, die man bekämpfen kann. Und genau das werden wir tun. Doch habe ich mir die ganze Woche darüber klar zu werden versucht, welche Rolle Dara spielt. Wer ist sie wirklich? Was ist sie? Warum war sie so daran interessiert, das Muster zu erobern? Wieso ist es ihr gelungen? Und dann ihre letzte Drohung! ›Amber wird vernichtet werden‹, hat sie gesagt. Es scheint mir kein Zufall zu sein, daß dies zur gleichen Zeit passierte wie der Angriff über die schwarze Straße. Ich sehe es nicht als etwas Eigenständiges, sondern als Teil desselben Grundmusters. Und alles scheint irgendwie auf die Tatsache hinauszulaufen, daß es hier in Amber einen Verräter gibt – Caines Tod, die Notizen . . . Irgend jemand bei uns begünstigt entweder einen Feind von außen oder steckt selbst hinter der ganzen Sache. Und jetzt bring das mal alles mit Brands Verschwinden zusammen – durch diesen Burschen.« Ich stieß die Leiche mit dem Fuß an. »Damit sieht es doch so aus, als gehörte Vaters Tod oder Abwesenheit ebenfalls dazu. Doch wenn das der Fall ist, müssen wir daraus auf eine umfassende Verschwörung schließen, bei der über eine Reihe von Jahren ein sorgfältig geplantes Detail auf das andere gesetzt worden ist.«

Random untersuchte einen Schrank in der Ecke und holte eine Flasche und zwei Kelche. Er füllte sie, brachte mir einen und kehrte zu seinem Stuhl zurück. Stumm tranken wir auf die Nutzlosigkeit.

»Nun«, sagte er, »Ränke zu schmieden ist immerhin die Lieblingsbeschäftigung hier, und jedermann hat viel Zeit, weißt du. Wir sind beide zu jung, um uns an unsere Brüder Osric und Finndo zu erinnern, die im Dienste an Amber gestorben sind. Doch der Eindruck, den ich aus meinem Gespräch mit Benedict gewonnen habe . . .»

»Ja«, sagte ich. »Danach haben sie hinsichtlich des Throns mehr als nur Hoffnungen geäußert. Folglich war es unumgänglich, daß sie für Amber tapfer starben. Davon habe ich auch schon läuten hören. Vielleicht ist das so, vielleicht aber auch nicht. Genau erfahren werden wir das nie. Dennoch . . . Ja, ich verstehe, was du meinst, aber das ist doch ohnehin klar. Ich bezweifle nicht, daß man es schon früher versucht hat. Einigen aus unserem Kreise ist das durchaus zuzutrauen. Doch wem? Bis wir das wissen, stehen wir unter einem lähmenden Handicap. Jeder offene Zug wird vermutlich bemerkt und verraten werden. Laß dir mal etwas einfallen.«

»Corwin«, sagte er, »ich will ganz ehrlich sein: ich glaube, ich könnte Argumente für fast jeden von uns vortragen, sogar für mich, der ich immerhin in Amber gefangen war. Im Grunde wäre das sogar der beste Schutz für mich. Es hätte mich wirklich entzückt, äußerlich völlig hilflos dazustehen, während ich in Wirklichkeit an den Fäden zog, nach denen die anderen tanzen mußten. Das trifft natürlich auf uns alle zu. Wir alle haben unsere Motive, unsere Wunschvorstellungen. Und mit den Jahren haben wir alle Zeit und Gelegenheit gehabt, gewisse Vorbereitungen zu treffen. Nein, die Suche nach Verdächtigen ist der falsche Weg. Da käme jedermann in Frage. Wir sollten lieber zu bestimmen versuchen, was ein solches Individuum auszeichnen würde – neben den Motiven, neben der Gelegenheit zur Tat. Ich würde sagen, schauen wir uns die angewandten Methoden an.«

»Also gut. Fang an.«

»Einige von uns wissen mehr als andere über die Funktion der Schatten – über die kleinen Tricks, die Grundlagen für das Warum und Wie. Der Unbekannte verfügt außerdem über Verbündete, die er sich irgendwie von weither geholt hat. Dies ist die Kombination, mit der er gegen Amber vorgegangen ist. Leider haben wir keine Möglichkeit, uns eine Person anzuschauen und zu erkennen, ob sie solche besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten besitzt. Doch überlegen wir einmal, wo der Betreffende sie sich hätte aneignen können. Möglich, daß er ganz auf sich gestellt in den Schatten etwas erfahren, etwas dazugelernt hat. Oder er hat diese Dinge von Anfang an hier studiert, als Dworkin noch lebte und bereit war, Unterricht zu geben.«