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Charity trat mit einem blitzartigen Schritt zwischen ihn und den gestürzten Megakrieger.

Gurk riß mit einem Fluch die Waffe hoch und funkelte sie an. »Was soll das?« schnappte er. »Bist du verrückt geworden?«

Statt zu antworten, entriß ihm Charity kurzerhand die Waffe. Gurks Augen weiteten sich, und für einen winzigen Moment loderte dieser böse, durch nichts zu besänftigende Haß noch einmal in seinem Blick auf; diesmal galt er niemand anderem als ihr.

»Was soll das?« wiederholte er krächzend. »Wir müssen ihn töten! Wenn er wieder zu sich kommt, wird er uns alle umbringen!«

Charity sah über die Schulter zu dem gestürzten Megamann zurück. Er regte sich nicht mehr, aber unter seinem Körper bildete sich allmählich eine dunkle, größer werdende Lache. Und trotzdem wirkte er noch gefährlich.

Gurk hob fast flehend die Hände. »Töte ihn!« sagte er verzweifelt. »Oder gib mir die Waffe und laß mich es tun, wenn du es nicht kannst! Bring ihn um, Charity, oder er wird uns umbringen!«

Charity sah den Zwerg eine Sekunde lang kopfschüttelnd an, dann drehte sie sich herum, tauschte einen raschen Blick mit Net, die sich auf die Knie und einen Arm erhoben hatte, und warf ihr die Waffe zu. Wahrscheinlich begriff Net in diesem Moment nicht einmal, was sie damit sollte; aber sie fing den Strahler ganz instinktiv auf und richtete ihn auf den reglos daliegenden Körper des Verfolgers.

»Paß auf ihn auf«, sagte Charity. »Wenn er Dummheiten macht, dann erschieß ihn.«

Net nickte verwirrt, und in Gurks Augen erschien ein fragender, fast lauernder Ausdruck, als wäre er nicht ganz sicher, wen Charity mit diesem Befehl gemeint hatte.

Charity lief zur Tür. Mit einem einzigen raschen Blick überzeugte sie sich davon, daß die Shai-Priesterin, die die Ameise zu Boden gestoßen hatte, im Moment keine Gefahr darstellte: Sie lag gegen die Wand gelehnt und war bei Bewußtsein, aber ihr Gesicht war erstarrt und der Blick ihrer weit aufgerissenen, glasigen Augen leer, Charity bezweifelte, daß sie überhaupt begriffen hatte, was hier vorging.

Sie gab Net mit einem Blick zu verstehen, auch auf sie zu achten, und ging zu Skudder hinüber.

Der Hopi-Indianer erwachte stöhnend, als Charity sich über ihn beugte. Er hatte keine sichtbaren Verletzungen davongetragen; nur aus einer dünnen Platzwunde über seinem linken Auge sickerte ein wenig Blut. Aber Charity hatte den fürchterlichen Laut nicht vergessen, mit dem er gegen die Ameise geprallt war.

Hastig ließ sie sich auf die Knie herabsinken, drückte Skudder mit sanfter Gewalt zurück auf den Boden und tastete seinen Körper ab. Skudder verzog ein paarmal schmerzhaft das Gesicht, aber sie fühlte keine Brüche oder schwerere Verletzungen unter dem zerschrammten Leder seiner Shark-Montur.

»Kannst du die Beine bewegen?« fragte sie.

Skudder nickte, zog die Knie ein wenig an den Körper und streckte die Beine rasch wieder aus. Sein Gesicht verzerrte sich. »Ja«, stöhnte er, »aber es tut verdammt weh.«

Charity lächelte. »Ich dachte immer, ein Indianer spürt keinen Schmerz?« fragte sie.

Skudder stöhnte auf, wälzte sich mühsam auf die Seite und versuchte, sich taumelnd auf die Knie und einen Arm hochzustemmen. »Das ist mir neu«, preßte er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Aber ich werde es mir für das nächste Mal merken.«

Charity half Skudder dabei, sich mühsam zu erheben, und trat einen halben Schritt zurück, wobei sie ihn aber aufmerksam im Auge behielt.

Skudder schloß noch einmal die Augen. Aber sie konnte direkt sehen, wie er sich erholte. Abgesehen von dem Megamann, der vermutlich kein Mensch war, war Skudder der stärkste Mann, dem sie jemals begegnet war.

»Alles okay?« fragte sie noch einmal.

Skudder öffnete die Augen, blickte sie einen Moment forschend an und sah dann mit einem schmerzerfüllten Lächeln auf seine Hände herab. »Nein«, antwortete er. »Ich glaube, ich habe mir einen Fingernagel abgebrochen.«

Charity lachte erleichtert, drehte sich herum und ging wieder zu der Shai-Priesterin zurück.

Die alte Frau saß in der gleichen, erstarrten Haltung da, in der sie sie zurückgelassen hatte. Ihr Gesicht war bleich, und ihre Lippen zitterten, als versuche sie vergeblich, zu sprechen. Charity berührte sie an der Schulter, bewegte die andere Hand vor ihrem Gesicht hin und her und registrierte ohne sonderliche Überraschung, daß ihr Blick der Bewegung nicht folgte. Dabei war sie sicher, daß sie nicht verletzt war. Mit dieser Frau war etwas geschehen, das Charity erschreckte, obwohl oder vielleicht gerade weil sie es nicht verstand. Sie hatte einen Schock erlitten, von dem sie sich vielleicht nie wieder erholen würde, und das war nicht allein mit ihrem plötzlichen Auftauchen oder dem Kampf zu erklären, der zwischen ihnen und den beiden Ameisen entbrannt war.

Sie stand wieder auf und deutete mit einer befehlenden Geste auf Gurk. »Kümmere dich um sie«, sagte sie. »Versuche, sie irgendwie wach zu bekommen. Wir müssen mit ihr reden.«

Der Zwerg starrte sie einen Moment lang fast trotzig an, dann murmelte er ein einzelnes, abgehacktes Wort in einer Sprache, die Charity nie zuvor gehört hatte, und bewegte sich mit provozierender Langsamkeit auf die alte Frau zu. Charity schluckte die ärgerliche Bewegung auf Gurks unverständliche Antwort herunter und ging zu Net und dem Megamann zurück.

Die junge Wasteländerin war neben dem gestürzten Megakrieger niedergekniet. Ihr Gesicht verriet das Entsetzen, mit dem sie der Anblick des verstümmelten, blutenden Körpers erfüllte. Aber sie hielt die Waffe, die Charity ihr zugeworfen hatte, noch immer auf die Stirn des Bewußtlosen gerichtet.

Vorsichtig beugte sich Charity über den Megakrieger. Er lebte noch. Aller Logik zum Trotz bewegte sich die Brust unter der verkohlten, schwarzen Jacke in langsamen, schweren Stößen. Die meisten seiner Wunden hatten aufgehört zu bluten, einige wirkten schon nicht mehr so gefährlich wie noch vor Augenblicken.

Sie sah auf, als Skudder ihr eine Waffe reichte. Offensichtlich hatte er die Strahler der Ameisen eingesammelt, denn er trug eine zweite der kleinen, bizarr geformten Pistolen in der rechten Hand. Charity nahm die Waffe entgegen, wollte sie instinktiv in die Tasche schieben und entschied sich dann, sie in der Hand zu behalten, obwohl sie wußte, daß ihr dieser Strahler herzlich wenig nützen würde, wenn das Geschöpf zu ihren Füßen die Augen aufschlug und sich entschloß, weiterzuleben.

»Ist er tot?« fragte Skudder.

Charity schüttelte den Kopf. »Nein«, antwortete sie. »Ich verstehe das nicht, aber er ... er lebt.«

»Und das wird er auch weiterhin, wenn du noch lange genug herumtrödelst«, mischte sich Gurk giftig ein. »Verdammt noch mal, töte ihn! Versuche es wenigstens - ich weiß nicht einmal, ob es jetzt noch geht.«

Charity beachtete ihn nicht. Gurk hatte vermutlich recht. Es war vielleicht ihre letzte Chance. Sie hatte gesehen, wozu dieses Geschöpf imstande war. Der scheinbar tödlich verwundete Mann vor ihr war kein Mann, sondern eine Ein-Mann-Armee, die Skudder, Net, Gurk und sie im Bruchteil eines Augenblicks überwältigen konnte, wenn sie erst wieder erwachte. Sie war nicht einmal sicher, ob man dieses Geschöpf überhaupt töten konnte.

Und sie wollte es auch gar nicht.

Skudder sah sie fragend an und hob die Hand mit der Waffe. Charity schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte sie leise.

Skudder antwortete nicht, sondern zuckte nur unmerklich mit den Achseln und senkte den Arm wieder. Auch Net blickte sie verblüfft an, schwieg aber.

Nur Gurk fuhr fort zu lamentieren: »Ich habe gleich gewußt, daß es Wahnsinn ist, sich mit euch einzulassen! Ihr seid ja verrückt!«

»Bitte, Gurk, halt den Mund«, sagte Charity. Ihre Stimme klang ruhig, fast müde, aber vielleicht war es gerade dieser Ausdruck, den Gurk zum Verstummen brachte. Der Zwerg blickte sie weiter vorwurfsvoll an, aber er sagte nichts mehr, sondern drehte sich schließlich wie ein trotziges Kind herum und wandte sich der Shai-Priesterin zu.