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»Warum?«

»Weil du der >Schrecken von Tanger< bist, Weißberger. Wie oft soll ich dir das noch sagen? Weiter. Die Zuschauer werden dich natürlich auspfeifen. Daraufhin machst du eine obszöne Geste ins Publikum und trittst einem Herrn mit Brille, der dicht am Ring sitzt, auf die Nase. Und zwar so stark, daß er blutet.«

»Muß das sein?«

»Frag nicht so dumm. Dafür wird er ja bezahlt. Als der Row­dy, der du bist, packst du auch noch den Schiedsrichter und wirfst ihn aus dem Ring.«

»Armer Kerl.«

»Arm? Er bekommt drei Prozent von den Bruttoeinnahmen. Wenn er wieder im Ring ist, wird er dich verwarnen, aber du lachst ihm nur ins Gesicht und schüttelst die Fäuste. Da be­kommst du von einem empörten Zuschauer eine Bierflasche an den Kopf geworfen.«

»Oiweh.«

»Keine Angst, Weißberger. Er verfehlt dich. Es ist nicht das erste Mal, daß er für mich wirft. Und die Polizisten werden ihn sofort abführen.«

»Kann man sich auf sie verlassen?«

»Wir haben die Szene gestern zweimal mit der Polizei ge­probt. Das ist in Ordnung. Und jetzt sprechen wir über unsern brutalen Kampf. Du darfst von Anfang an keinen Zweifel dar­an lassen, daß die Regeln der Fairneß für dich nicht existie­ren.«

»Warum?«

»Weißberger - es ist zum Verzweifeln mit dir. Willst du ein echter Profiringer werden oder willst du ewig ein Bettler blei­ben? Also. Du reißt mir die Ohren aus, schleuderst mich zu Boden, trampelst auf mir herum und verfluchst mich auf ara­bisch.«

»Jiddisch wäre mir lieber.«

»Geht nicht. Du vergißt, Weißberger, daß du der >Schrecken von Tanger< bist. Wenn du mich lang genug mißhandelt hast, wird eine Frau in der zweiten Reihe aufspringen und schreien: >Ich kann das nicht länger mitansehen! Pfui! Ringrichter hin­aus! Der Schrecken von Tanger hat den Ringrichter besto­chen!<«

»Sie lügt!«

»Sei nicht albern. Sie ist die Frau des Ringrichters. Man muß das alles im voraus organisieren. Der Ringrichter wird versu­chen, uns zu trennen, aber du drückst seinen Kopf zwischen die Seile, und wenn er nur noch röchelt, ziehst du ihm die Ho­sen herunter. Er wird vor Scham ohnmächtig. Der anwesende Arzt stellt eine Herzattacke fest.«

»Großer Gott!«

»Hör schon endlich auf zu jammern, Weißberger. Auch der Arzt ist organisiert. Während ein neuer Ringrichter herbeige­schafft wird, bricht von allen Seiten ein Pfeifkonzert über dich herein. Du machst wieder eine obszöne Gebärde und streckst die Zunge heraus.«

»Ist das notwendig?«

»Es ist üblich. Mittlerweile hat die Polizei Verstärkung be­kommen und umstellt den Ring.«

»Ist auch die Polizei -?«

»Selbstverständlich. Unser Kampf geht weiter und wird be­stialisch. Du steckst die Finger in meine Augenhöhlen und drückst mir die Augenbälle heraus.« »Mir ist übel... Könnte nicht ein anderer...«

»Weißberger, sei ein Mann. Catch-as-catch-can ist hart. Ar­beitslosigkeit ist härter.«

»Aber ich bin kein brutaler Mensch. Ich bin nur dick.«

»Wie kannst du hoffen, ohne Brutalität zu gewinnen?«

»Heißt das, daß ich den Kampf gewinne?«

»Ich sagte >hoffen<. Von Gewinnen ist keine Rede.

Samson ben Porat, der Stolz des Negev, kann gegen den >Schrecken von Tanger« unmöglich verlieren, das muß dir doch klar sein. Ja, schön, du wirst eine Weile auf mir sitzen und meinen Fuß so fürchterlich verdrehen, daß ich mich vor Schmerz krümme. Plötzlich liege ich auf beiden Schultern. Der Ringrichter beginnt mich auszuzählen. Aber gerade wenn er bei Neun hält, trete ich dir mit dem anderen Fuß so wuchtig in den Bauch, daß du —«

»Nein! Nein!!«

»Der Tritt ist vorgesehen, Weißberger. Er schleudert dich ungefähr drei Meter weit, du taumelst gegen die Seile, ich springe dich an, reiße dich nieder und mache dich unter dem begeisterten Jubel der Zuschauer fertig. Während mich der Ringrichter zum Sieger erklärt, schleuderst du einen Stuhl nach ihm.«

»Einen Stuhl?«

»Ja. Er steht eigens zu diesem Zweck in der Ecke. Du triffst aber nicht den Ringrichter, sondern einen alten Herrn in der dritten Reihe, der wimmernd zu Boden sinkt. Die erboste Menge stürmt in den Ring und will dich lynchen.«

»Um Himmels willen!«

»Es wird dir nichts geschehen, Weißberger, das verspreche ich dir. Hast du noch immer nicht kapiert? Auch die Zuschauer sind eingeweiht. Sie wissen, daß sie dich lynchen sollen, wenn der alte Herr zusammensinkt.«

»Ja, aber... vielleicht könnte dann jemand entdecken, daß al­ les geschoben ist...«

»Was heißt hier >vielleicht<? Soll ich warten, bis ein Un­eingeweihter dahinterkommt? Ich habe Vorsorge getroffen, daß die Polizei ein Verfahren gegen mich einleitet. Wegen Betrugs am Publikum. Wir brauchen einen Wirbel in der Pres­se. Auf Wunder kann man sich nicht verlassen. Noch eine Frage?«

»Eine einzige. Wenn die Leute ohnehin wissen, daß sie be­trogen werden - warum kommen sie dann überhaupt?«

»Weil sie Sportliebhaber sind, Weißberger. Lauter Sportlieb­haber.«  

Warum ich ein Fußballfan bin

Jeder Mensch hat seine Schwäche. Die meine besteht darin, daß ich ein Fußballfan bin und es nicht über mich bringe, wäh­rend der Übertragung eines Spiels den Fernsehapparat abzu­stellen. Ich habe es schon mehrmals versucht. Aber sobald meine Hand dem bewußten Knopf in die Nähe kommt, beginnt sie zu zittern wie die Hand eines Morphiumsüchtigen kurz vor der Injektion. Ich kann nicht. Ich muß zuschauen.

Dabei ist es mir vollkommen gleichgültig, ob gerade die Cupentscheidung zwischen Arsenic und Tottenhot übertragen wird oder das Nachtragsspiel zwischen Maccabi Eilat und Hakoah Ramat-Gan, den beiden Nachzüglern der israelischen B-Liga. Hauptsache, daß auf dem Bildschirm zwei Mannschaften hinter dem Ball herjagen. Und ich beschränke mich nicht etwa auf passives Glotzen, ich bin kein teilnahmsloser Zuseher, o nein. Mit anfänglich schriller und später heiserer Stimme feuere ich die Spieler an, und wenn die berühmte Sturmspitze Avigdor (»Tempotempo«) Falafel einen dieser unhaltbaren halbhohen Schüsse ins gegnerische Netz flitzen läßt, springe ich auf und brülle ein übers andere Maclass="underline"

»Tor! Tor! Tor!«

Natürlich verblassen meine Emotionen gegen die Erschüt­terung, die unsern Avigdor (»Tempotempo«) Falafel in sol­chen Augenblicken überwältigt. Er sinkt auf die Knie, hebt die Hände zu Gott dem Herrn empor, als wollte er sagen: »Wir haben's wieder einmal geschafft, wir zwei«, und wenn die Kamera an ihn heranfährt, sieht man deutlich, wie ihm Freu­dentränen über die Wangen rinnen.

Das nächste, was man sieht, ist ein unentwirrbarer Knäuel von Mitspielern, die über ihn herfallen, ihn küssen und umar­men und zu Boden reißen und vor Begeisterung nicht ein noch aus wissen. Es sind erhabene Augenblicke. Aus dem Hinter­grund glaubt man die weihevollen Klänge der Neunten Sym­phonie von Beethoven zu hören. Der Gipfel irdischer Wonnen ist erreicht.

Schreiber dieser Zeilen darf in aller Bescheidenheit darauf hinweisen, daß er im Leben einiges geleistet hat. Er hat eine Reihe erfolgreicher Bücher, Filme und Theaterstücke verfaßt, hat Preise und Auszeichnungen eingeheimst, hat dreimal ge­heiratet und ist im Besitz eines persönlichen Handschreibens von Golda Meir. Nichts von alledem hat ihm auch nur einen Bruchteil jener ekstatischen Beseligung vermittelt, von der Avigdor (»Tempotempo«) Falafel und seine Teamkameraden durchflutet werden, wenn einer der vorhin erwähnten halbho­hen Bälle im Tor des Gegners landet. Es ist schon so: Das Leben hält keinen Vergleich mit dem Fußballsport aus.

Und zwar in jeder Hinsicht. Man denke nur an einige neuer­dings populär gewordene Begriffe wie Recht, Gesetz und Ord­nung. Sie werden im Fußballspiel geradezu vorbildlich ge­wahrt. Während auf den Rängen des Stadions die Anhänger der beiden Mannschaften in wütende Raufhändel verstrickt sind, an denen sich auch Ordner und Polizisten beteiligen, herrscht unten auf dem grünen Rasen strengste Disziplin, wird der geringste Verstoß gegen die festgesetzten Regeln vom Schiedsrichter augenblicklich geahndet. Nirgends sonst folgt dem Verbrechen die Strafe so dicht auf dem Fuß wie hier, und die Zuschauer achten leidenschaftlich darauf, daß das ge­schieht. Wenn ein Spieler einen anderen regelwidrig zu Fall bringt, springt alles auf und brüllt: »Hundesohn! Gangster! Hinaus mit ihm!« Bierflaschen und andere Haushaltsgegen­stände fliegen aufs Feld, die Empörung kennt keine Grenzen.