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»Ich glaube dir«, sagte sie nur, und Ralph spürte, wie ihm eine große Last von der Seele genommen wurde. Sie sagte die Wahrheit. Keine Frage; ihr Glaube leuchtete rings um sie herum auf.

»Okay, hör mir zu. Hast du, seit es bei dir angefangen hat, gewisse Leute gesehen, die nicht aussehen, als hätten sie etwas in der Harris Avenue verloren? Leute, die aussehen, als gehörten sie gar nicht in die normale Welt?«

Lois sah ihn verwirrt und verständnislos an.

»Sie sind kahlköpfig, sie sind sehr klein, sie tragen weiße Kittel und sehen fast wie Zeichnungen von Außerirdischen aus, die man manchmal auf Seite eins der Regenbogenpresse sieht, wie sie sie im Red Apple verkaufen. Die hast du nicht zufällig gesehen, wenn du deine Anfälle von Hyperrealität gehabt hast?«

»Nein, niemanden.«

Er schlug sich frustriert mit der Faust auf den Oberschenkel, dachte einen Moment nach, dann sah er wieder auf. »Montag morgen«, sagte er. »Bevor die Polizei bei Mrs. Locher gewesen ist... hast du mich da gesehen?«

Lois nickte sehr bedächtig mit dem Kopf. Ihre Aura war ein wenig dunkler geworden, scharlachrote Spiralen, so dünn wie Fäden, kreisten langsam in einer Diagonalen darin.

»Dann könnte ich mir denken, daß du eine ziemlich gute Vorstellung davon hast, wer die Polizei angerufen hat«, sagte Ralph. »Oder nicht?« »Oh, ich weiß, daß du es warst«, sagte Lois mit leiser Stimme. »Ich hatte es die ganze Zeit vermutet, aber bis jetzt war ich mir nicht sicher. Bis ich es... du weißt schon, in deinen Farben gesehen habe.«

In meinen Farben, dachte er. So hatte Ed sie auch genannt.

»Aber du hast nicht zwei Miniaturversionen von Meister Proper aus ihrem Haus kommen sehen?«

»Nein«, sagte sie, »aber das hat nichts zu sagen, weil ich nicht einmal Mrs. Lochers Haus von meinem Schlafzimmerfenster aus sehen kann. Das Dach des Red Apple ist im Weg.«

Ralph verschränkte die Hände auf dem Kopf. Natürlich, das hätte er wissen müssen.

»Ich dachte mir, daß du die Polizei gerufen haben mußtest, weil ich, kurz bevor ich duschen ging, gesehen habe, wie du etwas mit einem Fernglas beobachtet hast. Das habe ich dich noch nie tun sehen, dachte mir aber, vielleicht wolltest du dir nur den streunenden Hund genauer ansehen, der donnerstagmorgens die Mülleimer plündert.« Sie deutete den Hügel hinab. »Den da.«

Ralph grinste. »Das ist kein Er, das ist die prächtige Rosalie.«

»Oh. Wie auch immer, ich war ziemlich lange unter der Dusche, weil ich eine spezielle Spülung für mein Haar nehme. Keine Tönung«, sagte sie schneidend, als hätte er ihr das vorgeworfen, »nur Proteine und etwas, das angeblich die Locken etwas fester macht. Als ich herauskam, war überall Polizei. Ich habe einmal zu deinem Haus gesehen, konnte dich aber nicht mehr erkennen. Entweder warst du in ein anderes Zimmer gegangen oder hattest dich in deinem Sessel zurückgelehnt. Das machst du manchmal.«

Ralph schüttelte den Kopf, als müßte er ihn freimachen. Er war in den ganzen Nächten nicht in einem leeren Theater gewesen; jemand anders hatte es ebenfalls besucht. Sie hatten nur in verschiedenen Logen gesessen.

»Lois, der Streit, den Bill und ich hatten, drehte sich eigentlich gar nicht um Schach. Er drehte -«

Unten am Hügel stieß Rosalie ein eingerostetes Bellen aus und rappelte sich auf die Füße. Ralph sah in ihre Richtung und spürte, wie sich ein Eiszapfen in seinen Bauch bohrte. Obwohl sie beide seit fast einer halben Stunde hier saßen und sich in dieser Zeit niemand den öffentlichen Toiletten unten auch nur genähert hatte, ging nun die Hartplastiktür des Port-O-San mit der Aufschrift MÄNNER langsam auf.

Doc Nr. 3 kam heraus. McGoverns Panama, dessen Krempe am Rand zerbissen war, hatte er schräg auf den Kopf gesetzt, wodurch er auf unheimliche Weise McGovern selbst ähnelte, als Ralph ihn zum erstenmal mit dem braunen Fedora gesehen hatte - wie ein Reporter in einem Kriminalfilm aus den vierziger Jahren.

In einer Hand hielt der kahlköpfige Fremde das rostige Skalpell erhoben.

Kapitel 13

»Lois?« Ralph fand, seine Stimme hörte sich an, als würde sie aus einem langen, tiefen Canyon kommen. »Lois, siehst du das?«

»Ich weiß nicht...« Sie verstummte. »Hat der Wind die Toilettentür aufgestoßen? Nein, richtig? Ist jemand da? Macht der Hund deshalb so ein Theater?«

Rosalie wich langsam vor dem kahlköpfigen Mann zurück; sie hatte die zottigen Ohren angelegt und fletschte so verfaulte Zähne, daß sie nicht bedrohlicher wirkten als Gummistöpsel. Sie stieß ein heiseres, abgehacktes Bellen aus, dann winselte sie verzweifelt.

»Ja! Siehst du ihn nicht, Lois? Er ist direkt da!«

Ralph sprang auf die Füße. Lois stand mit ihm auf und schirmte mit einer Hand die Augen ab. Sie spähte mit verzweifelter Anstrengung den Hügel hinab. »Ich sehe ein Flimmern, mehr nicht. Wie Luft über einem Heizkörper.«

»Ich hab dir gesagt, du sollst sie in Ruhe lassen!« schrie Ralph den Hügel hinunter. »Hör auf! Und mach, daß du verschwindest!«

Der kahlköpfige Mann sah in Ralphs Richtung, aber diesmal drückte sein Gesicht keine Überraschung aus; es war gelassen, unbeeindruckt. Er hob den Mittelfinger der rechten Hand, zeigte Ralph den uralten Gruß und fletschte dann selbst die Zähne -viel spitzer und gefährlicher als die von Rosalie - zu einem stummen Lachen.

Rosalie duckte sich, als der kleine Mann im schmutzigen Kittel wieder auf sie zukam, dann hob sie tatsächlich eine Pfote und legte sie sich auf den Kopf, eine Geste wie aus einem Trickfilm, die komisch hätte wirken müssen, aber nur dazu diente, das Ausmaß ihrer Angst zu verdeutlichen.

»Was kann ich nicht sehen, Ralph?« stöhnte Lois. »Ich sehe etwas, aber -«

»Geh WEG von ihr!« brüllte Ralph und hob wieder die Hand zu der Karate-Geste. Aber die Hand - aus der vorhin dieser erstaunliche blaue Lichtstrahl hervorgeschossen war - fühlte sich immer noch wie eine ungeladene Waffe an, und diesmal schien es der Doc auch zu wissen. Er sah in Ralphs Richtung und winkte ihm kurz und höhnisch zu. lAch, hör auf, Kurzer - setz dich, halt die Klappe und genieß die Vorstellung!]

Die Kreatur am Fuß des Hügels richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf Rosalie, die zusammengekauert am Stamm einer riesigen alten Kiefer saß. Aus den Rissen in der Rinde des Baums strömte dünner grünlicher Dunst. Der kahlköpfige Arzt beugte sich über Rosalie und hatte eine Hand zu einer streichelnden Geste ausgestreckt, die überhaupt nicht zu dem Skalpell passen wollte, das er in der kleinen linken Faust hielt.

Rosalie winselte... dann streckte sie den Hals und leckte der Kreatur unterwürfig die Handfläche.

Ralph betrachtete seine eigenen Hände und spürte etwas in ihnen - nicht die Kraft von vorhin, nichts dergleichen, aber etwas. Plötzlich tanzten grellweise Funken dicht über seinen Nägeln. Als hätten sich die Finger in Zündkerzen verwandelt.

Lois zupfte inzwischen hektisch an ihm. »Was ist mit dem Hund, Ralph? Was ist mit ihm?«

Ohne darüber nachzudenken, was er tat oder warum, legte Ralph die Hände auf Lois' Augen, wie jemand, der »Rat mal wer« mit seiner Liebsten spielt. Seine Finger leuchteten kurzzeitig so grell weiß auf, daß er fast erblindete. Muß das Weiß sein, von dem sie immer in der Waschmittelwerbung sprechen, dachte er.

Lois schrie. Sie griff mit den Händen nach seinen Handgelenken, umklammerte sie und ließ wieder los. »Mein Gott, Ralph, was hast du mit mir gemacht?«

Er nahm seine Hände weg und sah eine grellweiße liegende Acht um ihre Augen herum; es war, als hätte sie gerade eine in Puderzucker getauchte Brille abgenommen. Das Weiß begann in dem Moment zu verblassen, als er die Hände wegnahm... aber...

Es verblaßt nicht, dachte er. Es sinkt ein.