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»Vergiß es«, sagte er und deutete bergab. »Schau!«

Ihre aufgerissenen Augen verrieten ihm alles, was er wissen mußte. Doc Nr. 3, der sich von Rosalies verzweifeltem Versuch, seine Freundschaft zu erringen, nicht im geringsten beeindrucken ließ, stieß ihre Schnauze mit der Hand beiseite, die das Skalpell hielt. Er packte das alte Tuch um ihren Hals mit der anderen Hand und riß ihren Kopf hoch. Rosalie heulte kläglich. Sabber lief seitlich an ihrem Kopf herab. Der kahlköpfige Mann stieß ein schleimiges Kichern aus, bei dem Ralph eine Gänsehaut bekam.

[»He! Hör auf! Hör auf, den Hund zu quälen!«]

Der Kopf des kahlköpfigen Mannes fuhr herum. Das Grinsen verschwand von seinem Gesicht, und er fauchte Lois an, wobei er sich selbst ein wenig wie ein Hund anhörte.

[Hah, verpiß dich bloß, du fette alte kurzfristige Fotze! Der Hund gehört mir, das hab ich deinem schlappschwänzigen Freund schon gesagt!]

Der kahlköpfige Mann hatte das blaue Tuch losgelassen, als Lois ihn angesprochen hatte, und jetzt preßte sich Rosalie wieder an die Kiefer, verdrehte die Augen, und Schaum troff von ihren Lefzen. Ralph hatte in seinem ganzen Leben noch nie ein so durch und durch verängstigtes Geschöpf gesehen.

»Lauf!« schrie Ralph. »Geh weg!«

Sie schien ihn nicht zu hören, und nach wenigen Augenblicken wurde Ralph klar, daß sie ihn tatsächlich nicht hören konnte, weil Rosalie nicht mehr ganz da war. Der kahlköpfige Arzt hatte schon etwas mit ihr angestellt - er hatte sie zumindest teilweise aus der gewöhnlichen Wirklichkeit herausgezogen wie ein Farmer, der einen Baumstumpf mit dem Traktor und einer Kette herauszieht.

Ralph versuchte es trotzdem noch einmal.

[»Lauf, Rosalie! Lauf weg!«]

Diesmal spitzte sie die angelegten Ohren und drehte den Kopf langsam in Ralphs Richtung. Er erfuhr aber nie, ob sie ihm gehorchen wollte oder nicht, denn der kahlköpfige Mann ergriff das Tuch wieder, bevor sie sich in Bewegung setzen konnte. Er riß ihren Kopf wieder hoch.

»Er wird sie umbringen!« kreischte Lois. »Er wird ihr mit diesem Ding die Kehle durchschneiden! Laß es nicht zu Ralph! Du mußt ihn daran hindern!«

»Ich kann nicht! Vielleicht kannst du es! Schieß auf ihn! Schieß mit deiner Hand auf ihn!«

Sie sah ihn verständnislos an. Ralph machte eine verzweifelte Holzhacker-Geste mit der rechten Hand, aber bevor Lois ihrerseits die Hand heben konnte, stieß Rosalie ein gräßliches, hilfloses Heulen aus. Der kahlköpfige Arzt hob das Skalpell und ließ es herunterfahren, aber er schnitt nicht Rosalies Kehle durch.

Er schnitt ihre Ballonschnur durch.

Zwei Fäden schwebten aus den Nasenlöchern von Rosalie in die Höhe. Sie verflochten sich etwa fünfzehn Zentimeter über der Schnauze und bildeten einen zierlichen Zopf, und genau an dieser Stelle verrichtete das Skalpell von Kahlkopf Nr. 3 seine Arbeit. Ralph sah voller Entsetzen, wie der abgeschnittene Zopf dem Himmel entgegenschwebte wie die Schnur eines losgelassenen Heliumballons. Dabei wand er sich auseinander. Ralph dachte, er würde in den Zweigen der alten Kiefer hängenbleiben, aber es kam anders. Als die aufsteigende Ballonschnur schließlich den ersten Zweig erreichte, ging sie einfach durch ihn hindurch.

Logisch, dachte Ralph. So wie die Kumpels dieses Burschen durch May Lochers abgesperrte Eingangstür gegangen sind, nachdem sie mit ihr dasselbe gemacht hatten.

Diesem Einfall folgte ein Gedanke, der zu einfach und grausam logisch war, als daß er ihn hätte verwerfen können: keine Außerirdischen, keine kleinen kahlköpfigen Ärzte, sondern Zenturionen. Ed Deepneaus Zenturionen. Sie sahen nicht wie die römischen Soldaten aus, die man in Blechhosen-Epen wie Spartacus oder Ben Hur sah, richtig, aber sie mußten Zenturionen sein, oder nicht?

Fünf oder sechs Meter über dem Boden verblaßte Rosalies Ballonschnur einfach und verschwand.

Ralph senkte den Blick gerade rechtzeitig, daß er sehen konnte, wie der kahlköpfige Gnom dem Hund das verblichene blaue Tuch über den Kopf zog und ihn dann zum Baumstamm hinstieß. Ralph betrachtete die Hündin eingehender und spürte, wie sich sein ganzes Fleisch fester über den Knochen zusammenzog. Sein Traum von Carolyn wurde ihm mit unerbittlicher Grausamkeit wieder ins Gedächtnis gerufen, und er mußte sich anstrengen, damit er keinen Schrei des Entsetzens ausstieß.

Ganz recht, Ralph, nicht schreien. Das solltest du nicht tun, denn wenn du erst einmal angefangen hast, kannst du vielleicht nicht mehr aufhören - du schreist vielleicht einfach weiter, bis es dir die Kehle zerreißt. Denk an Lois, denn sie steckt jetzt auch mit drin. Denk an Lois und fang nicht an zu schreien.

Ah, aber das fiel ihm schwer, denn die Käfer aus dem Traum, die aus Carolyns Kopf gequollen waren, kamen jetzt als zuckende schwarze Ströme aus Rosalies Nasenlöchern.

Das sind keine Käfer. Ich weiß nicht, was sie sind, aber es sind keine Käfer.

Nein, keine Käfer - nur eine andere Art von Aura. Alptraumhaftes schwarzes Zeug, weder Flüssigkeit noch Gas, wurde mit jedem Atemzug aus Rosalie herausgepumpt. Es schwebte nicht davon, sondern umgab sie als träge, widerliche Schnörkel von Anti-Licht. Diese Schwärze hätte sie eigentlich den Blicken entziehen müssen, aber das tat sie nicht. Ralph konnte ihre flehenden, entsetzten Augen sehen, während die Schwärze sich um ihren Kopf herum sammelte und ihr dann an Rücken, Flanken und Beinen hinablief.

Es war ein Leichentuch, ein echtes Leichentuch, und er wurde Zeuge, wie Rosalie, deren Ballonschnur durchgeschnitten war, es unablässig um sich selbst herum wob wie eine giftige Gebärmutter. Dieser Vergleich rief die Stimme von Ed Deepneau in seiner Erinnerung auf den Plan, der gesagt hatte, daß die Zenturionen Babys aus dem Schoß ihrer Mütter rissen und sie in Lastwagen wegbrachten, die mit Planen abgedeckt waren.

Hast du dich schon mal gefragt, was sich unter diesen Planen befindet? hatte Ed gefragt.

Hatte das etwas hiermit zu tun? Ja?

Doc Nr. 3 stand da und sah grinsend auf Rosalie herab. Dann löste er den Knoten ihres Tuchs, legte es sich selbst um den Hals und band einen großen, lockeren Knoten, so daß es aussah wie die Krawatte eines Bohemiens. Als er das getan hatte, sah er mit einem Ausdruck abscheulicher Selbstgefälligkeit zu Ralph und Lois auf. Da! sagte dieser Ausdruck. Ich habe letztlich doch getan, was ich wollte, und ihr habt nicht das geringste dagegen unternehmen können, richtig?

[»Tu etwas, Ralph! Bitte tu etwas! Er soll aufhören!«]

Dazu war es jetzt zu spät, aber möglicherweise noch nicht, ihn seines Weges zu schicken, bevor er den Anblick genießen konnte, wie Rosalie tot am Fuß des Baums zusammenbrach. Er war ziemlich sicher, daß Lois keinen Karateschlag mit blauem Licht zustandebringen konnte, so wie er, aber möglicherweise konnte sie etwas anderes.

Ja - sie kann auf ihre Weise auf ihn schießen.

Er wußte nicht, warum er da so sicher war, aber plötzlich war er es. Er packte Lois an den Schultern, damit sie ihn ansah, dann hob er die rechte Hand. Er winkelte den Daumen an und richtete den Zeigefinger auf den kahlköpfigen Mann. Nun sah er wie ein kleines Kind aus, das Räuber und Gendarm spielt.

Lois reagierte mit einem mißfälligen und verständnislosen Blick. Ralph nahm ihre Hand und zog ihr den Handschuh aus.

[»Du! Du, Lois!«]

Sie verstand, was er meinte, hob selbst die Hand, streckte den Zeigefinger aus und machte wie ein Kind eine schießende Geste: Peng! Peng!

Zwei kompakte, rhombusförmige Strahlen, deren graublauer Farbton identisch mit Lois' Aura war, nur viel heller, Schossen aus den Enden ihrer Finger und bergab.

Doc Nr. 3 kreischte und sprang in die Höhe, hielt die zu Fäusten geballten Hände in Schulterhöhe, und die Absätze seiner schwarzen Schuhe knallten gegen seinen Hintern, als die erste dieser »Kugeln« unter ihm durchging. Sie schlug auf dem Boden auf, prallte ab wie ein flacher Stein auf einer Wasseroberfläche und traf das Port-O-San mit der Aufschrift FRAUEN. Einen Augenblick glühte die ganze Fassade so grell wie das Fenster des Buffy-Buffy.