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»Ich habe dir gesagt, eines Tages würde ich für dich kochen«, sagte Lois und fügte Gemüse aus der Tiefkühltruhe und Gewürze aus einem der Hängeschränke hinzu. »Das war an dem Tag, als ich dir und Bill die Makkaronireste mit Käse gegeben habe. Weißt du noch?«

»Ich glaube ja«, sagte Ralph lächelnd.

»Im Milchkasten auf der Veranda draußen steht eine Flasche Cidre. Cidre hält sich draußen immer am besten. Würdest du ihn holen? Du kannst auch gleich einschenken. Meine guten Gläser sind im Schrank über der Spüle, an den ich nicht herankomme, ohne daß ich mich auf einen Stuhl stelle. Ich glaube, du bist groß genug, daß du es ohne Stuhl schaffst. Wie groß bist du, Ralph, einsfünfundachtzig?«

»Einsachtundachtzig. War ich zumindest; möglicherweise habe ich in den letzten zehn Jahren einen oder zwei Zentimeter verloren. Die Wirbelsäule fällt in sich zusammen, oder so was. Aber wegen mir mußt du dir nicht so eine Mühe machen. Ehrlich.«

Sie sah ihn gelassen an, stemmte die Hände an die Hüften, und in einer hielt sie den Löffel, mit dem sie den Inhalt des Wok umgerührt hatte. Ihre Strenge wurde durch die Andeutung eines Lächelns gemildert. »Ich habe gesagt, meine guten Gläser, Ralph Roberts, nicht meine besten Gläser.«

»Jawohl, Ma'am«, sagte er grinsend, dann fügte er hinzu: »So, wie es riecht, scheinst du dich doch noch daran zu erinnern wie man für einen Mann kocht.«

»Die Qualität des Puddings erweist sich beim Essen«, antwortete Lois, aber Ralph dachte, daß sie sich zu freuen schien, als sie sich zu dem Wok umdrehte.

Das Essen war gut, und sie unterhielten sich nicht über das, was im Park vorgefallen war, während sie sich bedienten. Ralphs Appetit war unregelmäßig und seit Beginn der Schlaflosigkeit häufiger schwach als stark, aber heute langte er herzhaft zu und spülte Lois' würziges Pfannengemüse mit drei Gläsern Cidre hinunter (während er das letzte austrank, hoffte er nervös, daß ihn die Aktivitäten des heutigen Tages nicht allzu weit von einer Toilette wegführen würden). Als sie fertig waren, stand Lois auf, ging zur Spüle und ließ heißes Wasser zum Geschirrspülen ein. Dabei griff sie die Unterhaltung von vorhin wieder auf wie ein halbfertiges Strickzeug, das wegen einer anderen, dringenderen Aufgabe vorübergehend zur Seite gelegt worden war.

»Was hast du mit mir gemacht?« fragte sie. »Was hast du gemacht, damit die Farben zurückgekommen sind?«

»Ich weiß nicht.«

»Es war, als hätte ich am Rand dieser Welt gestanden, und als du mir die Hand auf die Augen gelegt hast, hast du mich hineingestoßen.«

Er nickte und dachte daran, wie sie in den ersten Sekunden ausgesehen hatte, nachdem seine Hand ihre Augen nicht mehr bedeckt hatte - als hätte er ihr gerade eine in Puderzucker getauchte Brille abgenommen. »Es war rein instinktiv. Und du hast recht, es ist wie eine Welt. Ich sehe sie genau so - als Welt der Auren.«

»Wunderbar, nicht? Ich meine, es ist beängstigend, und als es mir zum erstenmal passierte - Ende Juli oder Anfang August war das -, war ich sicher, daß ich den Verstand verlieren würde, aber es gefiel mir auch. Ich konnte nicht anders, es gefiel mir.«

Ralph sah sie verblüfft an. Hatte er Lois einmal für leicht zu durchschauen gehalten? Schwatzhaft? Nicht in der Lage, ein Geheimnis für sich zu behalten?

Nein, ich fürchte, es war ein bißchen schlimmer, alter Junge. Du hast sie für oberflächlich gehalten. Du hast sie weitgehend durch Bills Augen gesehen, als »unsere Lois.« Nicht weniger... aber auch nicht mehr.

»Was ist?« fragte sie ein wenig unbehaglich. »Warum siehst du mich so an?«

»Du siehst diese Auren schon seit Sommer? So lange?«

»Ja - immer heller und heller. Habe ich dieses Ding wirklich mit meinem Finger angeschossen, Ralph? Je mehr Zeit vergeht, desto weniger kann ich es glauben.«

»Das hast du. Ich habe, kurz bevor ich dich getroffen habe, etwas ähnliches getan.«

Er erzählte ihr von seiner früheren Konfrontation mit Doc Nr. 3 und wie er den Gnom vertrieben hatte... jedenfalls vorübergehend. Er hob die Hand zur Schulter und ließ sie rasch heruntersausen. »Mehr habe ich nicht getan - wie ein Junge, der so tut, als wäre er Chuck Norris oder Steven Segal. Aber ich habe diesen unglaublichen blauen Lichtstrahl auf ihn geschleudert, und er hat sich schnellstens verzogen. Was wahrscheinlich gut so war, denn ich hätte es nicht noch einmal geschafft. Ich weiß auch nicht, wie mir das gelungen ist. Hättest du noch einmal mit dem Finger schießen können, Lois?«

Lois kicherte, drehte sich zu ihm und streckte den Finger ungefähr in seine Richtung aus. »Willst du es herausfinden? Peng! Bumm!«

»Richten Sie das Ding nicht auf mich, Lady«, sagte Ralph zu ihr. Er lächelte, als er es sagte, war aber selbst nicht ganz sicher, ob es ein Witz sein sollte.

Lois ließ den Finger sinken und spritzte Spülmittel Marke Joy ins Becken. Als sie das Wasser mit einer Hand umrührte, um Schaum zu erzeugen, stellte sie die Frage, die Ralph als die große Preisfrage betrachtete: »Woher kommt diese Macht, Ralph? Und wozu dient sie?«

Er schüttelte den Kopf, stand auf und ging zum Geschirrgestell. »Ich weiß beides nicht. Hilft dir das weiter? Wo hast du deine Geschirrtücher, Lois?«

»Ist doch egal, wo ich meine Geschirrtücher habe. Setz dich. Bitte sag mir nicht, daß du einer von diesen modernen Männern bist, Ralph - die sich dauernd umarmen und plärren.«

Ralph lachte und schüttelte den Kopf. »Nee. Ich bin nur gut erzogen, das ist alles.«

»Okay. Solange du nicht damit anfängst, wie feinfühlig du bist. Manches möchte ein Mädchen gern selbst herausfinden.« Sie machte den Schrank unter der Spüle auf und warf ihm ein verblichenes, aber makellos sauberes Geschirrtuch zu. »Nur abtrocknen und auf den Tresen stellen. Wegräumen werde ich es selbst. Und während du arbeitest, kannst du mir deine Geschichte erzählen. Die ungekürzte Version.«

»Abgemacht.«

Er fragte sich immer noch, wo er anfangen sollte, als sich sein Mund scheinbar von ganz alleine öffnete und für ihn begann. »Als mir schließlich klar wurde, daß Carolyn sterben würde, bin ich oft spazierengegangen. Und eines Tages, als ich draußen an der Extension war...«

Er erzählte ihr alles, fing damit an, wie er zwischen Ed und dem dicken Mann mit der West-Side-Gardeners-Schirmmütze vermittelt hatte, und endete damit, wie Bill ihm den Rat gab, seinen Hausarzt aufzusuchen, weil in ihrem Alter Geisteskrankheiten normal seien, vollkommen normal. Manchmal mußte er wieder zurück, um Fäden aufzunehmen, die er hatte fallen lassen - zum Beispiel, wie der alte Dor aufgetaucht war, als er, Ralph, sich gerade bemühte, Ed daran zu hindern, auf den Mann von West Side Gardeners loszugehen -, aber das störte ihn nicht weiter, und Lois schien keine Mühe zu haben, seiner Geschichte zu folgen. Beim Erzählen verspürte Ralph ein Gefühl besonders deutlich, nämlich eine so große Erleichterung, daß es fast schmerzhaft war. Es war, als hätte jemand sein Herz und seinen Verstand mit Backsteinen eingemauert, die er nun einen nach dem anderen entfernte.

Als er fertig war, war das Geschirr gespült, und sie hatten die Küche verlassen und saßen im Wohnzimmer mit den Dutzenden gerahmter Fotos, über denen Mr. Chasse auf seinem Platz auf dem Fernseher prangte.

»Und?« fragte Ralph. »Wieviel davon glaubst du?«

»Selbstverständlich alles«, sagte sie und bemerkte den Ausdruck der Erleichterung auf Ralphs Gesicht entweder nicht oder beschloß, ihn nicht zu bemerken. »Nach allem, was wir heute morgen gesehen haben - ganz zu schweigen davon, was du über meine saubere Schwiegertochter gewußt hast -, bringe ich es nicht fertig, dir nicht zu glauben. Das ist mein Vorzug gegenüber Bill.«