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Nicht dein einziger, dachte Ralph, sagte es aber nicht.

»Und das alles ist kein Zufall, oder?« fragte sie ihn.

Ralph schüttelte den Kopf. »Nein, das glaube ich nicht.«

»Als ich siebzehn war«, sagte sie, »heuerte meine Mutter einen Jungen aus der Straße an - Richard Henderson war sein Name -, damit er die Arbeiten rund um unser Haus erledigte. Sie hätte eine Menge Jungs einstellen können, aber sie entschied sich für Richard, weil sie ihn mochte... und sie hätte ihn gern für mich gehabt, wenn du verstehst, was ich meine.«

»Selbstverständlich verstehe ich. Sie hat dich verkuppeln wollen.«

»Hm-hmm, aber wenigstens hat sie es nicht auf eine auffällige, grausame oder peinliche Weise getan. Gott sei Dank, denn mir lag nicht das geringste an Richie - jedenfalls nicht so. Trotzdem hat sich Mutter größte Mühe gegeben. Wenn ich am Küchentisch saß und meine Hausaufgaben machte, ließ sie ihn die Holzkiste auffüllen, obwohl es Mai und schon ziemlich warm war. Wenn ich die Hühner fütterte, ließ sie Richie die Hecken neben dem Zaun schneiden. Sie wollte, daß ich ihn sehe... mich an ihn gewöhne... und wenn wir miteinander ausgekommen wären und er mich zum Tanzen aufgefordert oder zum Jahrmarkt eingeladen hätte, wäre ihr das recht gewesen. Es war ein sanfter, aber dauernder Druck. Und so ist es hier.«

»Mir kommt der Druck ganz und gar nicht sanft vor«, sagte Ralph. Er griff mit der Hand unwillkürlich an die Stelle, wo Charlie Pickering ihn mit der Messerspitze gepiekst hatte.

»Nein, natürlich nicht. Wenn einem jemand ein Messer so zwischen die Rippen bohrt, muß das schrecklich sein. Gott sei Dank hast du diese Spraydose dabeigehabt. Glaubst du, der alte Dor kann die Auren auch sehen? Daß ihm etwas aus dieser Welt gesagt hat, er soll dir die Spraydose in die Jackentasche tun?«

Ralph zuckte hilflos mit den Achseln. Was sie andeutete, war ihm auch schon durch den Kopf gegangen, aber wenn man eingehender darüber nachdachte, kippte einem wirklich der Boden unter den Füßen weg. Denn wenn Dorrance es getan hatte, bedeutete das, daß irgend eine (Wesenheit) höhere Macht oder ein Wesen gewußt haben mußte, daß Ralph Hilfe brauchen würde. Und das war noch nicht alles. Diese Macht - oder das Wesen - hätte ebenfalls wissen müssen, daß a) Ralph am Sonntag nachmittag ausgehen würde, b) das Wetter, das bis dahin schön gewesen war, sich so verschlechtem würde, daß er eine Jacke brauchte, und c) welche Jacke er anziehen würde. Mit anderen Worten, man hatte es mit etwas zu tun, das die Zukunft vorhersagen konnte. Die Vorstellung, daß er einem solchen Wesen aufgefallen sein könnte, machte ihm eine Heidenangst, um ganz ehrlich zu sein. Ihm war klar, daß die Intervention ihm zumindest im Fall der Spraydose wahrscheinlich das Leben gerettet hatte, aber trotzdem litt er Todesängste.

»Möglich«, sagte er. »Vielleicht hat etwas Dorrance als Botenjungen benutzt. Aber warum?« »Und was machen wir jetzt?« fragte sie.

Ralph konnte nur den Kopf schütteln.

Sie sah auf die Uhr zwischen dem Bild des Mannes im Waschbärmantel und der jungen Frau, die bereit schien, jederzeit Twenty-three skidoo zu sagen, dann griff sie zum Telefon. »Fast halb vier! Meine Güte!«

Ralph berührte ihre Hand. »Wen rufst du an?«

»Simone Castonguay. Ich hatte vorgehabt, heute nachmittag mit ihr und Mina nach Ludlow zu fahren - im Grange findet ein Kartenspiel statt -, aber nach alledem kann ich nicht gehen. Ich würde das letzte Hemd verlieren.« Sie lachte, dann errötete sie reizend. »Nur so eine Redensart.«

Ralph legte die Hand auf ihre, bevor sie den Hörer abnehmen konnte. »Geh zu deinem Kartenspiel, Lois.«

»Wirklich?« Sie sah zweifelnd und ein wenig enttäuscht aus.

»Ja.« Er hatte immer noch keine Ahnung, was hier vor sich ging, aber er spürte, daß sich das ändern würde. Lois hatte gesagt, sie würde einen Druck verspüren, aber Ralph kam es vor, als würde er getragen werden, so wie ein Fluß einen Mann in einem kleinen Boot trägt. Aber er konnte nicht sehen, wohin er unterwegs war; dichter Nebel verbarg die Ufer, und während die Strömung schneller wurde, konnte er weiter vorne das Tosen von Stromschnellen hören.

Aber da sind Umrisse, Ralph. Umrisse im Nebel.

Ja. Aber keine besonders beruhigenden. Möglicherweise waren es Bäume, die nur wie greifende Hände aussahen... aber andererseits konnten es auch zupackende Hände sein, die sich als Bäume tarnten. Bis Ralph wußte, was nun der Fall war, beruhigte ihn der Gedanke, Lois würde nicht in der Stadt sein. Er hatte eine Eingebung - vielleicht auch nur eine Hoffnung, die sich als Eingebung verkleidete -, daß Doc Nr. 3 ihr nicht nach Ludlow folgen konnte, daß er nicht einmal imstande war, ihr durch die Barrens zur East Side zu folgen.

Das kannst du nicht wissen, Ralph.

Vielleicht nicht, aber es schien zu stimmen, und er war immer noch überzeugt, daß Fühlen und Wissen in der heimlichen Stadt der Auren weitgehend identisch waren. Eines wußte er mit Sicherheit, daß Doc Nr. 3 Lois' Ballonschnur noch nicht durchgeschnitten hatte; das hatte Ralph selbst gesehen, zusammen mit dem erfreulich gesunden grauen Leuchten ihrer Aura. Aber Ralph wurde die wachsende Gewißheit nicht los, daß Doc Nr. 3 - der Irre Doc - die Absicht hatte, sie durchzuschneiden, und daß, so lebendig Rosalie auch ausgesehen haben mochte, als sie aus dem Strawford Park getrottet war, das Durchtrennen dieser Schnur ein mörderischer Akt gewesen war.

Sagen wir einmal, du hast recht, Ralph; nehmen wir an, er kann ihr heute nachmittag nichts tun, wenn sie drüben in Ludlow Karten spielt. Was ist mit heute abend? Morgen? Nächste Woche? Wie sieht die Lösung aus? Soll sie ihren Sohn und das Biest von einer Schwiegertochter anrufen und ihnen sagen, sie hat es sich überlegt, sie möchte doch nach Riverview Estates ziehen?

Er wußte es nicht. Aber er wußte, er brauchte Zeit zum Nachdenken, und er wußte auch, konstruktives Denken würde ihm schwerfallen, wenn er keine Gewißheit hatte, daß Lois zumindest vorläufig in Sicherheit sein würde.

»Ralph? Du bekommst wieder diesen schmudigen Ausdruck.«

»Was für einen Ausdruck?«

»Schmudig.« Sie warf das Haar anmutig zurück. »Das ist ein Wort, das ich erfunden habe, um zu beschreiben, wie Mr. Chasse aussah, wenn er so tat, als würde er mir zuhören, in Wirklichkeit aber an seine Münzsammlung gedacht hat. Ich erkenne einen schmudigen Gesichtsausdruck, wenn ich einen sehe, Ralph. Woran hast du gedacht?«

»Ich habe mich gefragt, wann du von deinem Kartenspiel zurückkehren würdest.«

»Kommt drauf an.«

»Worauf?«

»Ob wir noch auf ein Schokofrappe bei Tubby's einkehren oder nicht.« Sie sagte es mit der Miene einer Frau, die ein heimliches Laster gesteht.

»Angenommen ihr kommt gleich zurück.«

»Sieben Uhr. Vielleicht halb acht.« »Ruf mich an, sobald du zu Hause bist. Würdest du das tun?«

»Ja. Du möchtest, daß ich de Stadt verlasse, richtig? Das hat dieser schmudige Ausdruck in Wirklichkeit bedeutet.«

»Nun... «

»Du glaubst, daß mir dieses häßliche kahlköpfige Ding etwas tun will, richtig?«

»Ich halte es für möglich.«

»Es könnte dir auch etwas tun!«

»Ja, aber... «

Aber soweit ich es beurteilen kann, trägt es keines von meinen modischen Accessoires.

»Aber was?«

»Mir wird nichts zustoßen, bis du zurück bist, das ist alles.« Er erinnerte sich an ihre abfällige Bemerkung über moderne Männer, die einander umarmten und plärrten, und bemühte sich um ein gebieterisches Stirnrunzeln. »Geh Kartenspielen und überlaß diese Sache mir, zumindest vorerst. Das ist ein Befehl.«

Carolyn hätte entweder gelacht oder wäre wütend über dieses komische Macho-Gehabe geworden. Lois, die einer völlig anderen Schule weiblichen Denkens angehörte, nickte nur und schien dankbar zu sein, daß ihr die Entscheidung aus den Händen genommen worden war. »Also gut.« Sie drückte sein Kinn nach unten, damit sie ihm direkt in die Augen sehen konnte. »Weißt du, was du tust, Ralph?«