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Mein Auge brach, und — ich fand mich gerettet.

Sind wir, was Götter gnädig uns gewährt,

Unglücklichen nicht zu erstatten schuldig?

Du weißt es, kennst mich, und du willst mich zwingen!

Thoas:

Gehorche deinem Dienste, nicht dem Herrn!

Iphigenie:

Laß ab! Beschönige nicht die Gewalt,

Die sich der Schwachheit eines Weibes freut.

Ich bin so frei geboren als ein Mann.

Stünd Agamemnons Sohn dir gegenüber

Und du verlangtest, was sich nicht gebührt,

So hat auch er ein Schwert und einen Arm,

Die Rechte seines Busens zu verteid'gen.

Ich habe nichts als Worte, und es ziemt

Dem edlen Mann, der Frauen Wort zu achten.

Thoas:

Ich acht es mehr als eines Bruders Schwert.

Iphigenie:

Das Los der Waffen wechselt hin und her:

Kein kluger Streiter hält den Feind gering.

Auch ohne Hülfe gegen Trutz und Härte

Hat die Natur den Schwachen nicht gelassen.

Sie gab zur List ihm Freude, lehrt' ihn Künste:

Bald weicht er aus, verspätet und umgeht.

Ja, der Gewaltige verdient, daß man sie übt.

Thoas:

Die Vorsicht stellt der List sich klug entgegen.

Iphigenie:

Und eine reine Seele braucht sie nicht.

Thoas:

Sprich unbehutsam nicht dein eigen Urteil!

Iphigenie:

O sähest du, wie meine Seele kämpft,

Ein bös Geschick, das sie ergreifen will,

Im ersten Anfall mutig abzutreiben!

So steh ich denn hier wehrlos gegen dich?

Die schöne Bitte, den anmut'gen Zweig,

In einer Frauen Hand gewaltiger

Als Schwert und Waffe, stößest du zurück:

Was bleibt mir nun, mein Innres zu verteid'gen?

Ruf ich die Göttin um ein Wunder an?

Ist keine Kraft in meiner Seele Tiefen?

Thoas:

Es scheint, der beiden Fremden Schicksal macht

Unmäßig dich besorgt. Wer sind sie, sprich,

Für die dein Geist gewaltig sich erhebt?

Iphigenie:

Sie sind — sie scheinen — für Griechen halt ich sie.

Thoas:

Landsleute sind es? und sie haben wohl

Der Rückkehr schönes Bild in dir erneut?

Iphigenie nach einigem Stillschweigen:

Hat denn zur unerhörten Tat der Mann

Allein das Recht? Drückt denn Unmögliches

Nur er an die gewalt'ge Heldenbrust?

Was nennt man groß? Was hebt die Seele schaudernd

Dem immer wiederholenden Erzähler,

Als was mit unwahrscheinlichem Erfolg

Der Mutigste begann? Der in der Nacht

Allein das Heer des Feindes überschleicht,

Wie unversehen eine Flamme wütend

Die Schlafenden, Erwachenden ergreift,

Zuletzt, gedrängt von den Ermunterten,

Auf Feindes Pferden doch mit Beute kehrt,

Wird der allein gepriesen? der allein,

Der, einen sichern Weg verachtend, kühn

Gebirg und Wälder durchzustreifen geht,

Daß er von Räubern eine Gegend säubre?

Ist uns nichts übrig? Muß ein zartes Weib

Sich ihres angebornen Rechts entäußern,

Wild gegen Wilde sein, wie Amazonen

Das Recht des Schwerts euch rauben und mit Blute

Die Unterdrückung rächen? Auf und ab

Steigt in der Brust ein kühnes Unternehmen:

Ich werde großem Vorwurf nicht entgehn

Noch schwerem Übel, wenn es mir mißlingt;

Allein euch leg ich's auf die Kniee! Wenn

Ihr wahrhaft seid, wie ihr gepriesen werdet,

So zeigt's durch euern Beistand und verherrlicht

Durch mich die Wahrheit! — Ja, vernimm, o König,

Es wird ein heimlicher Betrug geschmiedet:

Vergebens fragst du den Gefangnen nach;

Sie sind hinweg und suchen ihre Freunde,

Die mit dem Schiff am Ufer warten, auf.

Der ältste, den das Übel hier ergriffen

Und nun verlassen hat — es ist Orest,

Mein Bruder, und der andre sein Vertrauter,

Sein Jugendfreund, mit Namen Pylades.

Apoll schickt sie von Delphi diesem Ufer

Mit göttlichen Befehlen zu, das Bild

Dianens wegzurauben und zu ihm

Die Schwester hinzubringen, und dafür

Verspricht er dem von Furien Verfolgten,

Des Mutterblutes Schuldigen, Befreiung.

Uns beide hab ich nun, die Überbliebnen

Von Tantals Haus, in deine Hand gelegt:

Verdirb uns — wenn du darfst.

Thoas:

Du glaubst, es höre

Der rohe Skythe, der Barbar, die Stimme

Der Wahrheit und der Menschlichkeit, die Atreus,

Der Grieche, nicht vernahm?

Iphigenie:

Es hört sie jeder,

Geboren unter jedem Himmel, dem

Des Lebens Quelle durch den Busen rein

Und ungehindert fließt. — Was sinnst du mir,

O König, schweigend in der tiefen Seele?

Ist es Verderben? so töte mich zuerst!

Denn nun empfind ich, da uns keine Rettung

Mehr übrigbleibt, die gräßliche Gefahr,

Worein ich die Geliebten übereilt

Vorsätzlich stürzte. Weh! Ich werde sie

Gebunden vor mir sehn! Mit welchen Blicken

Kann ich von meinem Bruder Abschied nehmen,

Den ich ermorde? Nimmer kann ich ihm

Mehr in die vielgeliebten Augen schaun!

Thoas:

So haben die Betrüger künstlich dichtend

Der lang Verschloßnen, ihre Wünsche leicht

Und willig Glaubenden ein solch Gespinst

Ums Haupt geworfen!

Iphigenie:

Nein! o König, nein!

Ich könnte hintergangen werden; diese

Sind treu und wahr. Wirst du sie anders finden,

So laß sie fallen und verstoße mich,

Verbanne mich zur Strafe meiner Torheit

An einer Klippeninsel traurig Ufer.

Ist aber dieser Mann der lang erflehte

Geliebte Bruder, so entlaß uns, sei

Auch den Geschwistern wie der Schwester freundlich!

Mein Vater fiel durch seiner Frauen Schuld

Und sie durch ihren Sohn. Die letzte Hoffnung

Von Atreus' Stamme ruht auf ihm allein.

Laß mich mit reinem Herzen, reiner Hand

Hinübergehn und unser Haus entsühnen.

Du hältst mir Wort! — Wenn zu den Meinen je

Mir Rückkehr zubereitet wäre, schwurst

Du, mich zu lassen; und sie ist es nun.

Ein König sagt nicht, wie gemeine Menschen,

Verlegen zu, daß er den Bittenden

Auf einen Augenblick entferne; noch

Verspricht er auf den Fall, den er nicht hofft:

Dann fühlt er erst die Höhe seiner Würde,

Wenn er den Harrenden beglücken kann.

Thoas:

Unwillig, wie sich Feuer gegen Wasser

Im Kampfe wehrt und gischend seinen Feind

Zu tilgen sucht, so wehret sich der Zorn

In meinem Busen gegen deine Worte.

Iphigenie:

O laß die Gnade wie das heil'ge Licht

Der stillen Opferflamme mir, umkränzt

Von Lobgesang und Dank und Freude, lodern.

Thoas:

Wie oft besänftigte mich diese Stimme!

Iphigenie:

O reiche mir die Hand zum Friedenszeichen!

Thoas:

Du forderst viel in einer kurzen Zeit.

Iphigenie:

Um Guts zu tun, braucht's keiner Überlegung.

Thoas:

Sehr viel! denn auch dem Guten folgt das Übel.

Iphigenie:

Der Zweifel ist's, der Gutes böse macht.

Bedenke nicht; gewähre, wie du's fühlst.

Vierter Auftritt

Orest, gewaffnet. Die Vorigen.

Orest nach der Szene gekehrt:

Verdoppelt eure Kräfte! Haltet sie

Zurück! Nur wenig Augenblicke! Weicht

Der Menge nicht und deckt den Weg zum Schiffe

Mir und der Schwester!

Zu Iphigenien, ohne den König zu sehen:

Komm, wir sind verraten.

Geringer Raum bleibt uns zur Flucht. Geschwind!

Er erblickt den König.

Thoas nach dem Schwerte greifend:

In meiner Gegenwart führt ungestraft

Kein Mann das nackte Schwert.

Iphigenie:

Entheiliget

Der Göttin Wohnung nicht durch Wut und Mord!

Gebietet eurem Volke Stillstand, höret

Die Priesterin, die Schwester!

Orest:

Sage mir!

Wer ist es, der uns droht?

Iphigenie:

Verehr in ihm

Den König, der mein zweiter Vater ward!

Verzeih mir, Bruder! doch mein kindlich Herz

Hat unser ganz Geschick in seine Hand

Gelegt. Gestanden hab ich euern Anschlag

Und meine Seele vom Verrat gerettet.

Orest: