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Am Tage, da der Vater fiel, verbarg

Elektra rettend ihren Bruder: Strophius,

Des Vaters Schwäher, nahm ihn willig auf,

Erzog ihn neben seinem eignen Sohne,

Der, Pylades genannt, die schönsten Bande

Der Freundschaft um den Angekommnen knüpfte.

Und wie sie wuchsen, wuchs in ihrer Seele

Die brennende Begier, des Königs Tod

Zu rächen. Unversehen, fremd gekleidet,

Erreichen sie Myken, als brächten sie

Die Trauernachricht von Orestens Tode

Mit seiner Asche. Wohl empfänget sie

Die Königin; sie treten in das Haus.

Elektren gibt Orest sich zu erkennen;

Sie bläst der Rache Feuer in ihm auf,

Das vor der Mutter heil'ger Gegenwart

In sich zurückgebrannt war. Stille führt

Sie ihn zum Orte, wo sein Vater fiel,

Wo eine alte, leichte Spur des frech

Vergoßnen Blutes oft gewaschnen Boden

Mit blassen, ahndungsvollen Streifen färbte.

Mit ihrer Feuerzunge schilderte

Sie jeden Umstand der verruchten Tat,

Ihr knechtisch elend durchgebrachtes Leben,

Den Übermut der glücklichen Verräter

Und die Gefahren, die nun der Geschwister

Von einer stiefgewordnen Mutter warteten. —

Hier drang sie jenen alten Dolch ihm auf,

Der schon in Tantals Hause grimmig wütete,

Und Klytämnestra fiel durch Sohnes Hand.

Iphigenie:

Unsterbliche, die ihr den reinen Tag

Auf immer neuen Wolken selig lebet,

Habt ihr nur darum mich so manches Jahr

Von Menschen abgesondert, mich so nah

Bei euch gehalten, mir die kindliche

Beschäftigung, des heil'gen Feuers Glut

Zu nähren, aufgetragen, meine Seele

Der Flamme gleich in ew'ger, frommer Klarheit

Zu euern Wohnungen hinaufgezogen,

Daß ich nur meines Hauses Greuel später

Und tiefer fühlen sollte? — Sage mir

Vom Unglücksel'gen! Sprich mir von Orest! —

Orest:

O könnte man von seinem Tode sprechen!

Wie gärend stieg aus der Erschlagnen Blut

Der Mutter Geist

Und ruft der Nacht uralten Töchtern zu:

«Laßt nicht den Muttermörder entfliehn!

Verfolgt den Verbrecher! Euch ist er geweiht!»

Sie horchen auf, es schaut ihr hohler Blick

Mit der Begier des Adlers um sich her.

Sie rühren sich in ihren schwarzen Höhlen,

Und aus den Winkeln schleichen ihre Gefährten,

Der Zweifel und die Reue, leis herbei.

Vor ihnen steigt ein Dampf vom Acheron;

In seinen Wolkenkreisen wälzet sich

Die ewige Betrachtung des Geschehnen

Verwirrend um des Schuld'gen Haupt umher.

Und sie, berechtigt zum Verderben, treten

Der gottbesäten Erde schönen Boden,

Von dem ein alter Fluch sie längst verbannte.

Den Flüchtigen verfolgt ihr schneller Fuß;

Sie geben nur, um neu zu schrecken, Rast.

Iphigenie:

Unseliger, du bist in gleichem Fall

Und fühlst, was er, der arme Flüchtling, leidet!

Orest:

Was sagst du mir? Was wähnst du gleichen Fall?

Iphigenie:

Dich drückt ein Brudermord wie jenen; mir

Vertraute dies dein jüngster Bruder schon.

Orest:

Ich kann nicht leiden, daß du große Seele

Mit einem falschen Wort betrogen werdest.

Ein lügenhaft Gewebe knüpf ein Fremder

Dem Fremden, sinnreich und der List gewohnt,

Zur Falle vor die Füße; zwischen uns

Sei Wahrheit!

Ich bin Orest! und dieses schuld'ge Haupt

Senkt nach der Grube sich und sucht den Tod;

In jeglicher Gestalt sei er willkommen!

Wer du auch seist, so wünsch ich Rettung dir

Und meinem Freunde; mir wünsch ich sie nicht.

Du scheinst hier wider Willen zu verweilen;

Erfindet Rat zur Flucht und laßt mich hier.

Es stürze mein entseelter Leib vom Fels,

Es rauche bis zum Meer hinab mein Blut

Und bringe Fluch dem Ufer der Barbaren!

Geht ihr, daheim im schönen Griechenland

Ein neues Leben freundlich anzufangen!

Er entfernt sich.

Iphigenie:

So steigst du denn, Erfüllung, schönste Tochter

Des größten Vaters, endlich zu mir nieder!

Wie ungeheuer steht dein Bild vor mir!

Kaum reicht mein Blick dir an die Hände, die,

Mit Frucht und Segenskränzen angefüllt,

Die Schätze des Olympus niederbringen.

Wie man den König an dem Übermaß

Der Gaben kennt — denn ihm muß wenig scheinen,

Was Tausenden schon Reichtum ist —, so kennt

Man euch, ihr Götter, an gesparten, lang

Und weise zubereiteten Geschenken.

Denn ihr allein wißt, was uns frommen kann,

Und schaut der Zukunft ausgedehntes Reich,

Wenn jedes Abends Stern- und Nebelhülle

Die Aussicht uns verdeckt. Gelassen hört

Ihr unser Flehn, das um Beschleunigung

Euch kindisch bittet; aber eure Hand

Bricht unreif nie die goldnen Himmelsfrüchte,

Und wehe dem, der, ungeduldig sie

Ertrotzend, saure Speise sich zum Tod

Genießt. O laßt das lang erwartete,

Noch kaum gedachte Glück nicht wie den Schatten

Des abgeschiednen Freundes eitel mir

Und dreifach schmerzlicher vorübergehn!

Orest tritt wieder zu ihr:

Rufst du die Götter an für dich und Pylades,

So nenne meinen Namen nicht mit eurem.

Du rettest den Verbrecher nicht, zu dem

Du dich gesellst, und teilest Fluch und Not.

Iphigenie:

Mein Schicksal ist an deines fest gebunden.

Orest:

Mitnichten! Laß allein und unbegleitet

Mich zu den Toten gehn. Verhülltest du

In deinen Schleier selbst den Schuldigen:

Du birgst ihn nicht vorm Blick der immer Wachen,

Und deine Gegenwart, du Himmlische,

Drängt sie nur seitwärts und verscheucht sie nicht.

Sie dürfen mit den ehrnen frechen Füßen

Des heil'gen Waldes Boden nicht betreten;

Doch hör ich aus der Ferne hier und da

Ihr gräßliches Gelächter. Wölfe harren

So um den Baum, auf den ein Reisender

Sich rettete. Da draußen ruhen sie

Gelagert; und verlaß ich diesen Hain,

Dann steigen sie, die Schlangenhäupter schüttelnd,

Von allen Seiten Staub erregend auf

Und treiben ihre Beute vor sich her.

Iphigenie:

Kannst du, Orest, ein freundlich Wort vernehmen?

Orest:

Spar es für einen Freund der Götter auf.

Iphigenie:

Sie geben dir zu neuer Hoffnung Licht.

Orest:

Durch Rauch und Qualm seh ich den matten Schein

Des Totenflusses mir zur Hölle leuchten.

Iphigenie:

Hast du Elektren, eine Schwester nur?

Orest:

Die eine kannt ich; doch die ältste nahm

Ihr gut Geschick, das uns so schrecklich schien,

Beizeiten aus dem Elend unsers Hauses.

O laß dein Fragen und geselle dich

Nicht auch zu den Erinnyen; sie blasen

Mir schadenfroh die Asche von der Seele

Und leiden nicht, daß sich die letzten Kohlen

Von unsers Hauses Schreckensbrande still

In mir verglimmen. Soll die Glut denn ewig,

Vorsätzlich angefacht, mit Höllenschwefel

Genährt, mir auf der Seele marternd brennen?

Iphigenie:

Ich bringe süßes Rauchwerk in die Flamme.

O laß den reinen Hauch der Liebe dir

Die Glut des Busens leise wehend kühlen.

Orest, mein Teurer, kannst du nicht vernehmen?

Hat das Geleit der Schreckensgötter so

Das Blut in deinen Adern aufgetrocknet?

Schleicht, wie vom Haupt der gräßlichen Gorgone,

Versteinernd dir ein Zauber durch die Glieder?

O wenn vergoßnen Mutterblutes Stimme

Zur Höll hinab mit dumpfen Tönen ruft,

Soll nicht der reinen Schwester Segenswort

Hülfreiche Götter vom Olympus rufen?

Orest:

Es ruft! es ruft! So willst du mein Verderben?

Verbirgt in dir sich eine Rachegöttin?

Wer bist du, deren Stimme mir entsetzlich

Das Innerste in seinen Tiefen wendet?

Iphigenie:

Es zeigt sich dir im tiefsten Herzen an:

Orest, ich bin's! Sieh Iphigenien!

Ich lebe!

Orest:

Du!

Iphigenie:

Mein Bruder!

Orest:

Laß! Hinweg!

Ich rate dir, berühre nicht die Locken!

Wie von Kreusas Brautkleid zündet sich

Ein unauslöschlich Feuer von mir fort.

Laß mich! Wie Herkules will ich Unwürd'ger

Den Tod voll Schmach, in mich verschlossen, sterben.