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Iphigenie:

Du wirst nicht untergehn! O daß ich nur

Ein ruhig Wort von dir vernehmen könnte!

O löse meine Zweifel, laß des Glückes,

Des lang erflehten, mich auch sicher werden.

Es wälzet sich ein Rad von Freud und Schmerz

Durch meine Seele. Von dem fremden Manne

Entfernet mich ein Schauer; doch es reißt

Mein Innerstes gewaltig mich zum Bruder.

Orest:

Ist hier Lyäens Tempel? und ergreift

Unbändig-heil'ge Wut die Priesterin?

Iphigenie:

O höre mich! O sieh mich an, wie mir

Nach einer langen Zeit das Herz sich öffnet,

Der Seligkeit, dem Liebsten, was die Welt

Noch für mich tragen kann, das Haupt zu küssen,

Mit meinen Armen, die den leeren Winden

Nur ausgebreitet waren, dich zu fassen!

O laß mich! Laß mich! Denn es quillet heller

Nicht vom Parnaß die ew'ge Quelle sprudelnd

Von Fels zu Fels ins goldne Tal hinab,

Wie Freude mir vom Herzen wallend fließt

Und wie ein selig Meer mich rings umfängt.

Orest! Orest! Mein Bruder!

Orest:

Schöne Nymphe,

Ich traue dir und deinem Schmeicheln nicht.

Diana fordert strenge Dienerinnen

Und rächet das entweihte Heiligtum.

Entferne deinen Arm von meiner Brust!

Und wenn du einen Jüngling rettend lieben,

Das schöne Glück ihm zärtlich bieten willst,

So wende meinem Freunde dein Gemüt,

Dem würd'gern Manne, zu. Er irrt umher

Auf jenem Felsenpfade; such ihn auf,

Weis ihn zurecht und schone meiner.

Iphigenie:

Fasse

Dich, Bruder, und erkenne die Gefundne!

Schilt einer Schwester reine Himmelsfreude

Nicht unbesonnene, strafbare Lust.

O nehmt den Wahn ihm von dem starren Auge,

Daß uns der Augenblick der höchsten Freude

Nicht dreifach elend mache! Sie ist hier,

Die längst verlorne Schwester. Vom Altar

Riß mich die Göttin weg und rettete

Hierher mich in ihr eigen Heiligtum.

Gefangen bist du, dargestellt zum Opfer,

Und findest in der Priesterin die Schwester.

Orest:

Unselige! So mag die Sonne denn

Die letzten Greuel unsers Hauses sehn!

Ist nicht Elektra hier, damit auch sie

Mit uns zugrunde gehe, nicht ihr Leben

Zu schwererem Geschick und Leiden friste?

Gut, Priesterin! ich folge zum Altar:

Der Brudermord ist hergebrachte Sitte

Des alten Stammes; und ich danke, Götter,

Daß ihr mich ohne Kinder auszurotten

Beschlossen habt. Und laß dir raten, habe

Die Sonne nicht zu lieb und nicht die Sterne;

Komm, folge mir ins dunkle Reich hinab!

Wie sich vom Schwefelpfuhl erzeugte Drachen,

Bekämpfend die verwandte Brut, verschlingen,

Zerstört sich selbst das wütende Geschlecht;

Komm kinderlos und schuldlos mit hinab!

Du siehst mich mit Erbarmen an? Laß ab!

Mit solchen Blicken suchte Klytämnestra

Sich einen Weg nach ihres Sohnes Herzen;

Doch sein geschwungner Arm traf ihre Brust.

Die Mutter fiel! — Tritt auf, unwill'ger Geist!

Im Kreis geschlossen tretet an, ihr Furien,

Und wohnet dem willkommnen Schauspiel bei,

Dem letzten, gräßlichsten, das ihr bereitet!

Nicht Haß und Rache schärfen ihren Dolch;

Die liebevolle Schwester wird zur Tat

Gezwungen. Weine nicht! Du hast nicht schuld.

Seit meinen ersten Jahren hab ich nichts

Geliebt, wie ich dich lieben könnte, Schwester.

Ja, schwinge deinen Stahl, verschone nicht,

Zerreiße diesen Busen und eröffne

Den Strömen, die hier sieden, einen Weg!

Er sinkt in Ermattung.

Iphigenie:

Allein zu tragen dieses Glück und Elend,

Vermag ich nicht. — Wo bist du, Pylades?

Wo find ich deine Hülfe, teurer Mann?

Sie entfernt sich suchend.

Zweiter Auftritt

Orest aus seiner Betäubung erwachend und sich aufrichtend:

Noch einen' reiche mir aus Lethes Fluten

Den letzten kühlen Becher der Erquickung!

Bald ist der Krampf des Lebens aus dem Busen

Hinweggespült; bald fließet still mein Geist,

Der Quelle des Vergessens hingegeben,

Zu euch, ihr Schatten, in die ew'gen Nebel.

Gefällig laßt in eurer Ruhe sich

Den umgetriebnen Sohn der Erde laben! —

Welch ein Gelispel hör ich in den Zweigen,

Welch ein Geräusch aus jener Dämmrung säuseln? —

Sie kommen schon, den neuen Gast zu sehn!

Wer ist die Schar, die herrlich miteinander

Wie ein versammelt Fürstenhaus sich freut?

Sie gehen friedlich, Alt' und Junge, Männer

Mit Weibern; göttergleich und ähnlich scheinen

Die wandelnden Gestalten. Ja, sie sind's,

Die Ahnherrn meines Hauses! — Mit Thyesten

Geht Atreus in vertraulichen Gesprächen,

Die Knaben schlüpfen scherzend um sie her.

Ist keine Feindschaft hier mehr unter euch?

Verlosch die Rache wie das Licht der Sonne?

So bin auch ich willkommen, und ich darf

In euern feierlichen Zug mich mischen.

Willkommen, Väter! euch grüßt Orest,

Von euerm Stamme der letzte Mann;

Was ihr gesät, hat er geerntet:

Mit Fluch beladen stieg er herab.

Doch leichter träget sich hier jede Bürde:

Nehmt ihn, o nehmt ihn in euern Kreis! —

Dich, Atreus, ehr ich, auch dich, Thyesten:

Wir sind hier alle der Feindschaft los. —

Zeigt mir den Vater, den ich nur einmal

Im Leben sah! — Bist du's, mein Vater?

Und führst die Mutter vertraut mit dir?

Darf Klytämnestra die Hand dir reichen,

So darf Orest auch zu ihr treten

Und darf ihr sagen: Sieh deinen Sohn! —

Seht euern Sohn! Heißt ihn willkommen!

Auf Erden war in unserm Hause

Der Gruß des Mordes gewisse Losung,

Und das Geschlecht des alten Tantalus

Hat seine Freuden jenseits der Nacht.

Ihr ruft:»Willkommen!«und nehmt mich auf.

O führt zum Alten, zum Ahnherrn mich!

Wo ist der Alte? daß ich ihn sehe,

Das teure Haupt, das vielverehrte,

Das mit den Göttern zu Rate saß.

Ihr scheint zu zaudern, euch wegzuwenden?

Was ist es? Leidet der Göttergleiche?

Weh mir! es haben die Übermächt'gen

Der Heldenbrust grausame Qualen

Mit ehrnen Ketten fest aufgeschmiedet.

Dritter Auftritt

Orest. Iphigenie. Pylades.

Orest:

Seid ihr auch schon herabgekommen?

Wohl, Schwester, dir! Noch fehlt Elektra:

Ein güt'ger Gott send uns die eine

Mit sanften Pfeilen auch schnell herab.

Dich, armer Freund, muß ich bedauern!

Komm mit! komm mit! zu Plutos Thron,

Als neue Gäste den Wirt zu grüßen.

Iphigenie:

Geschwister, die ihr an dem weiten Himmel

Das schöne Licht bei Tag und Nacht herauf

Den Menschen bringet und den Abgeschiednen

Nicht leuchten dürfet, rettet uns Geschwister!

Du liebst Diane, deinen holden Bruder

Vor allem, was dir Erd und Himmel bietet

Und wendest dein jungfräulich Angesicht

Nach seinem ew'gen Lichte sehnend still.

O laß den einz'gen, spätgefundnen mir

Nicht in der Finsternis des Wahnsinns rasen!

Und ist dein Wille, da du hier mich bargst,

Nunmehr vollendet, willst du mir durch ihn

Und ihm durch mich die sel'ge Hülfe geben,

So lös ihn von den Banden jenes Fluchs,

Daß nicht die teure Zeit der Rettung schwinde!

Pylades:

Erkennst du uns und diesen heil'gen Hain

Und dieses Licht, das nicht den Toten leuchtet?

Fühlst du den Arm des Freundes und der Schwester,

Die dich noch fest, noch lebend halten? Faß

Uns kräftig an; wir sind nicht leere Schatten.

Merk auf mein Wort! Vernimm es! Raffe dich

Zusammen! Jeder Augenblick ist teuer,

Und unsre Rückkehr hängt an zarten Fäden,

Die, scheint es, eine günst'ge Parze spinnt.

Orest zu Iphigenien:

Laß mich zum erstenmal mit freiem Herzen

In deinen Armen reine Freude haben!

Ihr Götter, die mit flammender Gewalt

Ihr schwere Wolken aufzuzehren wandelt

Und gnädig-ernst den lang erflehten Regen

Mit Donnerstimmen und mit Windesbrausen

In wilden Strömen auf die Erde schüttet,

Doch bald der Menschen grausendes Erwarten

In Segen auflöst und das bange Staunen

In Freudeblick und lauten Dank verwandelt,

Wenn in den Tropfen frisch erquickter Blätter