Verdammt. »Wir haben nicht viel Spielraum, General.«
»Verstanden, Admiral.«
»An alle Einheiten der Eingreiftruppe Lima, sofort ausführen: Bremsgeschwindigkeit reduzieren auf 0,8 Maximum«, ordnete derweil Desjani an.
Sechzehn Minuten nach Desjanis erstem Befehl und nach zahlreichen kleineren Korrekturen der Bremsgeschwindigkeit kamen die Schlachtkreuzer in einer relativen Position zum Stillstand und kreisten um den Asteroiden. »Alle Shuttles starten«, befahl Desjani.
Von jedem Schlachtkreuzer starteten etliche Shuttles und jagten auf den Asteroiden zu. An Bord befanden sich jeweils ein paar Ingenieure der Marines, die mit allem nötigen Gerät ausgestattet waren, um in das Innere dieses Gefängnisses vorzudringen, außerdem medizinisches Personal sowie ein Flotteningenieur, der sämtliche Ausrüstung der Aliens daraufhin überprüfen sollte, ob sie es wert war, ausgebaut und mitgenommen zu werden. Darüber hinaus boten die Shuttles vor allem Platz für die Menschen, die dort gefangen gehalten wurden und die hoffentlich befreit werden konnten. »Fünf Minuten, bis das erste Shuttle an der Schleuse andockt«, sagte Desjani zu Geary.
»General Carabali«, setzte Geary an, kam aber nicht weiter.
»Sie haben die Fallen überwunden«, meldete Carabali in diesem Moment. »Sie passieren leere Abteile. Ausrüstungsgegenstände. Noch eine Luftschleuse. Fallen auf dieser Seite erkennbar. Geschätzte Zeit, bis die unschädlich sind, zwei Minuten.«
Desjani hatte ihren Blick auf die Kriegsschiffe der Aliens gerichtet: »Wir sind langsamer geworden, sie aber nicht. In zehn Minuten dürften sie das Licht von unseren Manövern zu sehen bekommen.«
Geary nickte. »Spätestens dann werden wir herausfinden, ob sie jetzt auch noch in der Lage sind, diesen Asteroiden in die Luft zu jagen.« Er musterte seinen Teil der Flotte, der immer noch abbremste, während der Abstand zur Eingreiftruppe mit jeder Sekunde ein Stück wuchs. Er benötigte keine Manöverberechnungen, um zu wissen, dass er diese Schiffe nicht dazu bringen konnte kehrtzumachen, um noch rechtzeitig bei ihnen zu sein und etwas bewirken zu können. »Sieht ganz so aus, als müssten unsere sechzehn Schlachtkreuzer sich diese fünfunddreißig Alien-Schiffe vorknöpfen.«
»Kleinigkeit«, meinte Desjani nur.
Die Hauptformation wirkte seltsam gestreckt, und als Geary einen bestimmten Bereich markierte, stellte er fest, dass die Dreadnaught stärker abbremste als befohlen und dass die Dependable und die Conqueror versuchten, mit ihr mitzuhalten. »Captain Geary, Sie beanspruchen Ihre Antriebseinheiten zu sehr. Bremsen Sie nicht so stark ab und bleiben Sie bei der Flotte.«
Desjani hatte das ebenfalls bemerkt und schüttelte den Kopf. »Sie versucht, diese Schlachtschiffe in unserer Nähe zu belassen, um uns zu unterstützen. Aber so schnell können die nicht abbremsen.«
»Was sie auch wissen sollte.«
Er konzentrierte sich wieder auf die Leichten Kreuzer und die Zerstörer, die weiter in der Richtung beschleunigten, in der der Marine vermutlich zu finden war. »General, wenn Sie Ihrem Scout befehlen könnten, ein Leuchtfeuer zu zünden, dann könnte uns das weiterhelfen.«
»Schon geschehen, Admiral. Der Scout sollte den Befehl inzwischen empfangen haben, aber es gibt noch keine Reaktion. Sein Metabolismus könnte also immer noch verlangsamt arbeiten. Wir haben ihm soeben den Aktivierungsbefehl geschickt.«
»Empfange Notrufsignal«, meldete Lieutenant Castries.
Geary rechnete überschlägig die Position des Notrufs und dessen Bewegung in Relation zu den Kreuzern und Zerstörern aus. »Dieser Marine konnte aber noch deutlich seine Geschwindigkeit reduzieren, bevor die Bremsvorrichtung an seinem Anzug versagte. Ich glaube, eine Rettung sollte möglich sein.«
»Da muss sich aber jemand ganz gehörig bei den Vorfahren bedanken«, merkte Desjani an.
»Wir haben die Luftschleuse passiert«, meldete Carabali. »Dahinter ist noch eine Luftschleuse. Versiegelt, aber keine Fallen. Wir sprengen jetzt.«
»Sie kommen näher«, rief Desjani dazwischen.
»Alien-Schiffe beschleunigen, um uns auf unserer gegenwärtigen Position abzufangen«, rief Lieutenant Yuon aufgeregt.
»Wir können Sie gut hören, Lieutenant«, sagte Desjani energisch. »An alle Einheiten der Eingreiftruppe Lima: Nehmen Sie die Shuttles an Bord, die sich in Ihrer unmittelbaren Nähe befinden. Achten Sie dabei nicht darauf, welches Shuttle eigentlich auf welches Schiff gehört.« Sie zuckte mit den Schultern. »Das sollte uns ein paar Minuten einbringen, wenn die Shuttles zurückkehren«, wandte sie sich an Geary.
Er nickte beiläufig, während seine Aufmerksamkeit zwischen der Hauptgruppe der Flotte, den Marine Scouts, den Shuttles und den Kriegsschiffen der Aliens hin- und herwanderte. »Uns bleibt nicht einmal mehr eine Stunde, dann haben sie uns erreicht.«
»Letzte Barriere überwunden«, kam die nächste Meldung von Carabali. »Betreten weitläufigen Bereich, etliche Gebäude an der Innenwand des Asteroiden. Es ist eine Stadt. Menschen gesichtet. Einige laufen in unsere Richtung, andere rennen davon.«
»Erstes Shuttle dockt an, lässt Passagiere aussteigen.«
»Erste Schätzung der menschlichen Gefangenen liegt bei über hundert.«
»Stromversorgung im Asteroiden ist ausgefallen. Ursache unbekannt. Wir stellen tragbare Lampen auf.«
»Enigma-Kriegsschiffe noch fünfzig Minuten entfernt.«
»Leichter Kreuzer Kusari meldet, dass die geschätzte Zeit bis zur Rettung des Marine Scout bei einer Stunde vierzig Minuten liegt.«
»Befreite Gefangene werden an einem Platz zusammengeführt. Ich muss berichten, dass viele Gefangene sich in ihren Unterkünften verstecken und verbarrikadieren.«
Geary widerstand der Versuchung, sich mit der flachen Hand gegen die Stirn zu schlagen. Auch wenn es eine noch so dumme Reaktion, konnte man sie doch nachvollziehen, wenn man berücksichtigte, in welcher Isolation sie hier lebten – von dem Zeitraum ganz zu schweigen, den sie hier zugebracht haben mussten. »Erteile Erlaubnis, alle Barrikaden zu durchbrechen und in die Gebäude einzudringen, um die Menschen herauszuholen, damit wir keine unnötige Zeit verlieren.«
Carabali schien sich über das Verhalten dieser Leute zu ärgern. »Bitte um Erlaubnis, notfalls Betäubungsmittel einzusetzen, um sich widersetzende Person unschädlich zu machen.«
»Erlaubnis erteilt. Uns läuft die Zeit davon, General.«
»Admiral«, meldete sich in diesem Moment Captain Smythe zu Wort. »Meine Ingenieure berichten, ihre Scans haben ergeben, dass sich in den Geräten und Anlagen der Enigmas auf dem Asteroiden Sprengstoff befindet. Wir könnten den Selbstzerstörungsmechanismus auslösen, wenn wir versuchen, irgendetwas abzumontieren und mitzunehmen, es sei denn, wir nehmen uns die Zeit, alle Elemente auszubauen, die zur Aktivierung dienen könnten.«
»Wie lange?«, wollte Geary wissen.
Smythe hielt nur einen Moment lang inne. »Mindestens eine Stunde.«
»Wir haben keine Stunde. Lassen Sie von Ihren Ingenieuren die Geräte so gründlich wie möglich scannen, innen wie außen, und dann sollen sie sich auf den Weg zu den Shuttles machen. Ihnen bleiben noch zwanzig Minuten.«
»Erstes Shuttle mit dreißig Gefangenen hebt ab«, rief Castries dazwischen.
»Die müssen sie aber reingequetscht haben«, murmelte Desjani.
»Admiral!« Der Ruf kam vom Chefarzt. »Ich habe ausgewertet, was wir über die Gefangenen sagen können. Sie müssen unbedingt sofort medizinisch isoliert werden, bis wir Gelegenheit hatten, sie auf biologische oder künstliche Gefahren zu untersuchen.«
»Geben Sie den Schiffsärzten der betroffenen Schlachtkreuzer Bescheid«, erwiderte Geary. »Jeder von ihnen soll es seinem Captain sagen und sicherstellen, dass das auch geschieht.«