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„Meine Kundschafter können genauso gut – vielleicht sogar besser – wie die Orcs bei Nacht sehen“, führte sie aus. „Und selbst ihr Menschen habt das Mondlicht.“

„Nein“, wehrte Turalyon ab. „Wir sehen nicht alle so gut wie ihr Elfen, Alleria. Und wir sind erschöpft. Die Orcs hätten in der Nacht eindeutige Vorteile. Du hast sicher schon bemerkt, dass sie momentan nicht angreifen.“

Ihre Augen zogen sich zusammen. „Nein, sie erholen sich vielleicht gerade, damit sie morgen früh wieder frisch gegen uns in den Kampf ziehen können.“

Turalyon ließ ihre Worte einen Moment lang wirken. Nachdem sie erkannt hatte, dass sie gerade ein Argument für ihn vorgebracht hatte, blickte sie finster, blieb aber still.

„Turalyon hat recht“, sagte Khadgar. „Wir sind erschöpft. Völlig erledigt. Es geht hier nicht darum, so viele Orcs wie möglich zu töten und uns mit Hurra ins Gefecht zu stürzen. Wir müssen dafür sorgen, dass möglichst viele Soldaten auf die andere Seite gelangen. Schließlich haben wir eine wichtigere Aufgabe zu erfüllen, als die Handvoll Orcs aufzuhalten, die dort lagert.“

Turalyon vermutete, dass der Kommentar nicht speziell an Alleria gerichtet war, aber er traf sie voll. Zuerst wurde sie rot, dann kreidebleich, und schließlich verließ sie den Raum. Turalyon wollte ihr automatisch folgen, aber Khadgar hielt ihn am Arm fest.

„Lass sie gehen“, sagte er leise. „Wenn du jetzt mit ihr redest, wird alles nur schlimmer. Sie ist genauso erschöpft wie wir alle und denkt nicht mehr klar, um es vorsichtig auszudrücken. Lass sie zu dir kommen.“

Lass sie zu dir kommen. Turalyon fragte sich nicht zum ersten Mal, wie viel der alt wirkende Magier wusste und ob der Satz kalkuliert oder nur so dahingesagt war.

„Verana, einen Moment bitte“, sagte Alleria, als sie und ihre Stellvertreterin den Versammlungssaal in Richtung der ihnen zugewiesenen Quartiere verließen. Sie bedeutete der Elfe, ihr zu folgen.

Wortlos gehorchte Verana. Es hatte immer außer Frage gestanden, dass Alleria zu denen gehörte, die im Morgengrauen durch das Portal gehen würden. Verana und ein paar andere würden zurückbleiben, um den Söhnen Lothars zu helfen, falls irgendetwas schiefging. Verana wandte sich ihrer Befehlshaberin fragend zu.

„Ich habe einen besonderen Auftrag für dich. Einer, der jenseits deiner militärischen Pflichterfüllung liegt“, begann Alleria. „Es ist nicht abwegig zu glauben, dass ich vielleicht nicht zurückkomme. Vielleicht keiner von uns. Wir wissen nicht, was uns auf der anderen Seite erwartet.“

Verana schaute besorgt. Sie waren seit Jahrzehnten Freunde. Aber sie nickte. „Selbstverständlich.“

„Wenn ich nicht zurückkommen sollte... nicht heimkehren... überbringe meiner Familie bitte eine Nachricht. Sag ihnen, dass ich den Kampf in die Welt der Orcs getragen habe, um Quel’Thalas zu rächen und unser Volk vor künftigen Angriffen zu schützen.“

Sie dachte an Turalyons leidenschaftliche, unerbittliche Worte: dass sie die Horde nicht über andere unschuldige Völker kommen lassen konnten. Plötzlich steckte ihr ein Kloß im Hals.

„Sag ihnen“, fuhr sie mit rauer Stimme fort, „sag ihnen, dass ich auch die anderen Welten retten will. Ich bete darum, dass diese Orte niemals die Qualen erleiden müssen, die uns beschieden sind. Sag ihnen, dass ich das aus freien Stücken tue und dass, egal, was mir auch passiert... mein Herz bei ihnen ist.“

Sie suchte in einem Beutel und holte drei feingliedrige Ketten heraus. An jeder hing ein leuchtender, wunderschöner Edelstein: ein Smaragd, ein Rubin und ein Saphir. Verana holte tief Luft und erkannte die Steine.

„Ja. Sie stammen von der Kette, die meine Eltern mir gaben“, bestätigte Alleria. „Ich ließ die Kette in Sturmwind einschmelzen und drei daraus fertigen. Ich behalte diese hier.“ Sie nahm den Smaragd und hängte ihn sich um den Hals. „Die anderen beiden sollen Vereesa und Sylvanas bekommen, wenn ich...“ Sie biss sich auf die Unterlippe. „Bitte. Nimm sie mit nach Hause, wenn du kannst. Gib sie meinen Schwestern. Sag ihnen, so sind wir, was immer auch geschehen mag, ewig vereint.“

Veranas Augen wurden feucht. Tränen liefen ihr über die Wangen. Alleria beneidete sie um ihre Fähigkeit zu weinen.

Die Waldläuferin las die Gravuren, die Alleria auswendig kannte: Für Sylvanas. In ewiger Liebe, Alleria. Für Vereesa. In Liebe, Alleria.

„Du wirst zurückkommen und sie deinen Schwestern selbst übergeben. Aber solange werde ich sie für dich aufbewahren. Das gelobe ich.“

Verana drückte sie sanft, und Alleria versteifte sich. Sie hatte niemandem mehr erlaubt, sie zu berühren, seit...

Alleria legte die Arme um ihre Freundin und drückte sie auch eine lange Zeit, dann entließ sie sie. Verana salutierte, wischte sich das Gesicht ab und eilte zu ihren Unterkünften.

Alleria wartete und beruhigte sich an der frischen Luft. Ein Ohr zuckte, als sie leise Schritte hörte. Schnell verschwand sie in den Schatten, runzelte die Stirn, als sie Turalyon erkannte. Er ging zur Mauer und lehnte sich dagegen. Seine breiten Schultern streckten sich im Mondlicht. Ihre scharfen Ohren hörten, wie er ihren Namen flüsterte, ihre scharfen Augen bemerkten das Glitzern von Tränen.

Sie wandte sich ab und verschwand, bewegte sich lautlos zurück. Das Gespräch mit Verana hatte sie stark mitgenommen. Jetzt mit Turalyon zu sprechen, hätte all das gefährden können, was sie während der letzten zwei Jahre so mühsam aufgebaut hatte.

Das würde sie nicht riskieren.

Der General der Allianzstreitkräfte stand allein im Mondlicht. Entgegen seinem Rat an die Soldaten, war er selbst nicht in der Lage zu schlafen. Khadgars Worte und Allerias Äußerungen gingen ihm nicht aus dem Kopf. Und er erinnerte sich, so wie unzählige Male zuvor, an das Ereignis, das in der Nacht vor zwei Jahren alles verändert hatte.

Er vernahm das leise Flüstern kaum durch das Prasseln des Regens auf dem Zeltdach. Zuerst hatte Turalyon deshalb an einen Traum geglaubt, als er Alleria flüstern hörte: „Turalyon?“

Er hob den Kopf, und im gedämpften, orangefarbenen Schein der Kohlepfanne sah er sie im Zelt stehen. „Alleria! Beim Licht, du bist ja völlig durchnässt!“

Turalyon stand von seinem Feldbett auf, nur in leinene Reiterhosen gekleidet, und trat auf sie zu. Zitternd sah die Elfe zu ihm auf, ihre Augen weit geöffnet, ihr herrliches goldenes Haar klebte am Kopf. Tausend Fragen lagen Turalyon auf der Zunge. Wann war sie zurückgekommen? Was war passiert? Und am Wichtigsten: Warum war sie hier, in seinem Zelt, zu dieser Stunde?

Das alles musste warten. Sie war nass bis auf die Knochen und unterkühlt. Als er ihren Umhang nahm, spürte er, dass der so schwer war, als wäre er in einen See gefallen und hätte sich mit Wasser vollgesogen. „Hier“, sagte er und warf das schmutzige Ding beiseite. „Komm ans Feuer. Ich hole dir etwas Trockenes zum Anziehen.“

Sein sachlicher Tonfall schien sie zu ermutigen, und sie nickte, während er in seiner Kiste wühlte. Erfand ein Hemd, Hose, Wappenrock und Umhang. Sie versank darin, aber es war trockene Kleidung. Er bemerkte, dass Alleria sich nicht bewegt hatte. Etwas stimmte in der Tat nicht.

„Komm“, sagte er sanft, führte sie zu einer Kiste und setzte sie darauf. Für gewöhnlich war Alleria selbstsicher, fast schon hochmütig. Doch in diesem Moment wirkte sie wie ein verzweifeltes Kind. Turalyon biss sich auf die Zunge, um keine Fragen zu stellen. Er kniete sich hin und zog ihr die Stiefel aus. Das Wasser stand zentimetertief darin, und ihre Füße waren eiskalt. Er rieb sie schnell und bemerkte, wie zierlich und bleich sie waren. Als sie sich etwas erwärmten, stand er auf und half ihr auf die Beine.

„Hier sind ein paar trockene Sachen“, sagte er und brachte sie zurück zum Feuer. „Schlüpf da rein, und ich besorge dir was Heißes zum Trinken. Dann reden wir.“

Turalyon gab ihr die Kleidung, drehte sich um und errötete leicht. Er hörte ein leises Rascheln hinter sich und wartete darauf, dass sie sagte, sie sei fertig.