Er atmete scharf ein, als er ein paar kleine Hände spürte, die sich um seine Hüfte legten. Und eine schlanke Gestalt presste sich gegen seinen Rücken. Turalyon bewegte sich nicht. Dann nahm er ganz langsam ihre kalten Hände in seine, führte sie sanft nach oben und drückte sie an sein Herz. Es raste. Er zitterte, als ihre kühlen Lippen einen sanften Kuss auf seine Schulter hauchten, und er schloss die Augen.
Wie lange hatte er sich das gewünscht? Davon geträumt? Er hatte schon früh erkannt, dass er sich Hals über Kopf in Alleria verliebt hatte. Aber bis gerade eben hatte er nie damit gerechnet, dass diese Liebe erwidert werden könnte. Während der letzten Wochen schien es, dass sie seine Gesellschaft gesucht hatte. Sie hatte es arrangiert, dass sie sich oft berührten, allerdings immer in einer neckischen Art. Und jetzt...
„Mir ist k-kalt“, flüsterte sie, ihre Stimme klang belegt. „So kalt.“
Unfähig, es noch länger zu ertragen, wandte sich Turalyon in ihren Armen um, legte seine Hände um ihren nackten Hals und war erstaunt, wie sanft ihre bleiche Haut unter seinen vernarbten Händen war. Das schwache Licht des Feuers fing das Leuchten von drei Edelsteinen ein, die an einer Kette um ihren schwanengleichen Hals hingen, und ließ ihre Haut warm und golden erscheinen. Sein Blick verschwamm, als sie ihm ihr Gesicht zuwandte, und er hielt die Tränen aus einem so tiefen Gefühl zurück, dass es seine Seele erschütterte.
„Alleria“, flüsterte er in ihre langen, spitzen Ohren. Plötzlich nahm er sie fester in die Arme, hielt sie eng an sich gepresst. „Lass mich dich wärmen“, sagte er unbeholfen. „Lass mich alles von dir wegnehmen, was dir wehtun kann, was dich verängstigt. Ich kann es nicht ertragen, wenn du leidest.“
Er würde nicht mehr tun, nicht nach mehr verlangen. Er hatte Angst, dass sie sich jede Minute eines Besseren besinnen würde und ihm sagte, dass sie nur mit ihm gespielt hatte – und sich zurückzog, um mit ihm über Taktiken oder Strategien zu sprechen.
Turalyon würde es zulassen, wenn es das war, was sie wollte. Wenn sie das brauchte, damit das Licht und das Leben wieder in ihren Augen leuchteten. Um diese schreckliche Stille loszuwerden.
Sie entzog sich ihm nicht. Stattdessen berührte sie sein Gesicht.
„Turalyon“, flüsterte sie und dann in ihrer Heimatsprache: „Wendel’o eranu.“
Er behielt ihr Gesicht in seiner Hand, spürte die zarten Knochen ihrer Wangen. Er erkannte, dass sie trotz all ihres Könnens, der Energie und des Feuers, das sie in sich trug, doch verletzlich war. Sie hatte ihm nie zuvor ihre Zerbrechlichkeit gezeigt. Wasser lief ihre Wangen hinab, und ganz kurz glaubte er, dass sie weinen würde. Einen Moment später sah er aber, dass es nur Regentropfen aus ihrem nassen Haar waren.
Langsam, zögernd beugte er sich vor, um sie zu küssen. Sie reagierte sofort, leidenschaftlich, legte ihre Arme um seinen Hals. Turalyon fühlte sich benommen, als er sich zurückzog und sie flüsterte: „Kalt, so kalt...“
Er nahm sie in die Arme, erstaunt, wie leicht sie war, setzte sie auf das Feldbett und zog die Felle über sie beide.
Und dann wärmten sie einander.
Turalyon rieb sich die müden, angestrengten Augen. Er blinzelte weg, was er für Tränen der Erschöpfung hielt.
Nach dieser einen gemeinsamen Nacht war sie am nächsten Morgen fort gewesen. Er war aus seinem Zelt gekommen und erfuhr Neuigkeiten, die ihn bis ins Mark erschütterten. Alleria und ihre Waldläufer waren von der Erkundungsmission zurückgekehrt, hatte er im Morgengrauen erfahren. Seine Augen weiteten sich vor Mitgefühl und Schmerz, als er hörte, wie die Horde in Quel’Thalas gewütet hatte. Alleria selbst hatte nicht weniger als acht Verwandte verschiedenen Grades verloren. Vettern, Tanten, Onkel und Neffen.
Und unter den Toten war auch ihr jüngerer Bruder.
Er eilte zu ihr, aber als er seine Hand auf ihre Schulter legte, schob sie sie weg. Er versuchte mit ihr zu reden, aber die Worte ignorierte sie ebenso. Es war, als wären sie nie ein Paar... als wären sie niemals Freunde gewesen. Turalyon spürte, dass etwas in ihm zerbrach. Etwas, das er seitdem beiseitegeschoben hatte und über das er Narben wachsen ließ. Er war General, ein Anführer, und konnte nicht seinem persönlichen Schmerz nachgeben. Aber als er sie in Sturmwind wiedergesehen hatte, wieder bis auf die Knochen durchnässt, hatte er gedacht... gehofft...
Nun, er war ein Narr gewesen zu hoffen. Egal, was geschehen war, Turalyon wusste, dass er Alleria Windläufer immer lieben würde. Und die gemeinsame Nacht war das Schönste in seinem kurzen Leben gewesen.
„Sie kommen.“
Rexxars Stimme klang tief und ruhig. Grom sah, wie der Halb-Orc auf etwas deutete und nickte.
„Endlich“, sagte er und zog Blutschrei, während sich seine Augen in Vorfreude auf die Schlacht erhellten. Sie waren keine symbolische Streitmacht, die zurückgeblieben war, als der Rest der Klans Azeroth verlassen hatte. Die Allianz würde sich heute wahrhaft furchterregenden Gegnern gegenübersehen.
Seine leuchtenden roten Augen verengten sich, während er die Zahl der Feinde abschätzte, die sich über das Land verteilten. Sie waren auch in Scharen gekommen.
Wo war der Anführer, derjenige, der seine Männer zum Sterben zurückgelassen hatte, um die anderen zu warnen? Grom wollte ihn unbedingt töten.
Neben seinem Meister heulte Haratha in Vorfreude. Rexxar lachte seinem zahmen Wolf zu.
„Komm her, kleine Allianz“, murmelte Grom. „Blutschrei ist durstig.“
Turalyon zügelte sein Pferd, als sein Trupp den Hügel überschritt, der das kleine Tal um das Portal umgab. Wenn sich die Orcs tatsächlich zurückzogen, dann waren aber noch ziemlich viele hier.
Das würde keine leichte Schlacht am Portal werden. Sie mussten sich durch die bedrohlichen Reihen von grünhäutigen Wesen und großen, bleichen Monstern kämpfen.
Besonders zwei Krieger erregten seine Aufmerksamkeit. Bei einem war sich Turalyon nicht einmal sicher, ob er überhaupt ein Orc war. Er ähnelte einem, aber seine Haut war gelblichbraun, nicht grün, und er überragte die anderen. Sein Körperbau war auch irgendwie anders. Neben ihm stand ein schwarzer Wolf, von dem Turalyon vermutete, dass er so tödlich und zielstrebig war wie sein Herr. Ein machtvoller Kämpfer, zweifellos, aber nicht der Anführer.
Da! Der war es! Größer als die meisten, mit einer dichten, schwarzen Haarmähne, die zu einem Knoten gebunden war, einem schwarzen Mund, roten Augen und schwerem Armschutz, auf dem merkwürdige Symbole prangten. Tapfer taxierte er die überlegene Zahl von Allianzkriegern.
Ihre Blicke trafen sich. Während Turalyon ihn beobachtete, hob der Anführer der Orcs seine riesige Axt zum Gruß.
„Diesmal sind wir auf dich vorbereitet, du Bastard“, murmelte Danath. Seine Augen leuchteten, und er war bereit für die Schlacht. So wie jeder anwesende Soldat.
„Söhne Lothars! Zum Angriff!“, brüllte Turalyon. Seine Männer stießen einen Schrei aus und strömten von allen Seiten los. Die Schlacht hatte begonnen.
Es war ein einfacher Plan. So viele Orcs wie möglich zu töten, während sie auf das Portal zustürmten. Turalyon kämpfte wild, schwang seinen Hammer nach links und rechts, drosch auf wütende Feinde ein, die seinen Weg blockierten. Alleria kämpfte nah bei ihm, offensichtlich mit grimmiger Freude am Gefecht, wie immer. Sein sechster Sinn meldete sich, und er sah gerade rechtzeitig auf, um zu erkennen, wie die elfische Waldläuferin ihr Schwert in einen unglücklichen Orc schlug, während ein anderer hinter ihr auftauchte und seinen tückisch aussehenden Knüppel hob.
Sie schien die Gefahr nicht zu bemerken, ihr Gesicht war von einer barschen Freude verzerrt, als sie ihr Schwert aus dem grünen Leichnam zog. Sie war nur darauf konzentriert, zu sehr auf Rache versessen...
„Alleria!“, schrie Turalyon, schlug auf sein Kriegsross ein und galoppierte zu ihr. Wie in Zeitlupe hob Alleria ihren Kopf, ihre Augen weiteten sich, ihr Arm kam hoch, um mit dem blutigen Schwert den Schlag abzublocken. Aber sie war zu langsam, und Turalyon würde niemals rechtzeitig da...