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Siehst du? Jetzt arbeitest du mit den Drachen zusammen, wenn auch unwissentlich. Du koalierst mit dem Schatten des Todes, Ner’zhul. Freust du dich denn nicht?

Ner’zhul wollte sich die Hände auf die Ohren pressen, aber er wusste, dass das nichts nützen würde. Er atmete tief durch und zwang sich, ruhig zu bleiben.

„Ich danke dir für die Hilfe, Todesschwinge. Wir sind dankbar.“

„Lord Todesschwinge.“

„Natürlich... Lord Todesschwinge.“ Der menschlich wirkende Drache blieb stehen und ignorierte die subtile Aufforderung zu gehen. „Können wir dir noch bei etwas anderem helfen?“, fragte Ner’zhul. Er wollte, dass diese Kreatur verschwand.

Der Drachenmann überlegte, spitzte seine Lippen, während die langen Finger durch den Bart fuhren.

Ner’zhul hatte den Eindruck, dass das Nachdenken nur vorgetäuscht war.

„Das ist ein sehr großzügiges Angebot, werter Ner’zhul“, antwortete Todesschwinge und schaffte es dabei, die Worte sarkastisch klingen zu lassen. „Und ich müsste lügen, wenn ich behaupten würde, dass der Schädel dort drüben mich nicht sehr fasziniert.“ Die Worte klangen höflich, diplomatisch, aber sie troffen vor kaum verhohlener Macht, und in den Augen des Drachen loderte für einen Augenblick ein Feuer, das heller als die Fackeln brannte.

Ner’zhul schluckte. Konnte Todesschwinge Gul’dans Stimme auch hören?

Todesschwinge lachte leise und streckte seine manikürte Hand aus. Ein Ring glitzerte im Licht. „Komm schon, werter Ner’zhul. Wenn ich es recht verstehe, reicht die Macht in dem Tand, den ich mit Blutschatten besorgt habe, völlig aus, um deine Ziele zu erreichen. Der Schädel ist überflüssig. Und ich will ihn.“

Ner’zhul kämpfte gegen die aufsteigende Panik an. Obwohl Todessschwinge recht hatte, wollte er den Schädel nicht hergeben. Gul’dan war immerhin sein Schüler gewesen, und wenn in dem gelben Relikt noch Wissen verborgen war, hatte sicherlich keiner ein größeres Recht darauf als er.

„Ich werde langsam ungeduldig“, sagte die seidig weiche Stimme des Drachen, der nach dem Tod benannt war. „Ich glaube nicht, dass du meine Geduld strapazieren willst, Ner’zhul, oder?“

Ner’zhul schüttelte den Kopf und sagte: „Bitte, nimm den Schädel, wenn du magst. Er ist unbedeutend.“

Das war natürlich eine Lüge, und sowohl er als auch der Drachenlord wussten es.

Todesschwinge lächelte, zeigte seine scharfen Zähne und ging zu dem Schädel. Seine Augen weiteten sich, als er ihn berührte, und eine Sekunde lang sah Ner’zhul Dornen, Schuppen und Metallplatten, wo einst Fleisch gewesen war – und glühende rote Augen in einem langen, dreieckigen Schädel.

„Ich muss sagen, ich bin sehr zufrieden mit unserer... Partnerschaft. Sie scheint uns beiden zu nützen.“ Die Stimme war warm, fast schadenfroh. „Wisse dies, wenn du uns brauchst, musst du nur rufen. Ich verlasse euch jetzt. Mehrere meiner Kinder bleiben hier und befolgen all deine Befehle, als wären es meine.“ Er nickte Ner’zhul und Blutschatten zu, dann wandte er sich um und verließ den Raum. Den Schädel trug er in einer Hand, umwickelt mit einem Teil seines Umhangs.

Der Orc-Schamane und der Todesritter sahen zu, wie er ging. „Ich wünschte, er hätte den Schädel nicht mitgenommen“, sagte Blutschatten, nachdem sie sicher waren, dass der Drache fort war. „Aber wir brauchen ihn wirklich nicht, und er ist ein geringer Preis für Todesschwinges Hilfe beim Erlangen der Artefakte.“

Ner’zhul atmete tief durch, als wäre die Luft im Raum mittlerweile wieder besser. „Weißt du, wofür er den Schädel braucht?“, fragte er Blutschatten.

„Nein“, gestand der Todesritter widerwillig ein. Ihre Blicke kreuzten sich. In Blutschattens leuchtend roten Augen erkannte Ner’zhul etwas, das ihn genauso bestürzte wie die Anwesenheit des Drachen: Besorgnis.

„Die Zeit wird knapp. Lass uns die Vorbereitungen so schnell wie möglich treffen.“

Sie mussten diese tote Welt verlassen, bevor es zu spät war.

16

Khadgar stellte fest, dass er den Nachthimmel dieser Welt gern beobachtete.

Denn er war nicht rot.

Er seufzte, richtete sein Teleskop aus und fokussierte es auf einen besonders hellen Stern. Er war ein kleines Stückchen näher an der Konstellation, die er Turalyons Hammer genannt hatte. Wenn sie jetzt nur noch...

„Wie lange noch?“

Khadgar erschrak, rutschte aus und hielt sich am Dachgeländer fest. „Verdammt, Alleria. Schleich dich nicht so an mich ran!“

Die schöne Waldläuferin, die ihn vom Fenster aus beobachtete, zuckte nur die Schultern. „Ich bin schuldlos. Und du bist so in dein Teleskop vertieft, du würdest nicht einmal merken, wenn ein Oger hier durchläuft. Also, wie lange noch?“

Der Magier seufzte und rieb sich die Augen. Der Turm, auf dem er sich derzeit befand, war Teil eines Vorpostens, den sie Ehrenfeste getauft hatten. Sie hatten Monate gebraucht, um die Grundmauern zu errichten, und weitere Monate, um die Mauern und eines von zwei geplanten Gebäuden fertigzustellen. Während dieser Zeit hatte es wiederholt Angriffe der Orcs gegeben; glücklicherweise meist nur kurze Gefechte, kleinere Scharmützel.

Dass die Horde da draußen war, war sicher. Dass sie sich aus unerfindlichem Anlass weitestgehend zurückhielt, auch.

Es galt herauszufinden, warum sie sich so verhielt, und das war einer der Gründe, warum Khadgar jede Nacht hier draußen stand und die Sterne beobachtete.

Die letzten Monate waren nicht leicht gewesen.

Seit sie auf Draenor eingetroffen waren und einen ersten Sieg über die Orcs auf deren Heimatwelt erringen konnten, hatte die Allianz das Portal gehalten. Zumindest auf dieser Seite. Kurz nachdem ihr Trupp das Dunkle Portal durchschritten hatte, waren weitere Soldaten und Nachschub eingetroffen. Für sie ein Grund zum Jubeln.

„Eine Gabe von den Königen der Allianz“, wurde ihnen gesagt. Besonders willkommen waren die Fässer mit Bier gewesen. Diesen kleinen Luxus hatten sie Magni Bronzebart zu verdanken.

Aber es war nicht so geblieben. Als die zweite Lieferung am vereinbarten Tag nicht eingetroffen war, wurden ein paar Kundschafter ausgeschickt. Die Späher berichteten, dass die Orcs derzeit die Azeroth-Seite des Portals beherrschten. Und so kam es, dass der Nachschub, der das Leben erträglich machte, nur sehr sporadisch durchkam.

Neue Soldaten erreichten ebenfalls eher selten ihr Ziel. Turalyon war optimistisch davon ausgegangen, binnen eines Monats einen Angriff starten zu können. Doch da der Besitz des Portals so oft wechselte, kamen die versprochenen Truppen einfach nicht rechtzeitig an.

Die Orcs saßen in einer düsteren Burg im Westen der Ehrenieste. Sie war groß, hässlich und gut befestigt. Jeder Angriff darauf wollte gut vorbereitet sein.

„Bald“, sagte Khadgar zu Alleria. „Es wird bald losgehen.“

Zuerst war alles ein großes Rätsel gewesen. Kurz nach ihrer Ankunft und dem Bau der Ehrenfeste hatten die Orcs mit ihren Angriffen begonnen. Das war wenig überraschend. Überraschender war, dass sie das auch weiterhin taten. Nicht jeden Tag, und es waren nie viele Krieger daran beteiligt. Doch es waren stets genug. Ebenfalls merkwürdig war, dass den Orcs das Portal egal zu sein schien.

„Man kann der Horde so einiges vorwerfen, aber sie ist nie dumm vorgegangen“, meinte Turalyon eines Abends, als er mit Danath, Alleria, Kurdran und Khadgar sprach. „Warum werfen sie sich uns immer wieder entgegen? Es sind zu wenige, um unsere Festung einzunehmen. Und sie sind nicht hinter dem Portal her.“

„Ich glaube nicht, dass wir zu spät dran sind, um Ner’zhul daran zu hindern, Portale in andere Welten zu öffnen“, überlegte Khadgar. „Aber ich habe keine Ahnung, warum er es noch nicht gemacht hat. Er hat die Artefakte, die er braucht. Zumindest dachten wir das. Aber offenbar benötigt er doch noch etwas anderes.“ Khadgar lehnte sich in dem simplen Holzstuhl zurück und strich sich gedankenverloren durch den langen, weißen Bart.