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»Ja«, sagte sie, ihre Erregung mit aller Gewalt beherrschend.

»Augenblick, bitte.«

Noelle wartete, wie es ihr schien, eine Ewigkeit, und dann kam die Stimme wieder und sagte: »Leutnant Douglas ist auf Wochenend-Urlaub. In dringenden Fällen ist er im Hotel Savoy, London, Ballsaal, General Davis' Party, zu erreichen.« Und die Verbindung brach ab.

Als das Stubenmädchen am nächsten Morgen hereinkam, um das Zimmer in Ordnung zu bringen, fand sie Noelle auf dem Boden, halb bewusstlos, vor. Das Mädchen starrte sie einen Augenblick an, überlegte sich, ob sie sich um ihre eigenen Dinge kümmern und wieder hinausgehen sollte. Warum passierten solche Sachen immer in ihren Zimmern? Sie ging hinüber und berührte Noelles Stirn. Sie war glühend heiß. Brummend watschelte das Mädchen in die Halle hinunter und bat den Portier, den Manager hinauf zuschicken. Eine Stunde später hielt ein Krankenwagen vor dem Hotel, und zwei junge Assistenzärzte mit einer Bahre wurden zu Noelles Zimmer gewiesen. Noelle war bewusstlos. Der junge leitende Assistenzarzt hob eines ihrer Augenlider, setzte ihr ein Stethoskop auf die Brust und horchte ihre rasselnden Atemzüge ab. »Lungenentzündung«, sagte er zu seinem Kollegen. »Raus mit ihr.«

Sie hoben Noelle auf die Bahre, und fünf Minuten später raste der Krankenwagen zum Hospital. Sie wurde unter ein Sauerstoffzelt gelegt, und es dauerte vier Tage, bis sie wieder völlig bei Bewusstsein war. Sie zog sich widerwillig aus den trüben grünen Tiefen der Vergessenheit empor, im Unterbewusstsein wissend, dass etwas Furchtbares geschehen war, und gegen die Erinnerung daran ankämpfend. Als das Furchtbare immer näher an die Oberfläche ihres Bewusstseins drang und sie sich mit allen Kräften dagegen wehrte, wurde es ihr plötzlich ganz klar. Larry Douglas. Noelle weinte, wurde von Schluchzern geschüttelt, bis sie schließlich in einen Halbschlaf sank. Sie fühlte, wie eine Hand sanft die ihre hielt, und wusste, dass Larry zu ihr zurückgekommen war und dass alles gut war. Noelle schlug die Augen auf und starrte einen Fremden in einem weißen Kittel an, der ihr den Puls fühlte. »Nun! Willkommen!« verkündete er fröhlich.

»Wo bin ich?« fragte Noelle.

»Im städtischen Zentralkrankenhaus.«

»Was tu ich hier?«

»Gesund werden. Sie hatten doppelseitige Lungenentzündung. Ich heiße Israel Katz.« Er war jung, hatte ein markantes, intelligentes Gesicht und tief liegende braune Augen.

»Sind Sie mein Arzt?«

»Assistenzarzt«, sagte er. »Ich habe Sie eingeliefert.« Er lächelte sie an. »Ich bin froh, dass Sie durchgekommen sind. Wir waren nicht sicher.«

»Wie lange bin ich schon hier?«

»Vier Tage.«

»Würden Sie mir einen Gefallen tun?« fragte sie schwach.

»Gern, wenn ich kann.«

»Rufen Sie das Hotel Lafayette an. Fragen Sie« – sie zögerte – »fragen Sie, ob eine Mitteilung für mich hinterlassen wurde.«

»Nun, ich habe schrecklich viel zu tun«

Noelle drückte heftig seine Hand. »Bitte. Es ist wichtig. Mein Verlobter versucht, sich mit mir in Verbindung zu setzen.«

Er grinste. »Kann ich ihm nachfühlen. Gut. Ich werde mich darum kümmern«, versprach er. »Und jetzt schlafen Sie ein bisschen.«

»Nicht, bis ich von Ihnen höre«, sagte sie.

Er ging hinaus, und Noelle lag wartend da. Natürlich hatte Larry versucht, sie zu erreichen. Es war einfach ein furchtbares Missverständnis gewesen. Er würde ihr alles erklären, und alles würde wieder gut sein.

Erst nach zwei Stunden kam Israel Katz zurück. Er trat an ihr Bett und stellte ein Köfferchen auf den Boden. »Ich habe Ihre Kleider mitgebracht. Ich bin selbst ins Hotel gegangen«, sagte er.

Sie blickte zu ihm auf, und er sah, wie ihr Gesicht sich spannte.

»Es tut mir leid«, sagte er verlegen. »Keine Mitteilung.«

Noelle starrte ihn lange an, drehte ihr Gesicht dann zur Wand, trockenen Auges.

Zwei Tage später wurde Noelle aus dem Krankenhaus entlassen. Israel Katz kam, um sich von ihr zu verabschieden. »Haben Sie eine Adresse, wo Sie hingehen können?« fragte er. »Oder eine Stelle?«

Sie schüttelte den Kopf.

»Was haben Sie für einen Beruf?«

»Ich bin Mannequin.«

»Da könnte ich Ihnen vielleicht helfen.«

Sie erinnerte sich an den Taxifahrer und Madame Delys. »Ich brauche keine Hilfe«, sagte sie.

Israel Katz schrieb einen Namen auf ein Stück Papier. »Wenn Sie sich's anders überlegen sollten, gehen Sie dahin. Es ist ein kleines Modehaus, gehört einer Tante von mir. Ich werde ihr Bescheid sagen. Haben Sie Geld?«

Sie antwortete nicht.

»Da.« Er zog ein paar Francs aus der Tasche und gab sie ihr. »Tut mir leid, dass ich nicht mehr habe. Assistenzärzte verdienen nicht sehr viel.«

»Danke«, sage Noelle.

Sie saß in einem kleinen Straßencafe, nippte an einem Kaffee und überlegte sich, wie sie die Stücke ihres Lebens wieder zusammensetzen konnte. Sie wusste, dass sie überleben musste, denn jetzt hatte sie einen Grund zu leben. Sie war erfüllt von einem tiefen, brennenden Hass, der sie derart verzehrte, dass für nichts anderes mehr Raum blieb. Sie war ein rächender Phönix, der aus der Asche der Leidenschaft, die Larry Douglas in ihr gemordet hatte, emporstieg. Sie würde nicht ruhen, bis sie ihn vernichtet hatte. Sie wusste nicht, wie oder wann, aber sie wusste, dass sie es eines Tages zuwege bringen würde.

Jetzt brauchte sie eine Stelle und ein Dach überm Kopf. Noelle öffnete ihre Handtasche und nahm den Zettel heraus, den der junge Assistenzarzt ihr gegeben hatte. Sie betrachtete ihn einen Augenblick und entschloss sich dann. An jenem Nachmittag suchte sie Israel Katz' Tante auf und bekam eine Anstellung als Vorführdame in einem kleinen zweitklassigen Modehaus in der Rue Boursault.

Israel Katz' Tante stellte sich als grauhaarige Frau mittleren Alters mit einem raubgierigen Gesicht und der Seele eines Engels heraus. Sie bemutterte alle ihre Mädchen, und die beteten sie an. Ihr Name war Madame Rose. Sie gab Noelle gleich einen Vorschuss auf ihr Gehalt und besorgte ihr eine

winzige Wohnung in der Nähe des Salons. Das erste, was Noelle beim Auspacken tat, war, ihr Hochzeitskleid aufzuhängen. Sie hängte es an den Wandschrank, so dass es das erste war, was sie beim Aufwachen sah, und das letzte, wenn sie sich abends auszog.

Noelle wusste, dass sie schwanger war, ehe es sichtbare Anzeichen dafür gab, ehe Tests gemacht worden waren, ehe ihre Periode ausblieb. Sie fühlte das neue Leben, das sich in ihrem Schoß bildete, und nachts im Bett starrte sie zur Decke empor und dachte darüber nach, und ihre Augen glühten vor wilder animalischer Freude.

An ihrem ersten freien Tag rief Noelle Israel Katz an und verabredete sich mit ihm zum Mittagessen.

»Ich bin schwanger«, sagte sie zu ihm.

»Woher wissen Sie das? Sind Tests gemacht worden?«

»Ich brauche keine Tests.«

Er schüttelte den Kopf. »Noelle, viele Frauen glauben, sie kriegen ein Kind, und kriegen keins. Wie oft ist Ihre Periode ausgeblieben?«

Sie schob die Frage ungeduldig beiseite. »Ich brauche Ihre Hilfe.«

Er starrte sie an. »Um das Kind abzutreiben? Haben Sie es mit dem Vater besprochen?«

»Der ist nicht hier.«

»Sie wissen, dass Abtreibungen verboten sind. Ich könnte in schreckliche Schwierigkeiten geraten.«

Noelle sah ihn einen Augenblick prüfend an. »Was ist Ihr Preis?«

Sein Gesicht spannte sich ärgerlich. »Glauben Sie, alles hat seinen Preis, Noelle?«

»Natürlich«, sagte sie einfach. »Alles kann gekauft und verkauft werden.«

»Einschließlich Ihrer Person?«