Ein Ausdruck der Ungeduld trat auf Rons Gesicht.
»Wenn was nicht in Ordnung ist.« sagte er.
»Nein, nein«, unterbrach Catherine schnell. »Ich komme schon.« Sie stieg aus dem Wagen, und sie gingen auf einen der Bungalows zu. »Hoffentlich hast du meine Glückszahl«, sagte sie fröhlich.
»Was sagtest du?«
Catherine sah zu ihm auf und merkte plötzlich, dass kein Wort herausgekommen war. Ihr Mund war vollkommen trocken. »Nichts«, krächzte sie.
Sie erreichten die Tür, und sie trug die Nummer 13. Das genau hatte sie verdient. Es war ein Zeichen des Himmels, dass sie schwanger werden und Gott die heilige Katharina bestrafen würde.
Ron schloss auf und hielt ihr die Tür auf. Er knipste das Licht an, und Catherine trat hinein. Es war nicht zu glauben. Das Zimmer schien nur aus einem riesigen Doppelbett zu bestehen. Die einzigen anderen Möbelstücke waren ein unbequem aussehender Sessel in einer Ecke, ein kleiner Toilettentisch mit Spiegel und neben dem Bett ein beschädigtes Radio mit einem Schlitz für 25-Cent-Stücke. Niemand, der hier hereinkam, würde dieses Zimmer je für etwas anderes halten, als es war: ein Absteigequartier, wo ein Junge ein Mädchen hinbrachte, um es aufs Kreuz zu legen. Man könnte nicht sagen: Nun, hier sind wir also in einer Ski-Hütte – oder im Spielzimmer – oder im Hochzeitsgemach des Ambassador. Nein, das war klipp und klar ein billiges Liebesnest. Catherirc drehte sich nach Ron um. Der schob den Türriegel vor. Gut. Wenn die Sittenpolizei sie verhaften wollte, müsste sie zuerst die Tür aufbrechen. Sie stellte sich vor, wie sie splitternackt von zwei Polypen hinausgetragen würde, während ein Fotograf sie für die Titelseite der Chicago Daily News knipste.
Ron ging zu Catherine hinüber und legte die Arme um sie. »Bist du nervös?« fragte er.
Sie sah zu ihm auf und zwang sich zu einem Lachen, das Margaret Sullavan Ehre gemacht hätte. »Nervös? Ron, sei nicht blöd.«
Er betrachtete sie immer noch unsicher. »Du hast das schon mal gemacht, nicht, Cathy?«
»Ich führe nicht Buch.«
»Ich habe den ganzen Abend ein merkwürdiges Gefühl über dich gehabt.«
Jetzt kommt's. Er würde sie auf ihren Jungfernhintern hinausschmeißen und ihr sagen, sie solle zum Teufel gehen. Nun, das würde sie zu verhindern wissen. Heute Nacht.
»Was für ein Gefühl?«
»Ich weiß nicht.« Rons Stimme klang verwirrt. »In der einen Minute bist du sexy und ganz dabei, und in der nächsten sind deine Gedanken woanders, und du bist eiskalt. Als ob du zwei Menschen wärst. Welches ist nun die echte Catherine Alexander?«
Eiskalt, sagte sie mechanisch in sich hinein. Laut sagte sie: »Ich werde es dir zeigen.« Sie legte die Arme um ihn und küsste ihn auf die Lippen, und sie schmeckte chinesische Frühlingsrolle.
Er küsste sie noch fester und zog sie dicht an sich, strich ihr mit den Händen über die Brüste, liebkoste sie, schob ihr seine Zunge in den Mund. Catherine hatte ein fürchterliches Gefühl tief unten, und sie merkte, dass ihr Schlüpfer feucht wurde. Also, dachte sie, es wird wirklich passieren! Es wird wirklich passieren! Sie presste sich fester an ihn, von einer wachsenden, fast unerträglichen Erregung erfüllt.
»Ziehen wir uns aus«, sagte Ron heiser. Er trat zurück und begann, sein Jackett auszuziehen.
»Nein«, sagte sie, »lass mich's machen.« In ihrer Stimme lag ein neues Selbstvertrauen. Wenn das die Nacht aller Nächte war, würde sie ihre Sache gut machen. Sie würde sich an alles erinnern, was sie je gelesen oder gehört hatte. Ron sollte nicht in die Uni zurückgehen und den Mädchen kichernd erzählen, wie er mit einer dummen kleinen Jungfer im Bett herumgemurkst habe. Catherine mochte Jean-Annes Oberweite nicht haben, aber sie hatte ein zehnmal nützlicheres Hirn, und sie würde es einsetzen, um Ron im Bett so glücklich zu machen, dass er es gar nicht aushielte. Sie zog ihm sein Jackett aus, legte es aufs Bett und fasste dann nach seiner Krawatte.
»Halt«, sagte Ron. »Ich möchte zusehen, wie du dich ausziehst.«
Catherine blickte ihn an, schluckte, griff langsam nach ihrem Reißverschluss und stieg aus dem Kleid. Sie stand im BH, im Unterkleid, in Höschen, Schuhen und Strümpfen da.
»Weiter.«
Sie zögerte einen Augenblick, bückte sich und stieg aus ihrem Unterkleid.
»He, großartig! Weiter, weiter.«
Catherine setzte sich langsam aufs Bett und zog sorgfältig Schuhe und Strümpfe aus, versuchte dabei, es so sexy wie möglich zu machen. Plötzlich spürte sie Ron hinter sich, der ihr den BH öffnete. Sie ließ ihn aufs Bett fallen. Er stellte Catherine auf die Beine und begann, ihr die Höschen herunterzustrei-fen. Sie holte tief Atem, schloss die Augen und wünschte, woanders mit einem anderen Mann zu sein, einem Menschen, der sie liebte, den sie liebte, der schöne Kinder, die seinen Namen trügen, zeugen würde, der für sie kämpfen und für sie töten würde und dem sie eine liebende Gefährtin wäre. Eine Hure in seinem Bett, eine großartige Köchin in seiner Küche, eine charmante Gastgeberin in seinem Salon ... mit einem Mann, der einen Hundesohn wie Ron Peterson dafür umbringen würde, dass er es wagte, sie in dieses schäbige, entwürdigende Zimmer zu bringen. Ihr Höschen fiel zu Boden. Catherine schlug die Augen auf.
Ron starrte sie bewundernd an. »Mein Gott, Cathy, bist du schön«, sagte er. »Du bist wirklich schön.« Er beugte sich hinunter und küsste ihre Brust. Sie erhaschte einen Blick im Spiegel über dem Toilettentisch. Es war wie eine französische Posse, schäbig und schmutzig. Alles in ihr außer dem heißen Schmerz in ihrer Leiste sagte ihr, dass es traurig, hässlich und falsch war, aber jetzt gab es kein Zurück mehr. Ron riss mit hochrotem Gesicht die Krawatte herunter und knöpfte das Hemd auf. Er schnallte sich den Gürtel auf und zog sich bis auf die Shorts aus, setzte sich dann aufs Bett und zog Schuhe und Strümpfe aus. »Wirklich, Catherine«, sagte er mit erregter Stimme, »du bist das verdammt schönste Ding, das ich je zu Gesicht bekommen habe.«
Seine Worte vergrößerten nur Catherines panischen Schrecken. Ron stand auf, ein breites, vorwegnehmendes Grinsen auf dem Gesicht, und ließ seine Shorts auf den Boden fallen. Sein männliches Organ stand steif vor, wie eine riesige aufgeblühte Salami mit Haar darum. Es war das Größte, Unglaublichste, was Catherine je in ihrem Leben gesehen hatte.
»Wie gefällt dir das?« fragte er, stolz darauf hinunterblickend. Ohne zu denken, platzte Catherine heraus: »In Scheiben auf Roggenbrot. Mit Mostrich und Kopfsalat.«
Und sie sah, wie er klein und hässlich wurde.
In Catherines zweitem Studienjahr veränderte sich die Atmosphäre des Campus.
Zum ersten Mal wuchs die Unruhe über die Ereignisse in Europa, und zunehmend verbreitete sich das Gefühl, dass Amerika darin verwickelt werden würde. Hitlers Traum von der tausendjährigen Herrschaft des Dritten Reiches war auf dem Wege der Verwirklichung. Die Nazis hatten Dänemark besetzt und überfielen Norwegen.
In den letzten sechs Monaten hatten sich die Unterhaltungsthemen von Sex und Mode und Studentenbällen auf das ROTC, die Einberufung und das Leih-Pacht-Gesetz verlagert. Immer mehr College-Jungen erschienen in Armee- und Marineuniformen.
Eines Tages hielt Susie Roberts, eine ehemalige Schulkameradin, Catherine auf dem Gang an. »Ich möchte mich verabschieden, Cathy. Ich fahre weg.«
»Wohin?«
»Zum Klondike2.«
»Klondike?«
»Washington, D. C. Für alle Mädchen ist das eine Goldgrube. Es heißt, auf jedes Mädchen kämen mindestens hundert Männer. Gute Gewinnchancen.« Sie sah Catherine an. »Wozu willst du eigentlich hier noch versauern? Die Schule ist langweilig. Dort wartet die ganze große Welt auf einen.«
»Ich kann im Augenblick nicht weg«, sagte Catherine. An sich wusste sie nicht, warum: Sie hatte keine wirklichen Bindungen in Chicago. Sie stand in regelmäßigem Briefwechsel mit ihrem Vater und rief ihn ein- oder zweimal im Monat an, und jedes Mal klang es, als wäre er im Gefängnis.