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»Was kann ich für Sie tun?« fragte er Noelle.

»Ich möchte Auskunft über jemanden in England.«

Er blinzelte misstrauisch. »Was für eine Auskunft?«

»Alles. Ob er verheiratet ist, mit wem er verkehrt. Alles. Ich möchte ein Sammelalbum über ihn anlegen.«

Barbet kratzte sich in der Leistengegend und starrte sie an.

»Ist er Engländer?«

»Amerikaner. Er ist Pilot in der Adler-Staffel in der RAF.«

Barbet rieb sich unbehaglich den kahlen Schädel. »Ich weiß nicht«, brummte er. »Wir haben Krieg. Wenn ich bei dem Versuch erwischt würde, Auskünfte über einen Flieger aus England zu bekommen«

Seine Stimme verlor sich, und er zuckte ausdrucksvoll die Schultern. »Die Deutschen schießen zuerst und fragen danach.«

»Ich will keine militärischen Auskünfte«, versicherte Noelle ihm. Sie öffnete ihre Handtasche und zog ein Bündel Francnoten heraus. Barbet musterte sie gierig.

»Ich habe Verbindungen in England«, sagte er vorsichtig, »aber es wird teuer sein.«

Und so fing es an. Es vergingen drei Monate, ehe der kleine Detektiv Noelle anrief. Sie ging in sein Büro, und ihre ersten Worte waren: »Lebt er?«, und als Barbet nickte, sank sie erleichtert zusammen, und Barbet dachte: Es muss wunderbar sein, so von jemandem geliebt zu werden.

»Ihr Freund ist verlegt worden«, sagte Barbet.

»Wohin?«

Er blickte auf den Notizblock auf seinem Schreibtisch. »Er war der 609. Staffel der RAF zugeteilt. Dann ist er in die 121. Staffel in Martlesham East in East Anglia verlegt worden. Er fliegt Hurri —«

»Das interessiert mich nicht.«

»Sie bezahlen dafür«, sagte er. »Warum sollten Sie für Ihr Geld nicht etwas kriegen?« Er blickte wieder auf seine Notizen. »Er fliegt Hurricanes. Vorher flog er amerikanische Buffaloes.«

Er schlug eine Seite um und fügte hinzu: »Jetzt wird es ein bisschen persönlich.«

»Weiter«, sagte Noelle.

Barbet zuckte die Schultern. »Hier ist eine Liste von Mädchen, mit denen er schläft. Ich wusste nicht, ob Sie«

»Ich sagte Ihnen ja – alles.«

Es war ein merkwürdiger Ton in ihrer Stimme, der ihn verblüffte. Hier war etwas nicht ganz Normales, etwas, das nicht echt klang. Christian Barbet war ein drittklassiger Ermittler, der es mit drittklassigen Kunden zu tun hatte, aber eben aus diesem Grunde hatte er einen Instinkt für die Wahrheit entwickelt, hatte eine Nase für Tatsachen. Das schöne, in seinem Büro stehende Mädchen beunruhigte ihn. Zuerst hatte Barbet geglaubt, sie wolle ihn vielleicht in eine Spionagesache hineinziehen. Dann folgerte er, dass sie eine sitzen gelassene Frau war, die Beweise gegen ihren Mann sammelte. Da hatte er sich geirrt, wie er zugab, und jetzt war er außerstande herauszufinden, was seine Klientin wollte oder warum. Er reichte Noelle die Liste von Larry Douglas' Freundinnen und beobachtete ihr Gesicht, als sie las. Sie hätte genauso gut eine Wäscheliste überfliegen können.

Sie las zu Ende und blickte auf. Christian Barbet war auf ihre nächsten Worte absolut unvorbereitet. »Ich bin sehr erfreut«, sagte Noelle.

Er sah sie an und blinzelte rasch.

»Bitte, rufen Sie mich an, wenn Sie Weiteres zu berichten haben.«

Noch lange nachdem Noelle Page gegangen war, saß Barbet in seinem Büro und blickte zum Fenster hinaus, versuchte zu enträtseln, was seine Klientin eigentlich vorhatte.

Die Theater in Paris kamen wieder in Schwung. Die Deutschen gingen hin, um ihre Siege zu feiern und mit den schönen Französinnen zu protzen, die sie wie Trophäen am Arm führten. Die Franzosen gingen hin, um ein paar Stunden zu vergessen, dass sie ein unglückliches, besiegtes Volk waren.

In Marseille war Noelle ein paar Mal ins Theater gegangen, hatte aber nur unbedeutende Amateurstücke, von viertklassigen Schauspielern für ein gleichgültiges Publikum gespielt, gesehen. Das Theater in Paris war etwas ganz anderes. Es war lebendig und sprühend und voll des Esprits und der Grazie Molieres, Racines und Colettes. Der unvergleichliche Sacha Guitry hatte sein Theater wieder eröffnet, und Noelle ging hin, um ihn spielen zu sehen. Sie besuchte eine Wiederaufnahme von Büchners Dantons Tod und ein Stück mit dem Titel Asmodee von einem viel versprechenden jungen Verfasser namens Francois Mauriac. Sie ging in die Comedie Franchise, um Pirandellos Chacun La Verite und Rostands Cyrano de Bergerac zu sehen. Noelle ging immer allein, blind gegenüber den bewundernden Blicken ihrer Umgebung, vollkommen versunken in das auf der Bühne sich abspielende Drama. Etwas von dem Zauber hinter dem Rampenlicht schlug eine ansprechbare Saite in ihr an. Sie spielte eine Rolle wie die Akteure auf der Bühne, gab vor, etwas zu sein, was sie nicht war, verbarg sich hinter einer Maske.

Besonders ein Stück, Geschlossene Gesellschaft von Jean Paul Sartre, bewegte sie tief. Der Star war Philippe Sorel, eines der Idole Europas. Sorel war klein, hässlich und bullig, mit einer gebrochenen Nase und dem Gesicht eines Boxers. Aber sowie er sprach, geschah ein Wunder. Er verwandelte sich in einen empfindsamen, gut aussehenden Mann. Es ist wie die

Geschichte vom Froschkönig, dachte Noelle, als sie ihn spielen sah. Aber er ist beides, Prinz und Frosch. Immer wieder ging sie hin, saß in der ersten Reihe, studierte sein Spiel, versuchte, das Geheimnis seines Magnetismus zu ergründen.

Eines Abends reichte ein Platzanweiser in der Pause Noelle einen Zettel. Darauf stand: »Ich habe Sie Abend für Abend im Publikum gesehen. Bitte kommen Sie heute Abend hinter die Bühne, damit ich Sie kennen lernen kann. P. S.« Noelle las es, genoss es. Nicht, weil Philippe Sorel sie im geringsten interessierte, sondern weil sie wusste, dass dies der Anfang war, den sie schon immer gesucht hatte.

Nach der Vorstellung ging sie hinter die Bühne. Ein alter Mann am Bühneneingang wies sie in Sorels Garderobe. Er saß vor einem Schminkspiegel, nur in Shorts, und schminkte sich ab. Er musterte Noelle im Spiegel. »Es ist unglaublich«, sagte er schließlich. »In der Nähe sind Sie noch schöner.«

»Danke, Monsieur Sorel.«

»Wo kommen Sie her?«

»Aus Marseille.«

Sorel drehte sich um, um sie genauer anzusehen. Seine Augen wanderten von ihren Füßen langsam bis zu ihrem Kopf, übergingen nichts. Noelle stand bewegungslos unter seinem prüfenden Blick. »Suchen Sie eine Anstellung?« fragte er.

»Nein.«

»Ich zahle nie dafür«, sagte Sorel. »Von mir kriegen Sie nur eine Freikarte für mein Stück. Wenn Sie Geld haben wollen, ficken Sie einen Bankier.«

Noelle stand ruhig da. Schließlich sagte Soreclass="underline" »Was suchen Sie denn?«

»Ich glaube, ich suche Sie.«

Sie soupierten zusammen und gingen nachher in Sorels Appartement in der schönen Rue Maurice-Barres, von wo aus man die Ecke überblickte, die in den Bois de Boulogne überging. Philippe Sorel war ein gewandter Liebhaber, erstaunlich aufmerksam und selbstlos. Sorel hatte von Noelle nichts als ihre Schönheit erwartet und war von ihrer Vielseitigkeit im Bett überrascht.

»Du bist phantastisch«, sagte er. »Wo hast du das gelernt?«

Noelle überlegte einen Augenblick. Es war eigentlich keine Frage des Lernens, es war eine Gefühlsfrage. Für sie war der Körper eines Mannes ein Instrument, auf dem man spielte, das man bis in seine tiefsten Tiefen erforschen musste, um die richtigen Saiten anzuschlagen und darauf aufzubauen, wobei ihr eigener Körper dazu diente, äußerste Harmonie zu schaffen.

»Es ist mir angeboren«, sagte sie einfach.

Ihre Fingerspitzen spielten leise um seine Lippen, schnelle kleine Schmetterlingsberührungen, dann glitten sie über Brust und Bauch. Sie sah, wie er wieder steif und hart wurde. Sie stand auf, ging ins Badezimmer, kam einen Augenblick später zurück und nahm seinen Penis in den Mund. Ihr Mund war heiß, mit warmem Wasser gefüllt. »O Jesus«, sagte er.