Wieder diese Bevormundung, als ob sie ein Kind wäre. »Ja, Mr. Fräser«, sagte sie kalt. Wütend stürmte sie aus dem Zimmer, hätte beinahe die Tür hinter sich zugeschlagen.
Das Treffen war keineswegs so verlaufen, wie Catherine es erwartet hatte. Sie mochte William Fräser nicht mehr. Sie hielt ihn für einen selbstgefälligen, herrischen, arroganten Flegel. Kein Wunder, dass seine Frau sich von ihm hatte scheiden lassen. Nun, sie war hier und würde anfangen, aber sie beschloss, sich nach einer anderen Stelle umzusehen, einer Stelle bei einem Menschen statt bei einem Despoten.
Als Catherine hinausgegangen war, lehnte Fräser sich in seinen Stuhl zurück und lächelte. Waren die Mädchen immer noch so schmerzhaft jung, so ernst und engagiert? In ihrem Zorn, mit den blitzenden Augen und zitternden Lippen, hatte Catherine so hilflos geschienen, dass Fräser sie am liebsten schützend in die Arme genommen hätte. Gegen sich selbst, gab er traurig zu. Sie hatte etwas Altmodisch-Sauberes an sich, dessen Vorhandensein er bei Mädchen beinahe vergessen hatte. Sie war reizend und intelligent, und sie hatte ihren eigenen Kopf. Sie würde die gottverdammt beste Sekretärin werden, die er je gehabt hatte. Und eine Ahnung sagte Fräser, dass sie mehr als das sein würde. Wie viel mehr, darüber war er sich noch nicht im klaren. Er hatte sich schon so oft die Finger verbrannt, dass sich ein Warnsystem automatisch in dem Augenblick einschaltete, in dem er sich von einer Frau angerührt fühlte. Solche Augenblicke waren sehr selten gewesen. Seine Pfeife war ausgegangen. Er zündete sie wieder an, und das Lächeln lag immer noch auf seinem Gesicht. Als Fräser Catherine etwas später zum Diktat kommen ließ, war sie höflich, aber kühl. Sie wartete darauf, dass Fräser etwas Persönliches sagen würde, damit sie ihm zeigen könnte, wie zurückhaltend sie war, aber er verhielt sich distanziert und geschäftsmäßig. Er hatte offensichtlich den Vorfall von heute morgen aus seinen Gedanken verbannt, dachte Catherine. Wie gefühllos konnte ein Mann sein!
Trotz allem fand Catherine den neuen Job faszinierend. Das Telefon läutete ununterbrochen, und die Namen der Anrufer erregten sie ungeheuer. In der ersten Woche rief der Vizepräsident der Vereinigten Staaten zweimal an, dann waren ein halbes Dutzend Senatoren, der Secretary of State und eine berühmte Schauspielerin am Apparat, die in der Stadt war, um für ihren neuesten Film Reklame zu machen. Der Höhepunkt der Woche war ein Anruf von Präsident Roosevelt, und Catherine war so nervös, dass sie den Hörer fallen ließ und die Verbindung mit seiner Sekretärin unterbrach.
Zusätzlich zu den Telefonanrufen hatte Fräser eine ununterbrochene Folge von Verabredungen im Büro, in seinem Country Club oder in einem der bekannteren Restaurants. Schon nach wenigen Wochen ließ Fräser Catherine seine Verabredungen arrangieren und die Vorbestellungen machen. Sie wusste allmählich, wen Fräser sehen wollte und wen nicht. Ihre Arbeit nahm sie derart in Anspruch, dass sie am Ende des Monats ganz vergessen hatte, sich nach einer anderen Stellung umzusehen.
Catherines Beziehung zu Fräser lag immer noch auf einer sehr unpersönlichen Ebene, aber inzwischen kannte sie ihn gut genug, um zu begreifen, dass seine Zurückhaltung nicht Unfreundlichkeit bedeutete. Es war Würde, ein Wall der Reserve, der ihm als Schild gegen die Welt diente. Catherine hatte das Gefühl, dass Fräser in Wirklichkeit sehr einsam war. Seine Stellung verlangte Geselligkeit von ihm, aber sie spürte, dass er von Natur ein einsiedlerischer Mann war. Außerdem spürte sie, dass William Fräser nicht zu ihr passte. Im übrigen die meisten amerikanischen Männer auch nicht, dachte sie.
Hin und wieder traf sie gemeinsam mit Susie Verabredungen mit Männern, aber die meisten ihrer Begleiter waren verheiratete Sexprotze, und sie zog es vor, allein ins Kino oder ins Theater zu gehen. Sie sah Gertrude Lawrence und einen neuen Komiker namens Danny Kaye in Lady in the Dark und Life with Father und Alice in Arms mit einem jungen Schauspieler namens Kirk Douglas. Sie liebte Kitty Foyle mit Ginger Rogers, weil das Stück sie an sich erinnerte. Eines Abends, in einer Aufführung des Hamlet, sah sie Fräser in einer Loge mit einem sehr feinen Mädchen in einem teuren weißen Abendkleid, das Catherine in Vogue gesehen hatte. Sie hatte keine Ahnung, wer das Mädchen war. Fräser traf seine eigenen privaten Verabredungen, und sie wusste nie, wo er hinging und mit wem. Er blickte ins Parkett und bemerkte sie. Am nächsten Morgen sagte er nichts darüber, bis er seine Morgendiktate beendet hatte.
»Wie gefiel Ihnen Hamlet?« fragte er.
»Das Stück ist gut inszeniert, aber von den Darstellern war ich nicht sehr angetan.«
»Mir gefielen die Schauspieler«, sagte er. »Besonders das Mädchen, das die Ophelia spielte, war sehr gut.«
Catherine nickte und wandte sich zum Gehen.
»Mochten Sie die Ophelia nicht?« fragte Fräser hartnäckig.
»Wenn Sie meine ehrliche Meinung hören wollen«, sagte Catherine bedächtig, »sie konnte sich gerade noch über Wasser halten.« Drehte sich um und ging hinaus.
Als Catherine an jenem Abend in die Wohnung kam, wartete Susie schon auf sie.
»Es hat jemand nach dir gefragt«, sagte Susie.
»Wer?«
»Ein FBI-Mann. Sie ermitteln über dich.«
Mein Gott, dachte Catherine. Die haben herausgekriegt, dass ich Jungfrau bin, und wahrscheinlich gibt es in Washington ein Gesetz dagegen. Laut sagte sie: »Warum sollte das FBI über mich ermitteln?«
»Weil du jetzt bei der Regierung arbeitest.«
»Ach so.«
»Wie geht's deinem Mr. Fräser?«
»Meinem Mr. Fräser geht's ausgezeichnet«, sagte Catherine.
»Wie würde ich ihm wohl gefallen?«
Catherine betrachtete prüfend ihre große gertenschlanke, brünette Wohnungskameradin. »Zum Frühstück.«
Im Laufe der folgenden Wochen wurde Catherine mit den
anderen Sekretärinnen in den nahe gelegenen Büros bekannt. Mehrere der Mädchen hatten ein Verhältnis mit ihrem Chef, und es schien ihnen gleichgültig zu sein, ob die Männer verheiratet oder ledig waren. Sie beneideten Catherine um ihren Posten bei William Fräser.
»Wie ist denn Golden Boy eigentlich?« fragte eine von ihnen Catherine eines Tages beim Lunch. »Hat er schon einen Annäherungsversuch gemacht?«
»Oh, damit gibt er sich gar nicht erst ab«, sagte Catherine mit ernstem Gesicht. »Ich komme jeden Morgen um neun Uhr herein, wir wälzen uns auf der Couch herum bis ein Uhr, dann gibt's Lunchpause.«
»Nein, im Ernst, wie finden Sie ihn?«
»Soso«, log Catherine. Ihre Gefühle William Fräser gegenüber waren seit ihrem ersten Streit beträchtlich freundlicher geworden. Er hatte ihr die Wahrheit gesagt, als er erklärte, er sei ein Perfektionist. Wann immer sie einen Fehler machte, wurde sie gerügt, aber er hatte sich als fair und verständnisvoll erwiesen. Sie hatte erlebt, wie er seine kostbare Zeit darauf verwandte, anderen Menschen zu helfen, die nichts für ihn tun konnten, und er richtete es so ein, dass er nie den Ruhm dafür einheimste. O ja, sie mochte William Fräser wirklich sehr, aber das ging nur sie etwas an.
Einmal, als eine Menge liegen gebliebene Arbeit nachzuholen war, hatte Fräser Catherine gebeten, bei ihm zu Hause zu Abend zu essen, damit sie danach noch länger arbeiten könnten. Talmadge, Fräsers Fahrer, wartete mit der Limousine vor dem Gebäude. Mehrere aus dem Haus tretende Sekretärinnen sahen mit wissenden Augen zu, wie Fräser Catherine in den Rücksitz half und sich neben sie setzte. Die Limousine glitt ruhig in den Nachmittagsverkehr hinaus.
»Ich werde Sie um Ihren guten Ruf bringen«, sagte Catherine.
Fräser lachte. »Ich will Ihnen was sagen. Sollten Sie je eine
Affäre mit einer allgemein bekannten Persönlichkeit haben, dann offen, sozusagen im Freien.«