»Kommen Sie herein und setzen Sie sich«, begrüßte er Larry, als dieser das Büro betrat.
Eastman war ungefähr fünfunddreißig Jahre alt, ein sportlicher Typ mit hervorstehenden Backenknochen und durchdringenden nussbraunen Augen, denen nichts entging. Er wies Larry einen Platz auf der Couch an und setzte sich ihm gegenüber.
»Kaffee?«
»Nein, danke«, sagte Larry.
»Ich habe gehört, Sie wollen bei uns arbeiten.«
»Wenn eine Stelle frei ist.«
»Es ist eine frei«, sagte Eastman, »nur haben sich etwa tausend Knüppeljockeis darum beworben.« Er schüttelte bekümmert den Kopf. »Es ist unglaublich. Die Luftwaffe bringt Tausenden von intelligenten jungen Männern bei, wie man die kompliziertesten Maschinen fliegt, die je erfunden worden sind. Und wenn sie dann ihren Job getan haben und ihn verdammt gut getan haben, dann schickt sie die Luftwaffe zum Teufel. Man hat nichts für sie.« Er seufzte. »Sie würden es nicht glauben, wie viel Leute hier den ganzen Tag hereinkommen. Spitzenpiloten, Asse wie Sie selbst. Es gibt nur eine freie Stelle pro tausend Bewerber – und die anderen Fluglinien sind in genau der gleichen Lage.«
Ein Gefühl von Enttäuschung überkam Larry. »Warum haben Sie mich dann empfangen?« fragte er steif.
»Aus zwei Gründen. Nummer eins, weil der Mann über mir mich angewiesen hat.«
Larry fühlte, wie der Zorn in ihm aufstieg.
»Ich brauche keine«
Eastman beugte sich vor. »Nummer zwei, weil Sie verdammt gute Flugleistungen aufzuweisen haben.«
»Danke«, sagte Larry knapp.
Eastman blickte ihn prüfend an. »Sie müssten einen Trainingskurs mitmachen, verstehen Sie. Es wäre, als ob Sie wieder zur Schule gingen.«
Larry zögerte, unsicher, wohin das Gespräch führte.
»Das hört sich ganz gut an«, sagte er vorsichtig.
»Sie werden dieses Training in New York außerhalb von La-Guardia absolvieren müssen.«
Larry nickte, wartete.
»Es gibt vier Wochen Grundschulung und dann einen Monat Flugtraining.«
»Sie fliegen DC-4?« fragte Larry.
»Richtig. Nach Beendigung Ihres Trainings werden wir Sie als Navigator einsetzen. Ihr Gehalt während des Kurses beträgt 350 Dollar im Monat.«
Er hatte den Job bekommen! Dieser Hundesohn hatte ihn an der Nase herumgeführt mit den tausend Piloten, die hinter ihm her waren. Aber er hatte den Job. Worüber hatte er sich Sorgen gemacht? Niemand in der ganzen verdammten Luftwaffe hatte eine bessere Personalakte als er.
Larry grinste. »Es macht mir nichts aus, als Navigator anzufangen, aber ich bin Pilot. Wann kommt das an die Reihe?«
Eastman seufzte. »Die Fluglinien sind gewerkschaftlich organisiert. Der einzige Weg, wie jemand avancieren kann, führt über das höhere Dienstalter. Wollen Sie es versuchen?«
Larry nickte. »Was habe ich schon zu verlieren!«
»Gut«, sagte Eastman. »Ich werde die Formalitäten in Ordnung bringen. Sie werden sich natürlich einer ärztlichen Untersuchung unterziehen müssen. Gibt es da irgendwelche Probleme?«
Larry grinste. »Die Japaner haben an mir alles in Ordnung gefunden.«
»Wann können Sie mit der Arbeit anfangen?«
»Ist heute Nachmittag zu früh?«
»Sagen wir Montag.« Eastman kritzelte einen Namen auf eine Karte und gab sie Larry. »Da. Man wird Sie um 9 Uhr Montag morgen erwarten.«
Als Larry Catherine anrief, um ihr die Neuigkeit zu überbringen, lag eine Erregung in seiner Stimme, wie Catherine sie seit langem nicht gehört hatte. Sie wusste, alles würde wieder in Ordnung kommen.
Noelle
Athen 1946
Constantin Demiris besaß eine Flotte von Flugzeugen für seinen persönlichen Gebrauch, aber sein Stolz war eine umgebaute Hawker Siddeley, die sechzehn Passagiere mit luxuriösem Komfort transportierte, eine Geschwindigkeit von dreihundert Meilen pro Stunde erreichte und eine vierköpfige Besatzung hatte. Es war ein fliegender Palast. Das Innere war von Frederick Sawrin ausgestattet worden, und Chagall hatte die Wände mit Fresken ausgemalt. Statt Flugsitzen waren Lehnsessel und komfortable Sofas in der Kabine angebracht. Die Achter-Kabine war in ein luxuriöses Schlafzimmer verwandelt worden. Vorne hinter dem Cockpit gab es eine moderne Küche. Jedes Mal, wenn Demiris oder Noelle flogen, war ein Koch an Bord.
Demiris hatte einen griechischen Flieger namens Paul Meta-xas und einen englischen Ex-RAF-Kampfflieger namens Ian Whitestone zu seinen persönlichen Piloten gewählt. Metaxas war ein untersetzter, liebenswürdiger Mann mit freundlichem Ausdruck und herzlichem, ansteckendem Lachen. Er war Mechaniker gewesen, hatte sich selbst das Fliegen beigebracht und hatte mit der RAF in der Schlacht um England gekämpft, wo er Ian Whitestone kennen gelernt hatte. Whitestone war hoch gewachsen, rothaarig und sehr dünn und hatte das unsichere Benehmen eines Schulmeisters am ersten Schultag in einer zweitklassigen Anstalt für Sonderschüler. In der Luft war Whitestone ganz anders. Er hatte die seltene natürliche Geschicklichkeit des geborenen Piloten, etwas, das man weder lehren noch erlernen kann. Whitestone und Metaxas waren drei Jahre zusammen gegen die deutsche Luftwaffe geflogen, und jeder schätzte den anderen sehr.
Noelle unternahm häufig Reisen in dem großen Flugzeug, manchmal geschäftlich mit Demiris, manchmal zum Vergnügen. Sie hatte die Piloten kennen gelernt, schenkte ihnen jedoch keine besondere Aufmerksamkeit.
Und dann hörte sie eines Tages zufällig, wie sie sich über ein Erlebnis unterhielten, das sie einmal in der RAF gehabt hatten.
Von diesem Augenblick an verbrachte Noelle entweder einen Teil des Fluges im Cockpit im Gespräch mit den beiden Männern oder bat einen von ihnen in die Kabine. Sie regte sie an, über ihre Kriegserlebnisse zu sprechen, und erfuhr schließlich, ohne je eine direkte Frage zu stellen, dass Whitestone Verbindungsoffizier in Larry Douglas' Staffel gewesen war, bevor Douglas die RAF verlassen hatte, und dass Metaxas zu spät in die Staffel versetzt worden war, um Larry kennen zu lernen. Noelle begann sich auf den englischen Piloten zu konzentrieren. Ermutigt und geschmeichelt durch das Interesse der Geliebten seines Arbeitgebers, sprach Whitestone offen über seine Vergangenheit und über seine künftigen Ambitionen. Er erzählte Noelle, dass er immer an der Elektronik interessiert gewesen sei. Sein Schwager in Australien hatte eine kleine Elektronikfirma aufgemacht und wollte Whitestone zum Partner haben, aber Whitestone hatte nicht das Kapital dazu.
»Bei meiner Lebensweise«, sagte er grinsend zu Noelle, »werde ich es nie schaffen.«
Noelle besuchte weiterhin einmal im Monat Christian Barbet in Paris. Barbet hatte Verbindung mit einem privaten Detektivbüro in Washington aufgenommen, und die Berichte über Larry Douglas strömten nur so herein. Einmal versuchte der kleine Detektiv, vorsichtig das Terrain zu sondieren, und bot ihr an, die Berichte nach Athen zu senden, aber sie sagte ihm, sie zöge es vor, sie persönlich abzuholen. Barbet hatte schlau mit dem Kopf genickt und im Verschwörerton gesagt: »Ich verstehe, Mademoiselle Page.« Sie wollte also nicht, dass Constantin Demiris von ihrem Interesse an Larry Douglas wusste. Die Möglichkeiten für eine Erpressung waren überwältigend.
»Sie sind sehr hilfreich gewesen, Monsieur Barbet«, sagte Noelle, »und sehr diskret.«
Er lächelte ölig. »Danke, Mademoiselle. Mein Beruf lebt von der Diskretion.«
»Genau«, erwiderte Noelle. »Ich weiß, Sie sind diskret, weil Constantin Demiris nie Ihren Namen mir gegenüber erwähnt hat. An dem Tag, an dem er es tut, werde ich ihn bitten, Sie zu vernichten.« Sie sagte das in einem freundlichen Gesprächston, aber es schlug wie eine Bombe ein.
Monsieur Barbet starrte Noelle lange erschrocken an und biss sich auf die Lippen. Er kratzte sich nervös in der Leistengegend und stammelte: »Ich – ich versichere Ihnen, Mademoisel-le, ich würde nie – nie ...«