»Ich habe einen Vorschuss auf mein Gehalt genommen«, sagte Larry. »Ist das so eine große Sache?«
Und Catherine hatte nicht das Herz, etwas dagegen zu sagen. Er ging wie ein Kind mit Geld um, achtlos und großzügig, und das war ein Teil seines Charmes.
Wie es auch der Charme von Catherines Vater gewesen war.
Larry zeigte ihr Paris wie einer Touristin: den Louvre, die Tuilerien und den Invalidendom mit Napoleons Grab. Sie gingen zu den Hallen, dem berühmten Markt von Paris, und sahen das frische Obst und das Fleisch und Gemüse, das die Bauern vom Lande nach Paris bringen; sie verbrachten ihren letzten Sonntag in Versailles und dinierten dann im Coq Hardi außerhalb von Paris. Es waren perfekte zweite Flitterwochen.
Hai Sakowitz saß in seinem Büro und sah die wöchentlichen Personalberichte durch. Vor ihm lag der Bericht über Larry Douglas. Sakowitz lehnte sich in seinem Stuhl zurück und studierte ihn sorgfältig, wobei er gedankenverloren auf seiner Unterlippe herum biss. Endlich lehnte er sich nach vorn und drückte auf eine Sprechtaste. »Schicken Sie ihn herein«, sagte er.
Einen Augenblick später kam Larry zur Tür herein, er trug seine PanAm-Uniform und seine Flugtasche. Er lächelte Sakowitz flüchtig zu. »Guten Morgen, Chef«, sagte er.
»Setzen Sie sich.«
Larry ließ sich lässig in einen Stuhl gegenüber dem Schreibtisch fallen und zündete sich eine Zigarette an.
Sakowitz sagte: »Ich habe hier einen Bericht, wonach Sie sich letzten Montag in Paris fünfundvierzig Minuten zu spät bei Ihrer Flugeinweisung gemeldet haben.«
Larrys Gesichtsausdruck veränderte sich. »Ich war in eine Parade auf den Champs-Elysees geraten. Das Flugzeug ist pünktlich abgeflogen. Ich wusste nicht, dass es hier wie in einem Jugendlager zugeht.«
»Hier geht es zu wie bei einer Fluglinie«, sagte Sakowitz ruhig. »Und da geht alles nach Plan.«
»O. K.«, sagte Larry zornig. »Ich werde mich von den Champs-Elysees fernhalten. Noch etwas?«
»Ja. Captain Swift meint, Sie hätten vor den letzten beiden Starts ein paar Drinks gekippt.«
»Das ist eine verdammte Lüge!« fuhr Larry auf.
»Warum sollte Captain Swift lügen?«
»Weil er fürchtet, dass ich ihm seinen Job wegnehme.« In Larrys Stimme lag bitterer Zorn. »Dieser Hurensohn ist eine ängstliche alte Jungfer, die schon vor zehn Jahren hätte in Pension gehen sollen.«
»Sie sind mit vier verschiedenen Kapitänen geflogen«, sagte Sakowitz. »Welche haben Ihnen gefallen?«
»Keiner von ihnen«, erwiderte Larry. Er merkte die Falle zu spät. Schnell fügte er hinzu: »Ich meine – sie sind schon in Ordnung. Ich habe nichts gegen sie.«
»Mit Ihnen fliegen die auch nicht gerne«, sagte Sakowitz ruhig. »Sie machen sie nervös.«
»Was zum Teufel soll das heißen?«
»Das heißt, im Falle einer Notlage will man des Mannes ganz sicher sein, der neben einem sitzt. Bei Ihnen fühlen sie sich nicht sicher.«
»Ach, zum Teufel«, explodierte Larry. »Ich habe vier Jahre lang Notlagen über Deutschland und im Südpazifik erlebt und habe jeden Tag Kopf und Kragen riskiert, während die hier unten auf ihren fetten Hintern saßen und große Gehälter kassierten; und die sollen kein Vertrauen zu mir haben? Sie scherzen wohl!«
»Niemand behauptet, dass Sie in einem Kampfflugzeug nicht großartig sind«, erwiderte Sakowitz ruhig. »Aber wir befördern hier Passagiere. Es ist eine andere Art von Sport.«
Larry saß da, ballte die Fäuste und versuchte, seinen Zorn zu unterdrücken. »O. K.«, sagte er mürrisch. »Ich hab's verstanden. Wenn Sie nun fertig sind, mein Flug geht nämlich in ein paar Minuten.«
»Ein anderer übernimmt den Flug«, sagte Sakowitz. »Sie sind entlassen.«
Larry starrte ihn ungläubig an. »Ich bin was?«
»Irgendwie ist es wohl auch meine Schuld, Douglas. Ich hätte
Sie von vornherein nicht einstellen sollen.«
Larry sprang auf, seine Augen funkelten vor Zorn. »Warum zum Teufel haben Sie's dann getan?« fragte er erregt.
»Weil Ihre Frau einen Freund namens Bill Fräser hat ...«, begann Sakowitz.
Larry sprang auf und knallte über den Schreibtisch hinweg seine Faust in Sakowitz' Gesicht. Der Schlag warf Sakowitz gegen die Wand. Diesen Schwung benützte er, um hochzu-schnellen. Er traf Larry zweimal, wich etwas zurück und versuchte, sich wieder in die Gewalt zu bekommen.
»Machen Sie, dass Sie hier rauskommen«, sagte er. »Und zwar sofort!«
Larry starrte ihn an, sein Gesicht war vor Hass verzerrt. »Sie Hurensohn«, sagte er. »Ich würde nicht mehr in die Nähe dieser Fluglinie gehen, selbst wenn Sie mich auf den Knien darum bäten!« Er drehte sich um und stürmte aus dem Büro.
Sakowitz stand da und blickte ihm nach. Seine Sekretärin eilte herein. Sie sah den umgeworfenen Stuhl und Sakowitz' blutige Lippe.
»Wie fühlen Sie sich?« fragte sie.
»Großartig«, sagte er. »Fragen Sie bei Mr. Eastman an, ob ich ihn sprechen kann.«
Zehn Minuten später hatte Sakowitz Eastman den Vorfall genau berichtet.
»Was ist nun eigentlich Ihrer Meinung nach los mit Douglas?« fragte Eastman.
»Ehrlich gesagt, ich glaube, er ist ein Psychopath.«
Eastman sah ihn mit seinen durchdringenden nussbraunen Augen an. »Ich finde das reichlich stark ausgedrückt, Sak. Er war beim Flug nicht betrunken. Man kann ihm nicht einmal nachweisen, dass er auf dem Boden einen Drink genommen hatte. Und jeder kann sich ab und zu einmal verspäten.«
»Wenn das alles wäre, hätte ich ihn nicht entlassen, Carl. Douglas ist viel zu leicht erregbar. Um die Wahrheit zu sagen,
ich hatte heute versucht, ihn zu provozieren, und es war nicht schwer. Wenn er dem Druck standgehalten hätte, hätte ich's vielleicht riskiert, ihn zu behalten. Wissen Sie, was mir Sorgen macht?«
»Was?«
Sakowitz sagte: »Vor ein paar Tagen traf ich einen alten Freund, der mit Douglas in der RAF gedient hat. Er erzählte mir eine verrückte Geschichte. Anscheinend verliebte sich Douglas, als er in der Adler-Staffel diente, in ein kleines englisches Mädchen, das mit einem Jungen aus Douglas' Staffel namens Clark verlobt war. Douglas tat alles, um sie für sich zu gewinnen, aber das Mädchen wollte nichts von ihm wissen. Eine Woche bevor sie und Clark heiraten sollten, stieg die Staffel auf, um einige Bomber beim Angriff auf Dieppe abzuschirmen. Douglas flog hinten. Die Bomber warfen ihre Bomben ab, und alle flogen heimwärts. Als sie über dem Kanal waren, wurden sie von Messerschmitts angegriffen, und Clark wurde abgeschossen.« Er hielt inne und grübelte vor sich hin. Eastman wartete, dass er fortfahre, und endlich blickte Sakowitz auf. »Nach Aussage meines Freundes waren überhaupt keine Messerschmitts in der Nähe, als es Clark erwischte.«
Eastman starrte ihn ungläubig an. »Mein Gott! Wollen Sie damit sagen, dass Larry Douglas ... ?«
»Ich sage gar nichts. Ich erzähle Ihnen nur eine interessante Geschichte, die ich gehört habe.« Er hielt sich wieder das Taschentuch an die Lippen. Sie bluteten nicht mehr. »Es ist schwer zu sagen, was in einem Nahkampf vor sich geht. Vielleicht ging Clark nur der Treibstoff aus.«
»Was geschah mit seinem Mädchen?«
»Douglas lebte mit ihr, bis er in die Staaten zurückkehrte, dann ließ er sie sitzen.« Er blickte Eastman gedankenvoll an. »Ich kann Ihnen nur eines sagen: Douglas' Frau tut mir leid.«
Catherine war im Konferenzzimmer und hatte gerade eine
Sitzung mit den Mitarbeitern, als die Tür aufging und Larry hereinkam.
Sein Auge war blau und geschwollen, er hatte einen Schnitt auf der Wange. Sie eilte auf ihn zu. »Larry, was ist passiert?«
»Ich habe meinen Job aufgegeben«, murmelte er.