Jetzt war sie soweit.
Mit einem Telefonanruf begann es.
Catherine und Larry saßen gerade schweigend in unbehaglicher Stimmung beim Abendessen. Larry war in letzter Zeit sehr wenig zu Hause gewesen, und wenn er zu Hause war, so war er schlecht gelaunt und grob. Catherine hatte Verständnis für sein Elend.
»Es ist wie verhext«, hatte er zu ihr gesagt, als die Global Airways Bankrott machte. Und es stimmte. Er hatte eine unglaubliche Pechsträhne gehabt. Catherine versuchte, Larry wieder Selbstvertrauen einzuflößen, ihn daran zu erinnern, was für ein wunderbarer Pilot er war und wie glücklich alle sich schätzen müssten, ihn zu haben. Aber es war, als ob man mit einem verwundeten Löwen lebte. Catherine wusste nie, wann er seine Pranke gegen sie erheben würde, und weil sie ihn nicht im Stich lassen wollte, versuchte sie, für seine wilden Wutausbrüche Verständnis zu haben und sie möglichst zu übersehen. Das Telefon läutete, als sie den Nachtisch servierte. Sie nahm den Hörer ab.
»Hallo.«
Am anderen Ende des Drahtes war die Stimme eines Engländers, der sagte: »Ist Larry Douglas zu sprechen? Hier ist Ian Whitestone.«
»Einen Augenblick.« Sie hielt Larry den Hörer hin. »Für dich. Ian Whitestone.«
Verblüfft runzelte er die Stirn. »Wer?« Dann erhellte sich sein Gesicht. »Um Himmels willen!« Er ging zu Catherine hinüber und nahm ihr den Hörer aus der Hand. »Ian?« Er lachte kurz auf. »Mein Gott, es ist fast sieben Jahre her. Wie zum Teufel hast du mich aufgespürt?«
Catherine sah, wie Larry nickte und lächelte, als er zuhörte. Nach etwa fünf Minuten sagte er: »Gut, das klingt interessant, alter Kumpel. Natürlich kann ich. Wo?« Er hörte zu. »Gut. In einer halben Stunde. Bis dann.« Nachdenklich legte er den Hörer auf. »Ist er ein Freund von dir?« fragte Catherine.
Larry wandte sich um und sah sie an. »Nein, eigentlich nicht. Das ist ja das Merkwürdige daran. Wir waren zusammen in der RAF und haben uns eigentlich nie sehr gut verstanden. Aber er sagt, er hat mir einen Vorschlag zu machen.«
»Was für einen Vorschlag?« fragte Catherine.
Larry zuckte die Achseln. »Ich werde es dir sagen, wenn ich nach Hause komme.«
Es war fast drei Uhr morgens, als Larry in die Wohnung zurückkehrte. Catherine saß im Bett und las. Larry erschien in der Schlafzimmertür.
»Hallo.«
Etwas war mit ihm vorgegangen. Er strahlte eine Erregung aus, die Catherine seit langem nicht an ihm gesehen hatte. Er ging auf ihr Bett zu.
»Wie ist deine Unterredung verlaufen?«
»Sehr gut, glaube ich«, sagte Larry vorsichtig. »Eigentlich so gut, dass ich es noch nicht fassen kann. Ich glaube, ich habe eine Stellung.«
»Bei Ian Whitestone?«
»Nein. Ian ist ein Pilot wie ich. Ich sagte dir, dass wir zusammen in der RAF waren.«
»Ja.«
»Gut – nach dem Krieg verschaffte ihm ein griechischer Kamerad einen Job als Privatpilot bei Demiris.«
»Dem Tankerkönig?«
»Schiffe, Petroleum, Gold – Demiris gehört die halbe Welt. Whitestone hatte einen großartigen Posten da.«
»Und was ist passiert?«
Larry blickte sie an und grinste. »Whitestone hat seinen Job aufgegeben. Er geht nach Australien. Jemand richtet ihm dort ein eigenes Geschäft ein.«
»Ich begreife immer noch nicht«, sagte Catherine. »Was hat das alles mit dir zu tun?«
»Whitestone sprach mit Demiris darüber, dass ich seinen Posten übernehmen könnte. Er ist gerade erst gegangen, und Demiris hat noch keine Gelegenheit gehabt, sich nach Ersatz umzusehen. Whitestone meint, der Job wäre mir so gut wie sicher.« Er zögerte. »Du weißt nicht, Cathy, was das bedeuten könnte.«
Cathy dachte an die anderen Male, die anderen Stellungen und erinnerte sich an ihren Vater und an seine leeren Träume, und sie ließ ihre Stimme unverbindlich klingen, weil sie keine falschen Hoffnungen in Larry erwecken und doch seinen Enthusiasmus nicht dämpfen wollte.
»Sagtest du nicht, dass du und Whitestone nie besonders gute Freunde wart?«
Er zögerte. »N-ja.« Eine kleine Runzel furchte seine Stirn. Die Wahrheit war, dass er und Whitestone sich nie hatten leiden können. Der Anruf von heute Abend war eine große
Überraschung gewesen. Beim Zusammentreffen schien sich Whitestone nicht so ganz wohl in seiner Haut zu fühlen. Als er ihm die Situation erklärt und Larry gesagt hatte: »Es überrascht mich, dass du gerade an mich gedacht hast«, entstand eine peinliche Pause, und dann hatte Whitestone gesagt: »Demiris will einen hervorragenden Piloten, und das bist du.« Es war fast, als ob Whitestone ihm den Job aufdrängen wollte und Larry ihm einen Gefallen erwiese, wenn er annähme. Er schien sehr erleichtert, als Larry sagte, er wäre interessiert, und machte dann den Eindruck, als ob er es eilig hätte wegzukommen. Alles in allem war es ein sonderbares Treffen gewesen.
»Es könnte die Chance meines Lebens sein«, sagte Larry zu Catherine. »Demiris zahlte Whitestone fünfzehntausend Drachmen im Monat. Das sind fünfhundert Dollar, er lebte wie ein König dort.«
»Aber würde das nicht bedeuten, dass du in Griechenland leben müsstest?«
»Wir würden in Griechenland leben«, verbesserte Larry sie. »Bei einem solchen Gehalt könnten wir genug sparen, um uns nach einem Jahr unabhängig zu machen. Ich muss es versuchen.«
Catherine zögerte, wählte ihre Worte sorgsam. »Larry, es ist so weit weg, und du kennst Constantin Demiris nicht. Es muss hier einen Job für einen Flieger geben, der ...«
»Nein!« Sein Ton klang wütend. »Niemand hier schert sich darum, wie gut man als Pilot ist. Alles, was hier zählt, ist, wie lange man seine verdammten Gewerkschaftsbeiträge entrichtet hat. Dort drüben wäre ich unabhängig. Es ist genau das, wovon ich geträumt habe, Cathy. Demiris hat eine Flotte von Flugzeugen, wie du es dir nicht vorstellen kannst, und ich werde wieder fliegen, Baby. Der einzige, den ich zufrieden stellen müsste, wäre Demiris, und Whitestone sagt, ich werde ihm gefallen.«
Sie dachte wieder an Larrys Job bei der PanAm und die
Hoffnungen, die er darauf gesetzt hatte, und seine Misserfolge bei den kleinen Fluglinien. Mein Gott, dachte sie. In was lasse ich mich da ein? Es würde bedeuten, das Unternehmen aufzugeben, das sie sich aufgebaut hatte, an einem fremden Ort unter Fremden zu leben mit einem Mann, der fast ein Fremder war.
Er beobachtete sie. »Machst du mit?«
Sie blickte in sein eifriges Gesicht. Das war ihr Mann, und wenn sie ihre Ehe aufrechterhalten wollte, würde sie zu leben haben, wo er lebte. Und wie schön wäre es, wenn es klappte. Er wäre wieder der alte Larry. Der bezaubernde, amüsante, wunderbare Mann, den sie geheiratet hatte. Sie musste es riskieren.
»Natürlich mache ich mit«, sagte Catherine. »Warum fliegst du nicht hin und sprichst mit Demiris ? Wenn du den Job kriegst, komme ich nach.«
Er lächelte jungenhaft. »Ich wusste ja, dass ich mich auf dich verlassen kann, Baby.« Er schlang die Arme um sie und drückte sie fest an sich. »Zieh lieber dein Nachthemd aus«, sagte Larry, »sonst bohre ich noch Löcher hinein.«
Aber während Catherine es langsam auszog, dachte sie daran, wie sie es Bill Fräser beibringen sollte.
Am nächsten Morgen flog Larry nach Athen, um sich Cons-tantin Demiris vorzustellen.
In den nächsten Tagen hörte Catherine nichts von ihrem Mann. Als die Woche sich hinzog, hoffte Catherine, dass es in Griechenland nicht geklappt hatte und Larry bald nach Hause kommen würde. Selbst wenn er die Stellung bei Demiris bekäme, konnte man nie wissen, wie lange er sie behalten würde.
Sicherlich könnte er in den Staaten eine Stellung finden.
Sechs Tage nach Larrys Abreise erhielt Catherine ein Ferngespräch aus Übersee.
»Catherine?«
»Hallo, Liebling.«
»Pack deine Sachen. Du sprichst mit dem neuen Privatpiloten von Constantin Demiris.«