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Zehn Tage später war Catherine auf dem Weg nach Griechenland.

ZWEITES BUCH

Noelle und Catherine

Athen 1946

Menschen formen manche Städte, manche Städte formen Menschen. Athen ist ein Amboss, der den Hammerschlägen von Jahrhunderten standgehalten hat. Von den Sarazenen, den Angeln, den Türken ist es erobert und gebrandschatzt worden, doch jedes Mal hat es geduldig überlebt. Athen liegt am südlichen Ende der großen zentralen Ebene Attikas, die sich sanft zum Saronischen Golf im Südwesten hinab erstreckt und im Osten von dem majestätischen Berg Hymettos überragt wird. Unter der glänzenden Patina der Stadt findet man immer noch ein von antiken Geistern erfülltes und den reichen Traditionen zeitlosen Ruhms durchtränktes Dorf, dessen Bewohner ebenso sehr in ihrer Vergangenheit wie in der Gegenwart leben, einen Ort ständig wechselnder überraschungsvoller Entdeckungen und letzten Endes unerkennbar.

Larry wartete am Flughafen Hellenikon auf Catherines Maschine. Sie sah ihn auf die Rampe zueilen, ihr mit erwartungsvollem und erregtem Gesicht entgegenkommen. Er sah gebräunter und hagerer aus, als wie sie ihn beim letzten Mal gesehen hatte, und schien gelöst und entspannt zu sein.

»Du hast mir gefehlt, Cathy«, sagte er, als er sie in seine Arme schloss.

»Du mir auch.« Und als sie die Worte aussprach, erkannte sie, wie ernst sie ihr waren. Sie vergaß immer wieder die starke physische Wirkung, die Larry auf sie ausübte, wenn sie sich nach einer Trennung wieder trafen, und jedes Mal war sie von neuem überwältigt.

»Wie hat Bill Fräser denn die Nachricht aufgenommen?« fragte Larry, als er ihr durch die Zollkontrolle half.

»Er hat großes Verständnis gezeigt.«

»Ihm blieb wohl keine andere Wahl, oder?« meinte Larry.

Catherine dachte wieder an ihr Gespräch mit Bill Fräser. Er hatte sie schockiert angesehen. »Du willst nach Griechenland, um dort zu leben? Warum, um Gottes willen?«

»Es steht so im Kleingedruckten meines Ehe Vertrags«, hatte sie leichthin erwidert,

»Ich meine, warum kann Larry nicht hier eine Stellung finden, Catherine?«

»Ich weiß nicht, warum, Bill. Immer scheint irgend etwas schief zu gehen. Aber er hat eine Stellung in Griechenland und scheint das Gefühl zu haben, dass es dort klappen wird.«

Nach seinem ersten impulsiven Protest hatte Fräser sich großartig verhalten. Er hatte ihr alles leicht gemacht und darauf bestanden, dass sie ihren Anteil an der Firma behielt. »Du wirst nicht ewig fortbleiben«, wiederholte er immer wieder.

Catherine dachte an seine Worte, während sie zusah, wie Larry einen Träger herbeiwinkte, um ihr Gepäck zu einer Limousine zu schaffen.

Er sprach mit dem Träger griechisch, und Catherine bewunderte sein Sprachtalent.

»Warte nur, bis du Constantin Demiris kennen lernst«, sagte Larry. »Er ist der reinste König. Alle Größen Europas scheinen sich unaufhörlich zu überlegen, wie sie ihm gefällig sein können.«

»Ich freue mich, dass du ihn magst.«

»Und er mag mich.«

Sie hatte ihn nie so glücklich und begeistert erlebt. Sie sah darin ein gutes Omen.

Auf dem Weg zum Hotel schilderte Larry ihr seine erste Begegnung mit Demiris. Larry war auf dem Flughafen von einem livrierten Chauffeur abgeholt worden und hatte gebeten, sich Demiris' Flugzeuge ansehen zu können. Der Chauffeur hatte ihn zu einem riesigen Hangar am äußersten Ende des

Flugfeldes gebracht, in dem sich drei Maschinen befanden, und Larry hatte sie kritisch inspiziert. Die Hawker Siddeley war eine Pracht, und er sehnte sich danach, hinter ihrem Steuerknüppel zu sitzen und sie zu fliegen. Die zweite Maschine war eine sechssitzige Piper in erstklassigem Zustand. Er schätzte, dass sie leicht dreihundert Meilen in der Stunde machte. Die dritte war eine als Zweisitzer gebaute L-5 mit einem Lyco-ming-Motor, ein wunderbares Flugzeug für kürzere Strecken. Das war eine imposante Privatflotte. Als Larry seine Inspektion beendet hatte, schloss er sich wieder dem ihn beobachtenden Chauffeur an.

»Damit kann man etwas machen«, sagte Larry. »Gehen wir.« Der Chauffeur hatte ihn zu einer Villa in Varkisa, dem fünfundzwanzig Kilometer von Athen entfernten exklusiven Vorort, hinausgefahren.

»Du kannst dir Demiris' Besitz nicht vorstellen«, sagte Larry zu Catherine.

»Wie sieht er aus?« fragte Catherine begierig.

»Man kann es unmöglich beschreiben. Es sind ungefähr zehn Morgen Land, mit elektrischen Toren, Wächtern und Wachhunden und allem, was dazugehört. Von außen wirkt die Villa wie ein Palast, innen ist sie ein Museum. Sie hat ein Hallenbad, eine komplette Bühne und einen Kinoraum. Du wirst es eines Tages sehen.«

»War er nett?« fragte Catherine.

»Und wie!« Larry lächelte. »Ich wurde mit großem Bahnhof empfangen. Ich nehme an, dass mir mein Ruf vorausgegangen ist.«

In Wirklichkeit hatte Larry drei Stunden lang in einem kleinen Vorzimmer gesessen, ehe er zu Demiris vorgelassen wurde. Unter gewöhnlichen Umständen wäre Larry über diese Geringschätzung wütend gewesen, aber er wusste, wie viel von der Begegnung abhing, und er war zu nervös, um sich zu ärgern. Er hatte Catherine erklärt, wie wichtig diese Stellung

für ihn wäre, hatte ihr aber nicht gesagt, wie verzweifelt er sie benötigte. Er war ein überragender Flieger, und ohne Fliegen kam er sich verloren vor. Es war, als ob sein Leben in eine unerforschte Gefühlstiefe abgesunken wäre, und der Druck auf ihn war übermächtig und unerträglich. Alles hing von dieser Stellung ab.

Nach Ablauf der drei Stunden war ein Butler gekommen und hatte verkündet, Herr Demiris sei nun bereit, ihn zu sehen. Er hatte Larry durch eine riesige Empfangshalle geführt, die aussah, als ob sie nach Versailles gehörte. Die Wände waren in zarten Gold-, Grün- und Blautönen gehalten und mit Beauvais-Gobelins behängt, die eine Täfelung aus Rosenholz einrahmte. Ein prachtvoller ovaler Savonnerie-Teppich lag auf dem Boden, und darüber hing ein riesiger Lüster aus Kristall und Goldbronze.

Den Eingang zur Bibliothek rahmten ein paar Säulen aus grünem Onyx mit Kapitellen aus Goldbronze. Die Bibliothek selbst war exquisit, entworfen von Meisterhand, und die Wände bedeckte eine Täfelung aus geschnitzten Obsthölzern. In der Mitte der einen Wand ein weißer Marmorkamin mit vergoldeten Ornamenten. Auf der Kaminplatte standen zwei schöne Bronzen von Philippe Caffieri.

Über dem Kamin hing in einem Prunkrahmen ein bis zur Decke reichendes Gemälde von Fragonard. Durch eine offen stehende Fenstertür erhaschte Larry einen flüchtigen Blick in einen großen Patio und den mit vielen Statuen und Fontänen geschmückten Park.

In der Tiefe der Bibliothek befand sich ein großer Schreibtisch, dahinter ein kostbarer hochlehniger mit einem Aubusson-Gobelin bespannter Sessel. Vor dem Schreibtisch standen zwei Gobelin-Bergeres.

Demiris stand neben dem Schreibtisch und betrachtete eine große Landkarte in Merkatorprojektion an der Wand, die mit Dutzenden farbiger Kartennadeln übersät war. Als Larry

eintrat, drehte er sich um und streckte ihm die Hand entgegen.

»Constantin Demiris«, sagte er mit einem leisen Anflug eines Akzents. In den Nachrichtenmagazinen hatte Larry im Lauf der Jahre viele Bilder von diesem Mann gesehen, doch nichts hatte ihn auf dessen vitale Kraft vorbereitet.

»Ich weiß«, sagte Larry und schüttelte ihm die Hand. »Ich bin Larry Douglas.«

Demiris beobachtete, wie Larrys Blick zu der Karte an der Wand wanderte. »Mein Reich«, sagte er. »Setzen Sie sich.«

Larry nahm in einem Sessel vor dem Schreibtisch Platz.

»Soviel ich weiß, haben Sie zusammen mit Ian Whitestone in der RAF gedient?«

»Ja.«

Demiris lehnte sich in seinem Sessel zurück und studierte Larry. »Ian hat eine sehr hohe Meinung von Ihnen.«