Larry lächelte. »Ich habe auch eine hohe Meinung von ihm. Er ist ein hervorragender Pilot.«
»Das gleiche sagte er von Ihnen. Nur gebrauchte er das Wort >groß<.«
Wieder empfand Larry die Überraschung, die er verspürt hatte, als Whitestone ihm zum ersten Mal das Angebot unterbreitete. Offenbar hatte er Demiris eine übertriebene Schilderung von ihm gegeben, die in keinem Verhältnis zu ihrer einstigen Beziehung stand. »Ich bin gut«, sagte Larry. »Es ist mein Beruf.«
Demiris nickte. »Ich schätze Leute, die in ihrem Beruf gut sind. Wissen Sie, dass die meisten Menschen das nicht sind?«
»Darüber habe ich weder so noch so viel nachgedacht«, gestand Larry.
»Aber ich.« Er bedachte Larry mit einem frostigen Lächeln. »Das ist mein Beruf – Menschen. Die Mehrheit der Menschen hasst das, was sie tut, Mr. Douglas. Statt auf Wege zu sinnen, etwas anzufangen, was sie gern tun, bleiben sie ihr Leben lang gefangen wie hirnlose Insekten. Man findet selten einen Mann, der seine Arbeit liebt. Und wenn man einen findet, ist er fast unausweichlich ein Erfolg.«
»Ich nehme an, dass das wahr ist«, sagte Larry bescheiden.
»Sie sind kein Erfolg.«
Larry sah Demiris plötzlich wachsam an. »Das hängt davon ab, was Sie mit Erfolg meinen, Mr. Demiris«, sagte er vorsichtig.
»Ich meine damit«, sagte Demiris unverblümt, »dass Sie sich im Krieg hervorragend bewährt, dass Sie jedoch im Frieden nicht sehr gut abgeschnitten haben.«
Larry spürte, wie sich seine Kiefermuskeln spannten. Er fühlte sich herausgefordert und versuchte, seinen Ärger zu unterdrücken. Sein Verstand arbeitete wie rasend und suchte nach einer Antwort, welche ihm diese Stellung rettete, die er so dringend brauchte. Demiris beobachtete ihn, seine dunkelgrünen Augen, denen nichts entging, musterten ihn.
»Was wurde aus Ihrer Stellung bei der Pan American, Mr. Douglas?«
Larry gelang ein Grinsen, das er nicht empfand. »Mir gefiel der Gedanke nicht, fünfzehn Jahre herumzusitzen und darauf zu warten, dass ich Kopilot werden würde.«
»Deshalb haben Sie Ihren Vorgesetzten geschlagen.«
Larry verriet seine Überraschung. »Wer hat Ihnen das gesagt?«
»Ach, kommen Sie, Mr. Douglas«, entgegnete Demiris ungeduldig, »wenn Sie für mich arbeiten sollten, würde ich mein Leben jedes Mal, wenn ich mit Ihnen fliege, in Ihre Hände legen. Zufällig ist mir mein Leben sehr viel wert. Haben Sie wirklich geglaubt, dass ich Sie engagieren würde, ohne alles über Sie zu wissen?«
»Vermutlich nicht.«
»Sie wurden aus zwei Stellungen als Pilot entlassen, nachdem die PanAm Sie entlassen hatte«, fuhr Demiris fort. »Das ist eine schlechte Empfehlung.«
»Es hatte nichts mit meinem Können zu tun«, entgegnete Larry schroff. Wieder stieg Ärger in ihm auf. »Bei der einen Gesellschaft gingen die Geschäfte schlecht, und die andere konnte keinen Bankkredit bekommen und machte Bankrott. Ich bin ein verdammt guter Pilot.«
Demiris studierte ihn für einen Augenblick, dann lächelte er. »Das weiß ich«, sagte er. »Sie halten wohl nicht viel von Disziplin, wie?«
»Ich lasse mir nicht gern von Idioten befehlen, die weniger verstehen als ich.«
»Ich rechne damit, dass ich nicht in diese Kategorie falle«, sagte Demiris trocken.
»Solange Sie nicht beabsichtigen mir vorzuschreiben, wie ich Ihre Maschinen fliegen soll, Mr. Demiris.«
»Nein, das wäre Ihre Aufgabe. Es wäre auch Ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, dass ich zuverlässig, bequem und sicher dorthin gelange, wo ich hin will.«
Larry nickte. »Ich würde mein Bestes tun, Mr. Demiris.«
»Ich glaube es«, sagte Demiris. »Sie haben sich meine Flugzeuge angesehen?«
Larry versuchte, die Überraschung auf seinem Gesicht zu verbergen. »Ja, Sir.«
»Wie haben sie Ihnen gefallen?«
Larry konnte seine Begeisterung nicht unterdrücken. »Sie sind großartig.«
Demiris schien zufrieden zu sein. »Haben Sie schon eine Hawker Siddeley geflogen ?«
Larry zögerte einen Augenblick, schien versucht zu sein zu lügen. »Nein, Sir.«
Demiris nickte. »Glauben Sie, dass Sie es lernen werden?«
Larry grinste. »Wenn Sie jemanden haben, der zehn Minuten Zeit erübrigt.«
Demiris beugte sich in seinem Sessel vor und legte seine langen, schlanken Finger gegeneinander. »Ich könnte mir einen
Piloten suchen, der mit allen meinen Maschinen vertraut ist.«
»Das werden Sie kaum tun«, antwortete Larry, »weil Sie sich immer wieder neue Maschinen anschaffen und Sie jemand haben wollen, der jedes Flugzeug steuern kann, das Sie kaufen.«
Demiris nickte. »Sie haben recht«, bestätigte er. »Was ich suche, ist ein Pilot – der geborene Pilot -, einer, der am glücklichsten ist, wenn er fliegt.«
In diesem Augenblick war es Larry klar, dass er die Stellung hatte.
Larry wurde sich nie bewusst, wie nahe er daran gewesen war, die Stellung nicht zu bekommen. Constantin Demiris' Erfolg beruhte weitgehend auf seinem hoch entwickelten Instinkt, Schwierigkeiten vorauszuahnen, und dieser Instinkt hatte ihm so oft geholfen, dass er ihn selten missachtete. Als Ian Whitestone ihn davon unterrichtete, dass er seine Stellung aufgebe, ertönte bei Demiris eine lautlose Alarmglocke. Zum Teil beruhte das auf Whitestones Verhalten. Er verhielt sich unnatürlich und schien unsicher zu sein. Es war keine Frage des Geldes, versicherte er Demiris. Er hatte die Chance, mit seinem Schwager in Sydney ein eigenes Geschäft aufzumachen, und die musste er wahrnehmen. Dann hatte er einen anderen Piloten empfohlen.
»Er ist Amerikaner, aber wir haben zusammen in der RAF gedient. Er ist nicht nur gut, er ist hervorragend, Mr. Demiris. Ich kenne keinen besseren Flieger.«
Demiris hörte schweigend zu, als Ian Whitestone ihm die Tugenden seines Freundes pries, und versuchte, den falschen Ton auszumachen, der ihn irritierte. Schließlich kam er darauf. Whitestone übertrieb sein Lob, aber vielleicht geschah es aus Verlegenheit, weil er seine Stellung so unvermittelt aufgab.
Da Demiris ein Mann war, der nicht die geringfügigste Kleinigkeit dem Zufall überließ, führte er mehrere Telefongespräche nach verschiedenen Ländern, als Whitestone gegangen war. Noch vor dem Abend hatte er sich vergewissert, dass tatsächlich jemand Geld aufgebracht hatte, um Whitestone mit seinem Schwager in Australien ein kleines Elektronikunternehmen zu finanzieren. Er hatte mit einem Freund im britischen Luftfahrtministerium gesprochen und erhielt zwei Stunden später eine mündliche Auskunft über Larry Douglas. »Auf dem Boden war er etwas unberechenbar, aber er war ein hervorragender Flieger«, berichtete der Freund. Demiris hatte darauf mit Washington und New York telefoniert und war schnell und zuverlässig über Larrys gegenwärtige Lage informiert worden.
An der Oberfläche schien alles so zu sein, wie es sein sollte. Und dennoch empfand Constantin Demiris ein vages Unbehagen, eine Vorausahnung von Schwierigkeiten. Er hatte mit Noelle über das Problem gesprochen, erwogen, ob er Ian Whitestone vielleicht doch mehr Geld anbieten sollte, damit er bliebe. Noelle hatte ihm aufmerksam zugehört, dann aber gesagt: »Nein, lass ihn gehen, Costa. Und wenn er diesen amerikanischen Flieger so nachdrücklich empfiehlt, würde ich es mit ihm versuchen.«
Und das hatte schließlich den Ausschlag gegeben.
Von dem Augenblick an, da Noelle erfuhr, dass Larry Douglas auf dem Weg nach Athen war, konnte sie an nichts anderes mehr denken. Sie dachte an all die Jahre, die es gedauert hatte, das sorgfältige und geduldige Planen, das langsame, unausweichliche Zusammenziehen des Netzes, und sie war überzeugt, Constantin Demiris wäre stolz auf sie gewesen, wenn er etwas davon gewusst hätte. Es war Ironie, dachte Noelle. Wenn sie Larry niemals begegnet wäre, hätte sie mit Demiris glücklich sein können. Sie ergänzten einander vollkommen. Beide liebten sie die Macht, und beide wussten sie zu gebrauchen. Sie standen über gewöhnlichen Menschen. Sie waren Götter, zum Herrschen geschaffen. In letzter Konsequenz konnten sie niemals verlieren, denn sie besaßen eine tiefe, beinahe mystische Geduld. Sie konnten ewig warten. Und nun war für Noelle das Warten vorüber.