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Noelle verbrachte den Tag im Garten in der Hängematte und überdachte ihren Plan, und als die Sonne im Westen zu sinken begann, war sie zufrieden. In gewisser Weise, dachte sie, war es bedauerlich, dass ein so großer Teil der vergangenen sechs Jahre von ihren Racheplänen ausgefüllt war. Sie hatten fast jeden ihrer wachen Augenblicke geleitet, ihrem Leben Vitalität und Auftrieb und Spannung verliehen, und jetzt würde in wenigen Wochen der Kampf sein Ende finden.

In diesem Augenblick, als Noelle in der untergehenden griechischen Sonne lag und die Spätnachmittagsbrise den stillen grünen Park abzukühlen begann, ahnte sie nicht, dass er gerade erst begann.

In der Nacht vor Larrys Ankunft hatte Noelle nicht schlafen können. Die ganze Zeit über hatte sie wach gelegen, hatte an Paris gedacht und den Mann, der ihr die Gabe des Lachens gegeben und ihr wieder genommen hatte ... spürte Larrys Baby in ihrem Leib, das ihren Körper genauso besaß, wie sein Vater ihren Verstand besessen hielt. Sie erinnerte sich an den Nachmittag in der düsteren Pariser Wohnung und ihrer Todespein, wie sich der spitze Drahtbügel in ihr Fleisch bohrte, tiefer und tiefer, bis er das Baby zerfleischte und sie mit süßem, unerträglichem Schmerz in eine hysterische Raserei trieb, und die endlosen Ströme Blut, die sich aus ihr ergossen. Sie erinnerte sich an all dies und durchlebte es noch einmal ... den Schmerz, die Todespein und den Hass ...

Um fünf Uhr morgens war Noelle auf und angezogen, saß in ihrem Zimmer und blickte auf den riesigen Feuerball hinaus, der über dem Ägäischen Meer aufstieg. Das erinnerte sie an einen anderen Morgen in Paris, an dem sie früh aufgestanden war und sich angezogen hatte und auf Larry wartete – nur würde er dieses Mal kommen. Weil sie dafür gesorgt hatte, dass er kommen musste. So wie Noelle ihn früher benötigt hatte, so benötigte er jetzt sie, auch wenn er noch nichts davon wusste.

Demiris schickte eine Nachricht in ihre Zimmer hinauf, dass er gern mit ihr frühstücken würde, aber sie war zu erregt, und sie fürchtete, dass ihre Stimmung seine Neugier wecken könnte. Längst hatte sie erkannt, dass Demiris die Empfindsamkeit einer Katze besaß: Ihm entging nichts. Wieder ermahnte Noelle sich, vorsichtig zu sein. Sie wollte mit Larry selbst auf ihre Weise abrechnen. Sie hatte lange und intensiv darüber nachgedacht, dass sie Constantin Demiris als unwissentliches Werkzeug benutzte. Falls er es je entdecken sollte, würde ihm das nicht behagen.

Noelle trank eine halbe Tasse des starken griechischen Kaffees und aß ein halbes frisches Brötchen. Sie hatte keinen Appetit. Ihre Gedanken beschäftigten sich fieberhaft mit der Begegnung, die in wenigen Stunden stattfinden würde. Sie hatte ungewöhnliche Sorgfalt für ihr Make-up und die Wahl ihres Kleides aufgewendet, und sie wusste, dass sie schön war.

Kurz nach elf hörte Noelle die Limousine vor dem Haus vorfahren. Sie atmete tief ein, um ihre Nervosität zu beherrschen, und ging dann langsam zum Fenster. Larry Douglas stieg aus dem Wagen. Noelle beobachtete ihn, als er auf die Haustür zuging, und es war, als ob der Lauf der Jahre verschwände und sie beide wieder in Paris wären. Larry wirkte gereifter, und der Krieg und das Leben hatten seinem Gesicht neue Linien hinzugefügt, aber sie machten ihn nur noch anziehender, als er gewesen war. Als Noelle ihn aus zehn Meter Entfernung durch das Fenster sah, spürte sie wieder die animalische Anziehung, fühlte die alte Begierde, und als sie in ihr aufwallte, vermischte sie sich mit dem Hass und erfüllte sie mit einem Gefühlsrausch, der nahezu einer Klimax gleichkam. Sie warf einen letzten schnellen Blick in den Spiegel und ging dann nach unten, um dem Mann zu begegnen, den sie vernichten wollte.

Während Noelle die Stufen hinunter schritt, fragte sie sich, wie Larry reagieren würde, wenn er sie sah. Hatte er vor seinen Freunden und vielleicht sogar vor seiner Frau damit geprahlt, dass Noelle Page ihn einst geliebt hatte? Sie fragte sich, wie schon Hunderte von Malen zuvor, ob er den Zauber dieser Tage und Nächte, die sie gemeinsam in Paris verbrachten, je wieder durchlebt hatte, und ob er bedauerte, was er ihr angetan hatte. Wie musste es an seiner Seele gezehrt haben, dass Noelle international berühmt geworden war und sein eigenes Leben aus einer Reihe kleiner Versager bestand! Noelle wollte etwas davon jetzt in Larrys Augen erkennen, wenn sie zum ersten Male seit beinahe sieben Jahren einander gegenübertraten.

Noelle hatte die Empfangshalle erreicht, als sich die Vordertür öffnete und der Butler ihn hereinführte. Larry starrte beeindruckt in die riesige Halle, ehe er sich umdrehte und Noelle sah. Er blickte sie lange und mit dem Ausdruck der Bewunderung für eine schöne Frau an. »Guten Tag«, sagte er höflich. »Ich bin Larry Douglas. Ich habe eine Verabredung mit Mr. Demiris.«

Sein Gesicht spiegelte kein Anzeichen des Erkennens wider. Nicht das geringste.

Auf der Fahrt zum Hotel durch die Straßen Athens war Catherine benommen von der Fülle der Ruinen und Monumente, die sie überall erblickte. Vor sich hatte sie den atemberaubenden Anblick des weißmarmornen Parthenon hoch oben auf der Akropolis. Überall waren Hotels und Bürohäuser, doch auf eine seltsame Weise erschienen die neueren Gebäude Catherine provisorisch und unbeständig, während der Parthenon unsterblich und zeitlos in die kristallklare Luft ragte.

»Imposant, nicht wahr?« Larry lächelte. »So ist die ganze Stadt. Eine einzige schöne Ruine.«

Sie kamen an einem großen Park im Zentrum der Stadt vorbei, in dessen Mitte Fontänen tanzten. Hunderte von Tischen mit grünen und orangen Pfosten säumten den Park, und der Himmel über ihnen war von blauen Sonnensegeln verdeckt.

»Das ist der Verstopfungsplatz«, erklärte Larry.

»Was?«

»Richtig heißt er Verfassungsplatz. Den ganzen Tag sitzen Leute an diesen Tischen und trinken griechischen Kaffee und lassen die Welt an sich vorüberziehen.«

Fast in jedem Block gab es Straßencafes, und an den Ecken verkauften Männer frisch gefischte Schwämme. Überall wurden Blumen feilgeboten, und die Stände waren ein Rausch leuchtend bunter Blüten.

»Die Stadt ist so weiß«, sagte Catherine. »Es blendet einen.« Die Suite im Hotel war geräumig und bezaubernd. Von ihr aus überblickte man den Syntagma-Platz im Zentrum der Stadt. Im Wohnraum standen schöne Blumen und eine große Schale mit Obst.

»Es ist herrlich, Liebling«, sagte Catherine, während sie durch die Räume ging.

Der Page hatte ihre Koffer abgestellt, und Larry gab ihm ein Trinkgeld. »Para poli«, sagte der Junge.

»Parakalo«, antwortete Larry.

Der Page ging und schloss die Tür hinter sich.

Larry ging auf Catherine zu und legte die Arme um sie. »Willkommen in Griechenland.« Er küsste sie gierig, und sie spürte die Härte seines Körpers, der sich gegen ihre Weichheit presste, und sie wusste, wie sehr er sie vermisst hatte, und war froh. Er führte sie ins Schlafzimmer.

Auf dem Frisiertisch lag ein kleines Päckchen. »Öffne es«, forderte Larry sie auf.

Ihre Finger lösten die Umhüllung, und in einer Schachtel lag ein kleiner aus Jade geschnittener Vogel. Obwohl Larry sehr beschäftigt gewesen war, hatte er daran gedacht, und Catherine war gerührt. Irgendwie war der Vogel ein Talisman, ein

Vorzeichen dafür, dass alles gut gehen würde, dass die Probleme der Vergangenheit hinter ihnen lagen.

Als sie sich liebten, sprach Catherine stumm ein kleines Dankgebet, war dankbar dafür, in den Armen ihres Mannes zu liegen, den sie so sehr liebte, in einer der erregendsten Städte der Welt zu sein, ein neues Leben zu beginnen. Dies war der alte Larry, und alle ihre Schwierigkeiten hatten ihre Ehe nur gestärkt.