Jetzt konnte ihnen nichts mehr zustoßen.
Am nächsten Morgen beauftragte Larry einen Makler, Catherine einige Wohnungen zu zeigen. Der Makler erwies sich als ein kleiner dunkler Mann mit einem kräftigen Schnurrbart. Er hieß Dimitropoulos und sprach sehr schnell in einer Sprache, die er gewiss für perfektes Englisch hielt, die aber aus griechischen Wörtern bestand, in die gelegentlich eine unverständliche englische Phrase eingeflochten war.
Catherine appellierte an sein Mitleid – ein Trick, zu dem sie in den kommenden Monaten noch oft greifen würde – und überredete ihn, sehr langsam zu sprechen, damit sie einige der englischen Wörter herauslesen und versuchen konnte, kühn zu erraten, was er meinte.
Als viertes zeigte er ihr eine helle und sonnige Vierzimmerwohnung. Sie lag, wie sie später erfuhr, im Stadtteil Kolonaki, dem eleganten Vorort von Athen, dessen Straßen von schönen Wohnhäusern und schicken Läden gesäumt wurden.
Als Larry an diesem Abend ins Hotel zurückkam, berichtete Catherine ihm von der Wohnung, und zwei Tage später zogen sie dort ein.
Larry war tagsüber fort, versuchte aber, zum Abendessen bei Catherine zu Hause zu sein. Das Abendessen wird in Athen zwischen neun und zwölf Uhr eingenommen. Zwischen zwei und fünf Uhr nachmittags macht jeder Siesta, und danach sind die Läden wieder bis in den späten Abend hinein geöffnet. Catherine war von der Stadt restlos gefesselt. An ihrem dritten
Abend in Athen brachte Larry einen Freund mit nach Hause, Graf George Pappas, einen attraktiven Griechen, ungefähr fünfundvierzig Jahre alt, groß und schlank, mit dunklem Haar und einem Schimmer von Grau an den Schläfen. Er war von einer eigentümlichen altmodischen Würde, die Catherine gefiel. Er führte sie zum Abendessen in eine kleine Taverne in der Plaka, dem alten Teil der Stadt. Die Plaka bestand aus einigen steilen Morgen Land, die im Herzen der City von Athen willkürlich zusammengeworfen worden waren, mit gewundenen Gäßchen und verfallenden, ausgetretenen Treppen, die zu winzigen Häusern aus der Zeit der Türkenherrschaft führten, als Athen nicht mehr als nur ein Dorf war. Die Plaka war ein Ort der weißgetünchten, windschiefen Häuser, des frischen Obstes und der Blumenstände, des herrlichen Dufts von im Freien geröstetem Kaffee, jaulender Katzen und lautstarker Straßenschlägereien. Die Wirkung war bezaubernd. In jeder anderen Stadt, fand Catherine, würde ein Stadtteil wie dieser zu den Slums gehören. Hier war er ein Monument.
Die Taverne, in die Graf Pappas sie führte, lag auf einer Dachterrasse, von der aus man die Stadt überblickte. Die Kellner waren in farbenfrohe Trachten gekleidet.
»Was möchten Sie gern essen?« fragte der Graf Catherine.
Ratlos studierte sie die fremde Speisekarte. »Wollen Sie nicht lieber für mich bestellen? Ich fürchte, ich würde den Wirt bestellen.«
Graf Pappas suchte ein reichhaltiges Menü, eine Vielzahl von Gerichten aus, um Catherine die Möglichkeit zu geben, alles zu probieren. Sie aßen dolmadhes, Fleischklöße in Weinlaub; musakas, eine saftige Fleischpastete mit Auberginen; stifadho, geschmorten Hasen mit Zwiebeln – Catherine wurde erst verraten, was es war, als sie die Hälfte gegessen hatte, und danach bekam sie keinen Bissen mehr hinunter – und taramo-salata, den griechischen Salat aus Kaviar mit Olivenöl und Zitrone. Der Graf bestellte dazu eine Flasche Retsina.
»Dieser Wein ist unser Nationalgetränk«, erklärte er. Er sah Catherine amüsiert zu, wie sie ihn probierte. Der Wein hatte einen herben, harzigen Geschmack, und Catherine schluckte ihn tapfer hinunter.
»Was immer ich gegessen habe«, keuchte sie, »ich glaube, dies hat mich davon geheilt.«
Während sie aßen, begannen drei Musiker, Bouzouki-Musik zu spielen. Sie war lebhaft und fröhlich und mitreißend, und sie beobachteten, wie Gäste von ihren Plätzen aufstanden und auf der Tanzfläche zu der Musik zu tanzen begannen. Catherine war erstaunt, dass nur Männer tanzten – und wie sie tanzten! Es gefiel ihr ungeheuer.
Sie verließen das Restaurant erst nach drei Uhr morgens. Der Graf brachte sie zu ihrer neuen Wohnung. »Haben Sie schon irgend etwas besichtigt?« fragte er Catherine.
»Eigentlich nicht«, gestand sie. »Ich warte darauf, dass Larry Zeit dafür hat.«
Der Graf wandte sich an Larry. »Vielleicht könnte ich Catherine einiges zeigen, bis wir gemeinsam etwas unternehmen können.«
»Das wäre großartig«, antwortete Larry. »Wenn es Ihnen nicht zu viele Umstände macht?«
»Es wäre mir ein Vergnügen«, erwiderte der Graf. Er wandte sich an Catherine. »Würden Sie mich als Führer akzeptieren?«
Sie sah ihn an und dachte an Dimitropoulos, den kleinen Wohnungsmakler, der so fließend Unverständliches sprach.
»Ich würde mich sehr freuen«, erwiderte sie aufrichtig.
Die nächsten Wochen waren faszinierend. Catherine verbrachte den Morgen damit, die Wohnung aufzuräumen, und am Nachmittag, wenn Larry fort war, holte der Graf sie ab und zeigte ihr die Sehenswürdigkeiten.
Sie fuhren nach Olympia hinaus. »Dies ist der Schauplatz der ersten olympischen Spiele«, erklärte ihr der Graf. »Sie wurden hier tausend Jahre lang regelmäßig, trotz Kriegen, Pestilenz und Hungersnöten, abgehalten.«
Catherine betrachtete bewundernd die Ruinen der großen Arena, dachte an die Erhabenheit der Wettkämpfe, die hier über die Jahrhunderte stattgefunden hatten, an die Triumphe, an die Niederlagen.
»Da redet man so viel von den Sportplätzen von Eton«, sagte sie. »Hier war es, wo der Geist der Sportlichkeit wirklich seinen Anfang nahm, oder nicht?«
Der Graf lachte. »Ich fürchte, nein«, sagte er. »Die Wahrheit ist etwas peinlich.«
Catherine blickte interessiert auf. »Warum?«
»Bei dem ersten Wagenrennen, das hier veranstaltet wurde, ist geschummelt worden.«
»Geschummelt?«
»Ich fürchte, ja«, bekannte der Graf. »Sehen Sie, da war ein reicher Fürst namens Pelops, der gegen einen Rivalen antrat. Sie entschlossen sich zu einem Wagenrennen, um zu sehen, wer der Bessere sei. In der Nacht vor dem Rennen machte sich Pelops an einem Rad des Wagens seines Rivalen zu schaffen. Als das Rennen begann, war die gesamte Bevölkerung anwesend, um ihrem Favoriten zuzujubeln. In der ersten Kurve löste sich das Rad vom Wagen des Rivalen, und der Wagen stürzte um. Pelops' Rivale verwickelte sich in den Zügeln und wurde zu Tode geschleift. Pelops fuhr weiter zum Sieg.«
»Das ist entsetzlich«, sagte Catherine. »Was hat man mit ihm gemacht?«
»Das ist wirklich das Blamabelste an der Geschichte«, antwortete Graf Pappas. »Die gesamte Bevölkerung hatte durchschaut, was Pelops getan hatte. Er wurde dadurch zu einem so großen Helden, dass einer der riesigen Giebel am Zeustempel zu Olympia ihm gewidmet wurde. Er ist noch vorhanden.« Er lächelte schief. »Ich fürchte, dieser Schurke lebte später herrlich und in Freuden. Tatsache ist«, fügte er hinzu, »dass das gesamte Gebiet südlich von Korinth nach ihm
Peloponnes genannt wurde.«
»Und dann wird behauptet, Verbrechen machten sich nicht bezahlt«, sagte Catherine.
Wenn Larry frei hatte, durchstreifte er mit Catherine zusammen die Stadt. Sie entdeckten wunderbare Geschäfte, wo sie stundenlang um Preise feilschten, und abgelegene kleine Restaurants, von denen sie Besitz ergriffen. Larry war ein fröhlicher und charmanter Gesellschafter, und Catherine war dankbar, dass sie ihre Stellung in den Vereinigten Staaten aufgegeben hatte, um mit ihrem Mann zusammen zu sein.
Larry war in seinem Leben nie glücklicher gewesen. Die Stellung bei Demiris war der Traum seines Lebens.
Die Bezahlung war gut, aber das interessierte Larry nicht. Ihn interessierten nur die herrlichen Maschinen, die er flog. Er brauchte genau eine Stunde, um die Hawker Siddeley fliegen zu lernen, und fünf weitere Flüge, um sie im Griff zu haben. Meistens flog er mit Paul Metaxas, Demiris' sorglosem kleinen griechischen Kopiloten. Metaxas war von dem plötzlichen Ausscheiden Ian Whitestones überrascht worden und sah dessen Nachfolger mit Unbehagen entgegen. Er hatte über Larry Douglas Geschichten gehört, und es gefiel ihm nicht gerade, was er gehört hatte. Douglas jedoch schien von seiner neuen Stellung wirklich begeistert zu sein, und Metaxas erkannte schon beim ersten Flug, dass Douglas ein überragender Pilot war.