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Nach und nach gab Metaxas seine Vorbehalte auf, und die beiden Männer wurden Freunde.

Wenn Larry nicht flog, studierte er die Maschinen von Demiris. Und am Ende konnte er alle besser fliegen als jeder vor ihm.

Die Vielseitigkeit seiner Aufgaben faszinierte Larry. Er flog Mitarbeiter von Demiris auf Geschäftsreisen nach Brindisi, Korfu und Rom oder holte Gäste ab und brachte sie zu einer Party auf Demiris' Insel oder zum Skilaufen in dessen Schweizer Chalet. Er gewöhnte sich daran, Leute zu fliegen, deren Bilder er ständig auf den Frontseiten der Zeitungen und Magazine sah, und erheiterte Catherine mit Geschichten über sie. Er flog den Präsidenten eines Balkanstaates, einen britischen Premierminister, einen arabischen Ölscheich mit seinem ganzen Harem. Er flog Opernsänger und eine Ballettkompanie und das Ensemble eines Broadway-Stückes zu einer einzigen Vorstellung in London aus Anlass von Demiris' Geburtstag. Er flog Richter des Supreme Court, einen Kongressabgeordneten und einen ehemaligen Präsidenten der Vereinigten Staaten. Während dieser Flüge verbrachte Larry die meiste Zeit im Cockpit, aber hin und wieder wanderte er nach hinten in die Kabine, um sich zu vergewissern, dass seine Passagiere es behaglich hatten. Manchmal hörte er Bruchstücke der Unterhaltungen von Finanzmagnaten über bevorstehende Fusionen oder Börsentransaktionen. Larry hätte aus diesen Informationen ein Vermögen machen können, aber er interessierte sich nicht dafür. Was ihn beschäftigte, waren die Flugzeuge, die er steuerte, kraftvolle und lebende Maschinen unter seiner Kontrolle.

Es dauerte zwei Monate, bis Larry Demiris selbst zum ersten Mal flog.

Sie flogen in der Piper, und Larry brachte seinen Arbeitgeber von Athen nach Dubrovnik. Es war ein wolkenreicher Tag, und entlang der Route waren stürmische Winde und Regenböen gemeldet worden. Larry hatte sorgfältig den am wenigsten stürmischen Kurs ermittelt, aber die Luft war so voller Turbulenzen, dass er ihnen unmöglich ganz ausweichen konnte.

Eine Stunde nachdem sie Athen verlassen hatten, ließ Larry das Signal »Anschnallen« aufleuchten und sagte zu Metaxas: »Pass' auf, Paul, das kann uns unseren Job kosten.«

Zu Larrys Überraschung erschien Demiris im Cockpit. »Darf ich Ihnen Gesellschaft leisten?« fragte er.

»Sie sind der Chef«, antwortete Larry. »Es wird sehr stürmisch werden.«

Metaxas überließ seinen Sitz Demiris, und Demiris schnallte sich an. Larry wäre es lieber gewesen, wenn der Kopilot für den Notfall neben ihm gesessen hätte, aber das Flugzeug gehörte Demiris.

Der Sturm dauerte annähernd zwei Stunden. Larry umging den riesigen Wolkenberg, der sich vor ihnen herrlich weiß und tödlich auftürmte.

»Wunderschön«, meinte Demiris dazu.

»Das sind Mörder«, sagte Larry. »Kumulus. Sie erscheinen so hübsch und schaumig, weil in ihnen Luftströmungen herrschen, die nach oben steigen. Das Innere dieser Wolken kann ein Flugzeug innerhalb von zehn Sekunden zerreißen. Man kann in weniger als einer Minute tausend Meter steigen oder fallen, ohne die Kontrolle über die Maschine zu haben.«

»Ich bin überzeugt, dass Ihnen das nicht passieren wird«, sagte Demiris gelassen.

Die Winde packten das Flugzeug und versuchten, es über den Himmel zu fegen, aber Larry kämpfte darum, es unter Kontrolle zu behalten. Er vergaß die Anwesenheit von Demiris, konzentrierte sich ganz auf die Maschine, die er flog, nutzte jede Erfahrung, die er je gesammelt hatte. Schließlich war die Maschine aus dem Sturm heraus. Larry drehte sich schweißgebadet um und stellte fest, dass Demiris das Cockpit verlassen hatte. Metaxas saß in dem Sitz des Kopiloten.

»Das war ein miserabler erster Flug für ihn, Paul«, sagte Larry. »Ich könnte Ärger bekommen.«

Er rollte auf dem kleinen, von Bergen gesäumten Flugplatz von Dubrovnik aus, als Demiris unter der Tür zum Cockpit erschien.

»Sie hatten recht«, sagte Demiris zu Larry. »Sie sind sehr gut in Ihrem Beruf. Ich bin zufrieden.«

Und Demiris war verschwunden.

Eines Morgens, als Larry sich zu einem Flug nach Marokko bereit machte, rief Graf Pappas an und schlug vor, mit Catherine eine Fahrt über Land zu machen. Larry bestand darauf, dass sie zusagte. »Bist du denn nicht eifersüchtig?« fragte sie.

»Auf den Grafen?« Larry lachte.

Und plötzlich ging Catherine ein Licht auf. In der ganzen Zeit, in der sie mit dem Grafen zusammen gewesen war, hatte er ihr nicht ein einziges Mal Avancen gemacht oder ihr einen anzüglichen Blick zugeworfen. »Ist er homosexuell?« fragte sie.

Larry nickte. »Das ist der Grund, weshalb ich dich seiner liebevollen Fürsorge überlassen habe.«

Der Graf holte Catherine frühzeitig ab, und sie fuhren nach Süden, der weiten Ebene von Thessalien entgegen. Schwarzgekleidete Frauen wanderten die Straßen entlang, tief gebeugt unter den Holzlasten, die sie sich auf den Rücken geschnallt hatten.

»Warum leisten die Männer nicht die schwere Arbeit?« fragte Catherine.

Der Graf warf ihr einen amüsierten Blick zu.

»Das wollen die Frauen nicht«, erwiderte er. »Ihre Männer sollen in der Nacht frisch für andere Dinge sein.«

Eine Lektion für uns alle, dachte Catherine gequält.

Am späten Nachmittag näherten sie sich dem drohend aussehenden Pindos-Gebirge, dessen zerklüftete Felsen hoch in den Himmel ragten. Die Straße wurde durch eine Schafherde blockiert, die von einem Schäfer und einem zottigen Hund bewacht wurde. Graf Pappas hielt an, um zu warten, bis die Schafe die Straße freigaben. Verwundert beobachtete Catherine den Hirtenhund, der nach den Fesseln ausbrechender Schafe schnappte, sie in der Herde hielt und in die Richtung zwang, in der er sie haben wollte.

»Dieser Hund ist beinahe menschlich«, rief Catherine verwundert aus.

Der Graf sah sie nur kurz an. In seinem Blick lag etwas, was sie nicht verstand.

»Was ist denn?« fragte sie.

Der Graf zögerte. »Es ist eine recht unerfreuliche Geschichte.«

»Ich bin schließlich erwachsen.«

Der Graf sagte: »Dies hier ist eine wilde Gegend. Das Land ist felsig und ungastlich. Im besten Fall sind die Ernten dürftig, und wenn das Wetter schlecht war, gibt es überhaupt keine Ernte, aber dafür viel Hunger.« Seine Stimme verklang.

»Erzählen Sie weiter«, drängte Catherine.

»Vor einigen Jahren herrschte hier ein schwerer Sturm, und die Ernte wurde vernichtet. Es gab für alle nur sehr wenig zu essen. Im ganzen Gebiet wurden die Hirtenhunde rebellisch. Sie verließen die Höfe, zu denen sie gehörten, und rotteten sich in großen Rudeln zusammen.« Als er weiter sprach, versuchte er, das Entsetzen aus seiner Stimme zu verbannen. »Sie begannen die Höfe anzugreifen.«

»Und töteten die Schafe?« fragte Catherine beklommen.

Er schwieg kurz, ehe er antwortete. »Nein. Sie töteten ihre Herren. Und fraßen sie auf.«

Catherine starrte ihn tief schockiert an.

»Man musste aus Athen Truppen entsenden, um die menschliche Herrschaft hier wiederherzustellen. Es dauerte beinahe einen Monat.«

»Wie grässlich.«

»Der Hunger löst entsetzliche Dinge aus«, sagte Graf Pappas ruhig.

Die Schafe hatten jetzt die Straße geräumt. Catherine sah noch einmal zu dem Hirtenhund hinüber und schauderte.

Im Laufe der Wochen begannen für Catherine die Dinge, die ihr so fremd und seltsam erschienen waren, vertraut zu werden. Sie fand die Menschen offen und freundlich. Sie wusste bald, wo sie ihre Besorgungen machen und wo sie in der Voukou-restiou-Straße ihre Kleider kaufen konnte. Griechenland war ein Wunder an organisierter Untüchtigkeit, und das musste man hinnehmen und genießen. Niemand hatte es eilig, und wenn man jemanden nach der Richtung fragte, konnte man sicher sein, dass er einen dahin brachte, wohin man wollte. Oder wenn man ihn fragte, wie weit es sei, antwortete er vielleicht: »Enos sigarou dromos.« Catherine lernte, dass das »Eine Zigarettenlänge weit« hieß. Sie wanderte durch die Straßen und erforschte die Stadt und trank den warmen, dunklen Wein des griechischen Sommers.