Wenn nicht die blonde Hure, Demiris' Geliebte, gewesen wäre.
Larry hatte nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür, weshalb Noelle Page ihn verabscheute, aber was es auch war, es gefährdete seine Existenz. Larry hatte versucht, höflich, gleichgültig und freundlich zu sein, doch jedes Mal war es Noelle Page gelungen, ihn als Dummkopf hinzustellen. Larry wusste, dass er zu Demiris gehen konnte, aber er machte sich keine Illusionen darüber, was geschehen würde, wenn es zu einer Wahl zwischen ihm und Noelle kommen sollte. Zweimal hatte er mit Paul Metaxas ausgemacht, er solle Noelles Flüge übernehmen, doch kurz vor jedem Flug hatte Demiris' Sekretärin ihn angerufen und ihm mitgeteilt, Mr. Demiris wünsche, dass Larry selbst die Maschine steuere.
An einem frühen Morgen Ende November bekam Larry einen Anruf, dass er Noelle Page am Nachmittag nach Amsterdam fliegen solle. Larry setzte sich mit dem Flughafen in Verbindung und erhielt einen negativen Bericht über das Wetter in Amsterdam. Nebel beginne aufzukommen, und am Nachmittag rechne man mit einer Sichtweite gleich Null. Larry rief Demiris' Sekretärin an, um ihr mitzuteilen, dass es unmöglich sei, an diesem Tag nach Amsterdam zu fliegen. Die Sekretärin sagte, sie würde zurückrufen. Fünfzehn Minuten später war sie am Telefon, um zu sagen, Miss Page würde um vierzehn Uhr startbereit auf dem Flughafen sein. Larry setzte sich wieder mit dem Flughafen in Verbindung, denn inzwischen konnte eine Wetterbesserung eingetreten sein, aber er erhielt denselben Bescheid.
»Lieber Himmel!« rief Paul Metaxas aus. »Die muss es aber verdammt eilig haben, nach Amsterdam zu kommen.«
Larry hatte jedoch das Gefühl, dass es gar nicht um Amsterdam ginge. Es war ein Zweikampf des Willens zwischen ihnen beiden. Von ihm aus konnte Noelle Page an einem Berggipfel zerschellen und ab mit Schaden, aber Larry wollte verdammt sein, wenn er dieser dummen Hure wegen seinen Hals riskierte. Er versuchte, Demiris ans Telefon zu bekommen und mit ihm zu sprechen, doch Demiris war in einer Sitzung und nicht zu erreichen. Larry warf den Hörer auf die Gabel, kochend vor Wut. Jetzt blieb ihm keine andere Wahl, als zum Flughafen zu fahren und zu versuchen, seinem Passagier den Flug auszureden. Er traf um 13.30 Uhr auf dem Flughafen ein. Um fünfzehn Uhr war Noelle Page immer noch nicht erschienen. »Wahrscheinlich hat sie es sich überlegt«, meinte Metaxas.
Aber Larry wusste es besser. Je mehr Zeit verstrich, um so wütender wurde er, bis ihm klar wurde, dass dies ihre Absicht war. Sie versuchte, ihn zu einer unüberlegten Handlung zu treiben, die ihn seine Stellung kosten würde. Larry war im
Flughafengebäude und sprach mit dem Manager des Flughafens, als Demiris' wohlbekannter grauer Rolls vorfuhr und Noelle Page ausstieg. Larry ging zu ihr hinaus.
»Ich fürchte, aus dem Flug wird nichts, Miss Page«, sagte er und bemühte sich, seine Stimme ausdruckslos klingen zu lassen. »Der Flughafen von Amsterdam liegt in dichtem Nebel.«
Noelle sah an Larry vorbei, als ob er nicht existierte, und sagte zu Paul Metaxas: »Die Maschine ist doch mit automatischen Landegeräten ausgerüstet, oder nicht?«
»Doch, das ist sie«, antwortete Metaxas verlegen.
»Ich bin wirklich überrascht«, sagte sie darauf, »dass Mr. Demiris einen Piloten engagiert hat, der ein Feigling ist. Ich werde mit ihm darüber sprechen.«
Noelle drehte sich um und ging zum Flugzeug. Metaxas blickte ihr nach und sagte: »Mein Gott! Ich weiß nicht, was in sie gefahren ist.
So hat sie sich noch nie benommen. Es tut mir leid, Larry.« Larry sah Noelle nach, während sie über das Flugfeld ging. Ihr blondes Haar wehte im Wind. Nie in seinem Leben hatte er einen Menschen so sehr gehasst.
Metaxas beobachtete ihn. »Fliegen wir?« fragte er.
»Wir fliegen.«
Der Kopilot stieß einen tiefen, bedeutungsvollen Seufzer aus, und die beiden Männer gingen langsam zu der Maschine.
Noelle Page saß in der Kabine und blätterte gelassen in einer Modezeitschrift, als die beiden in das Flugzeug kamen. Larry starrte sie einen Augenblick an. Er war so wutgeladen, dass er sich zu sprechen fürchtete. Er ging ins Cockpit und begann mit den Überprüfungen vor dem Start.
Zehn Minuten später bekam er vom Turm die Freigabe für den Start, und die Maschine hob ab nach Amsterdam.
Die erste Hälfte des Flugs verlief ereignislos. Die Schweiz lag schneebedeckt unter ihnen. Als sie über Deutschland waren, brach die Dämmerung herein. Larry funkte Amsterdam um eine Wettermeldung an. Von dort wurde gemeldet, dass von der Nordsee Nebel hereinwehe und dichter werde. Er verfluchte sein Pech. Wenn der Wind gewechselt und den Nebel vertrieben hätte, wäre sein Problem gelöst gewesen, doch jetzt musste er sich entschließen, ob er in Amsterdam eine Instrumentenlandung wagen oder einen anderen Flughafen anfliegen sollte. Er fühlte sich versucht, nach hinten zu gehen und mit seinem Passagier darüber zu sprechen, doch er konnte den verächtlichen Ausdruck auf ihrem Gesicht vor sich sehen.
»Sonderflug eins-null-neun, geben Sie bitte Ihren Flugplan bekannt.« Das war der Tower von München. Larry musste schnell eine Entscheidung treffen. Er konnte immer noch in Brüssel, Köln oder Luxemburg landen.
Oder in Amsterdam.
Wieder meldete sich knarrend die Stimme: »Sonderflug eins-null-neun, geben Sie bitte Ihren Flugplan bekannt.«
Larry schaltete auf Sprechen um. »Sonderflug eins-null-neun an Tower München. Wir fliegen nach Amsterdam.« Er kippte den Schalter zurück und merkte, dass Metaxas ihn beobachtete.
»Mein Gott, ich hätte doch meine Lebensversicherung verdoppeln sollen«, sagte Metaxas. »Glaubst du wirklich, dass wir es schaffen?«
»Wenn du es ganz genau wissen willst«, entgegnete Larry verbittert, »es ist mir scheißegal.«
»Großartig. Ich bin in einem Flugzeug mit zwei komplett Verrückten!« stöhnte Metaxas.
In der nächsten Stunde wurde Larry völlig vom Steuern des Flugzeugs beansprucht. Kommentarlos hörte er die laufenden Wettermeldungen ab. Er hoffte immer noch, dass der Wind seine Richtung ändern würde, aber als er noch dreißig Minuten von Amsterdam entfernt war, lautete der Wetterbericht immer noch gleich. Dichter Nebel. Der Flughafen war für jeden Verkehr geschlossen, außer für Notfälle. Larry nahm Kontakt
mit dem Kontrollturm in Amsterdam auf. »Sonderflug eins-null-neun an Tower Amsterdam. Nähern uns Flughafen von 75 Meilen ostwärts Köln, ETA neunzehnhundert.«
Beinahe augenblicklich antwortete eine knarrende Stimme über das Funkgerät. »Tower Amsterdam an Sonderflug eins-null-neun. Unser Flughafen ist geschlossen. Empfehlen Ihnen Rückkehr nach Köln oder Landung in Brüssel.«
Larry sprach in das Handmikrofon: »Sonderflug eins-null-neun an Tower Amsterdam. Negativ. Wir sind in Notlage.«
Metaxas drehte sich überrascht zu ihm um.
Eine andere Stimme meldete sich im Funkgerät. »Sonderflug eins-null-neun, hier Operationschef Flughafen Amsterdam. Wir sind völlig eingenebelt. Sicht gleich Null, wiederhole: Sicht gleich Null. Worin besteht Ihre Notlage?«
»Unser Treibstoff geht zur Neige«, antwortete Larry. »Wir haben kaum genug, Amsterdam zu erreichen.«