Doch was hatte das schon zu besagen?
Nach einem Rückflug von Marokko lud Larry Helena zum Abendessen ein und verbrachte die Nacht in ihrer Wohnung.
Am Morgen fuhr er zum Flughafen hinaus, um seine Maschine zu inspizieren. Er aß mit Paul Metaxas zu Mittag.
»Du siehst aus, als hättest du den Hauptgewinn gezogen«, sagte Metaxas. »Kannst du mir nicht was davon abgeben?«
»Junge«, antwortete Larry grinsend, »du würdest nicht damit zu Rande kommen. Dazu muss man Meister in dem Fach sein.«
Die gemeinsame Mahlzeit verlief angenehm, und danach fuhr Larry in die Stadt zurück, um Helena abzuholen, die ihn auf dem bevorstehenden Flug begleiten sollte.
Er klopfte an der Tür ihrer Wohnung, und nach langer Zeit öffnete Helena vorsichtig. Sie war nackt. Larry starrte sie an, erkannte sie zuerst fast nicht. Ihr Gesicht und ihr Körper waren eine Ansammlung böser Schrammen und geröteter Schwellungen. Ihre Augen waren schmerzende Schlitze. Sie war von einem Profi zusammengeschlagen worden.
»Mein Gott, was ist passiert?« rief Larry entsetzt.
Helena öffnete den Mund, und Larry sah, dass ihr drei der oberen Vorderzähne ausgeschlagen worden waren. »Z-zwei Männer«, stammelte sie. »Sie kamen gleich, nachdem du fort warst.«
»Hast du nicht die Polizei gerufen?« fragte Larry fassungslos.
»Sie – sie haben gesagt, sie würden mich umbringen, wenn ich sie verriete. Sie meinten es ernst, Larry.« Sie war unter einem schweren Schock und stützte sich an der Tür.
»Haben sie dich beraubt?«
»N-nein. Sie dr-drangen hier ein und vergewaltigten mich und dann – dann schlugen sie mich zusammen.«
»Zieh dir etwas an«, befahl er. »Ich bringe dich ins Krankenhaus.«
»Ich kann – ich kann doch nicht auf die Straße mit meinem Gesicht«, stammelte sie.
Selbstverständlich hatte sie recht. Larry telefonierte mit einem befreundeten Arzt und bat ihn herzukommen.
»Es tut mir leid, aber ich kann nicht bleiben«, erklärte er Helena. »Ich muss mit Demiris in einer halben Stunde abfliegen. Ich komme zu dir, sobald ich wieder zurück bin.«
Aber er sah sie nie wieder. Als Larry zwei Tage später zurückkam, stand die Wohnung leer, und die Wirtin sagte ihm, die junge Dame sei ausgezogen, ohne eine neue Adresse zu hinterlassen. Selbst dann argwöhnte Larry die Wahrheit noch nicht. Erst einige Nächte später, als er bei Noelle war und sie liebte, erhielt er einen Hinweis darauf, was geschehen war.
»Du bist so gottverdammt phantastisch«, sagte er. »Ich habe noch nie jemanden wie dich kennen gelernt.«
»Gebe ich dir alles, was du dir wünschst?« fragte sie.
»Ja«, stöhnte er. »Oh, mein Gott, ja.«
Noelle hielt in ihrem Tun inne. »Dann schlafe niemals mit einer anderen Frau«, sagte sie leise. »Das nächste Mal bringe ich sie um.«
Larry erinnerte sich ihrer Worte: Du gehörst mir. Plötzlich nahmen sie eine neue, drohende Bedeutung an. Zum ersten Mal hatte er eine Vorahnung, dass dies keine gelegentliche nächtliche Affäre sei, die er jederzeit abbrechen könne, wenn ihm danach zumute war. Er spürte das kalte, tödliche, ungreifbare Zentrum in Noelle Page, und ein Schauer von Furcht überlief ihn. Während dieser Nacht setzte er ein halbes Dutzend Mal dazu an, das Gespräch auf Helena zu bringen, doch jedes Mal hielt er sich zurück aus Furcht vor dem Wissen, aus Furcht, es in Worte zu kleiden, ganz als ob Worte mehr Gewalt hätten als die Tat selbst. Wenn Noelle dazu fähig war ...
Beim Frühstück am nächsten Morgen beobachtete er Noelle insgeheim, suchte nach Anzeichen von Grausamkeit, Sadismus, doch alles, was er sah, war eine liebende, schöne Frau, die ihm amüsante Anekdoten erzählte, jeden seiner Wünsche erriet und erfüllte. Ich muss mich in ihr täuschen, dachte er. Doch danach wich er vorsichtig allen Verabredungen mit Mädchen aus, und nach wenigen Wochen hatte er jedes Verlangen danach verloren, weil er von Noelle vollkommen besessen war.
Von Anfang an wies Noelle Larry darauf hin, dass sie ihre Affäre vor Constantin Demiris unbedingt geheim halten müssten.
»Nie darf der geringste Schatten eines Verdachts auf uns fallen«, schärfte Noelle ihm ein.
»Warum soll ich mir nicht ein Apartment mieten?« schlug Larry vor. »Einen Ort, an dem wir ...«
Noelle schüttelte den Kopf. »Nicht in Athen. Irgend jemand würde mich erkennen. Lass mich darüber nachdenken.«
Zwei Tage später schickte Demiris nach Larry. Zunächst war Larry beunruhigt, fragte sich, ob der griechische Magnat etwas über Noelle und ihn in Erfahrung gebracht hätte, aber Demiris begrüßte ihn freundlich und begann mit ihm ein Gespräch über ein neues Flugzeug, dessen Kauf er erwog.
»Es ist ein umgebauter Mitchell-Bomber«, erläuterte Demi-ris. »Ich möchte, dass Sie ihn sich ansehen.«
Larrys Gesicht leuchtete auf. »Das ist ein großartiges Flugzeug«, sagte er. »Durch sein Gewicht und seine Größe ist es das komfortabelste Flugzeug, das Sie bekommen können.«
»Wie viel Passagiere kann es befördern?«
Larry dachte einen Augenblick nach. »Mit allem Luxus neun. Dazu der Pilot, ein Navigator und ein Bordmechaniker. Die Maschine macht vierhundertachtzig Meilen in der Stunde.«
»Das klingt recht interessant. Wollen Sie sie für mich überprüfen und mir dann berichten?«
»Ich kann es kaum erwarten.« Larry grinste vergnügt.
Demiris erhob sich. »Übrigens, Douglas. Miss Page will morgen früh nach Berlin. Ich wünsche, dass Sie sie hinfliegen.«
»Jawohl, Sir«, antwortete Larry und fügte dann arglos hinzu: »Hat Miss Page Ihnen berichtet, dass wir etwas besser miteinander auskommen?«
Demiris blickte auf. »Nein«, antwortete er überrascht. »Tatsache ist, dass sie sich erst heute morgen bei mir über Ihre Überheblichkeit beschwerte.«
Larry starrte ihn erschrocken an, doch dann begriff er und versuchte schnell, seinen Fehler zu kaschieren. »Ich gebe mir Mühe, Mr. Demiris«, sagte er ernst. »Ich werde mir noch mehr Mühe geben.«
Demiris nickte. »Tun Sie das. Sie sind der beste Pilot, den ich je hatte, und es wäre zu bedauerlich, wenn ...« Er verstummte, aber das, was er sagen wollte, war eindeutig.
Auf der Fahrt nach Hause machte Larry sich die größten Vorwürfe. Er sollte lieber daran denken, dass er jetzt in der höchsten Liga spielte. Noelle war klug genug gewesen zu erkennen, dass jede plötzliche Änderung in ihrer Einstellung gegenüber Larry Demiris misstrauisch machen würde. Das bisherige Verhältnis zwischen ihnen beiden war eine perfekte Tarnung für das, was sie taten. Demiris versuchte, sie einander näher zu bringen. Der Gedanke ließ Larry laut auflachen. Es war ein gutes Gefühl zu wissen, dass er etwas besaß, wovon einer der mächtigsten Männer der Welt glaubte, dass es ihm gehöre.
Auf dem Flug nach Berlin übergab Larry das Steuer an Paul Metaxas und sagte ihm, er gehe in die Kabine, um mit Noelle Page zu sprechen.
»Hast du keine Angst, dass dir der Kopf abgerissen wird?« fragte Metaxas.
Larry zögerte. Er fühlte sich versucht zu prahlen, unterdrückte diesen Impuls aber. »Sie ist ein Erzluder«, sagte er schulterzuckend. »Aber wenn ich keinen Weg finde, um sie zugänglicher zu machen, könnte ich leicht einmal auf dem Hintern landen.«
»Viel Glück«, wünschte Metaxas nüchtern.
»Danke.«
Larry schloss sorgfältig die Tür zum Cockpit hinter sich und ging in den Salon, wo Noelle saß. Die beiden Stewardessen befanden sich im hinteren Teil der Maschine. Larry wollte sich Noelle gegenüber setzen.
»Sei vorsichtig«, warnte sie leise. »Jeder, der bei Constantin arbeitet, liefert ihm Berichte.«
Larry blickte zu den Stewardessen hinüber und dachte an Helena.
»Ich habe etwas für uns gefunden«, sagte Noelle. Ihr Ton war freudig erregt.
»Ein Apartment?«
»Ein Haus. Weißt du, wo Rafina liegt?«