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Noelle schien es, dass alles, was sie in ihrem Leben erreicht hatte, durch Hass errungen worden war. Der Betrug ihres Vaters hatte sie geformt und gebildet, zäh gemacht und gehärtet, mit Rachsucht erfüllt, die durch nichts Geringeres als ein eigenes Königreich, in dem sie allmächtig war, in dem sie nie wieder betrogen werden, nie wieder verletzt werden konnte, zu befriedigen war. Das hatte sie schließlich erreicht. Und jetzt war sie bereit, alles für diesen Mann aufzugeben. Weil sie jetzt wusste, dass sie sich nie etwas anderes gewünscht hatte, als dass Larry sie brauchte, sie liebte. Und endlich brauchte und liebte er sie. Und das war schließlich ihr wahres Königreich.

Noelle und Catherine

Athen 1946

Für Larry und Noelle waren die nächsten drei Monate eine jener seltenen idyllischen Perioden, in denen alles glatt geht, alles stimmt, eine magische Zeit des Treibens von einem wundervollen Tag zum nächsten, ohne die geringste Wolke am Horizont. Larry tat in seiner Arbeitszeit das, was er liebte: Er flog. Und jedes Mal, wenn er freie Zeit hatte, verbrachte er einen Tag oder ein Wochenende oder eine Woche mit Noelle in der Villa in Rafina. Anfangs hatte Larry befürchtet, dieses Übereinkommen würde zu einem Mühlstein werden, der ihn in jene Art Häuslichkeit hinab zöge, die er verabscheute, doch jedes Mal, wenn er Noelle sah, war er entzückter, und er begann, sich begierig auf die Stunden zu freuen, die er mit ihr verbringen konnte. Als sie einmal ein Wochenende absagen musste, weil sie Demiris unerwartet auf eine Reise begleitete, blieb Larry allein in der Villa und war wütend und eifersüchtig und stellte sich Noelle und Demiris zusammen vor. Als er Noelle an dem darauf folgenden Wochenende sah, war sie von seinem Ungestüm überrascht und erfreut.

»Du hast mich vermisst«, sagte sie.

Er nickte. »Sehr.«

»Gut.«

»Was macht Demiris?«

Sie zögerte einen Augenblick. »Alles in Ordnung.«

Larry hatte ihr Zögern bemerkt. »Was ist?«

»Ich dachte an etwas, was du gesagt hast.«

»Was denn?«

»Du hast gesagt, dass du es hasst, dich wie ein Verbrecher zu verkriechen. Ich hasse es auch. In jedem Augenblick, in dem ich mit Demiris zusammen war, wollte ich mit dir Zusammensein. Ich habe dir einmal gesagt, Larry, dass ich dich ganz für

mich haben will. Das meinte ich im Ernst. Ich will dich mit niemandem teilen. Ich will, dass du mich heiratest.«

Er starrte sie überrascht an. Darauf war er nicht gefasst gewesen. Noelle beobachtete ihn. »Willst du mich heiraten?«

»Das weißt du doch. Aber wie? Du sagst mir ständig, was Demiris tun wird, wenn er hinter unser Geheimnis kommt.«

Sie schüttelte den Kopf. »Er wird nicht dahinter kommen. Nicht, wenn wir schlau sind und es richtig planen. Ich bin nicht sein Eigentum. Ich werde ihn verlassen. Dagegen kann er nichts unternehmen. Er ist zu stolz, als dass er versuchen würde, mich zurückzuhalten. Ein oder zwei Monate später gibst du deine Stellung auf. Wir gehen irgendwohin, getrennt, in die Vereinigten Staaten vielleicht. Dort können wir heiraten. Ich habe mehr Geld, als wir je brauchen werden. Ich kaufe dir ein Charterunternehmen oder eine Fliegerschule oder was du haben willst.«

Er stand vor ihr und hörte ihr zu, wog ab, was er aufgeben sollte, gegen das, was er gewinnen würde. Und was gab er schon auf? Einen kümmerlichen Job als Pilot. Der Gedanke, eigene Flugzeuge zu besitzen, ließ ihn erschauern. Er konnte eine eigene umgebaute Mitchell besitzen. Oder vielleicht eine neue DC-6, die gerade herausgekommen war. Vier Motoren, fünfundachtzig Passagiere. Und Noelle, ja, er wollte Noelle haben. Mein Gott, warum zögerte er überhaupt noch?

»Und was wird aus meiner Frau?« fragte er.

»Sag ihr, dass du dich von ihr scheiden lässt.«

»Ich weiß nicht, ob sie damit einverstanden sein wird.«

»Du sollst sie nicht darum bitten«, erwiderte Noelle, »du sollst es ihr sagen.« Ein endgültiger, unerbittlicher Ton lag in ihrer Stimme.

Larry nickte. »Also gut.«

»Du wirst es nicht bedauern, Liebling, ich verspreche es dir«, sagte Noelle.

Für Catherine hatte die Zeit ihren 24-Stunden-Rhythmus

verloren, für sie war der Ablauf der Zeit durcheinander geraten, und Tag und Nacht gingen in eins über. Larry war fast nie zu Hause, und sie hatte es schon lange aufgegeben, ihre Freunde zu sehen, weil sie nicht mehr die Kraft hatte, sich neue Ausreden auszudenken oder Menschen gegenüberzutreten. Graf Pappas hatte ein halbes Dutzend Mal versucht, sie zu sehen, und hatte es schließlich aufgegeben. Sie war nur noch fähig, auf Umwegen mit Menschen umzugehen: durch das Telefon oder über Briefe oder Telegramme. Von Angesicht zu Angesicht versteinerte sie, und jede Unterhaltung prallte an ihr ab. Sie brachte Schmerz, und Menschen brachten Schmerz, und die einzige Linderung fand Catherine in dem wunderbaren Vergessen durch Alkohol. Oh, wie er die Leiden milderte, die Pein der Zurückweisungen löste und die erbarmungslose Sonne der Wirklichkeit, die auf alle nieder brannte, besänftigte.

Als Catherine nach Athen gekommen war, hatten sie und William Fräser sich oft geschrieben, Neuigkeiten ausgetauscht und sich über die Tätigkeit ihrer gemeinsamen Freunde und Feinde auf dem laufenden gehalten. Doch als Catherines Probleme mit Larry begannen, hatte sie nicht mehr das Herz, an Fräser zu schreiben. Seine letzten drei Briefe blieben unbeantwortet, und sein letzter Brief blieb ungeöffnet. Sie besaß einfach nicht die Energie, es mit irgend etwas außerhalb des Mikrokosmos ihres Selbstbedauerns, in dem sie gefangen war, aufzunehmen.

Eines Tages traf ein Telegramm für Catherine ein, und es lag noch eine Woche später ungeöffnet auf dem Tisch, als es an der Tür klingelte und William Fräser erschien. Catharine starrte ihn ungläubig an. »Bill«, sagte sie dumpf. »Bill Fräser!«

Er wollte etwas sagen, und dann sah sie, wie an die Stelle der Freude in seinem Blick etwas anderes trat, etwas Erschrockenes und Schockiertes.

»Bill, mein Lieber«, sagte sie. »Was tust du hier?«

»Ich musste geschäftlich nach Athen«, erklärte Fräser. »Hast du mein Telegramm nicht bekommen?«

Catherine blickte ihn an, versuchte sich zu erinnern. »Ich weiß nicht«, antwortete sie schließlich. Sie führte ihn ins Wohnzimmer. Es war übersät mit alten Zeitungen, vollen Aschbechern und halbgeleerten Tellern. »Es tut mir leid, dass hier eine solche Unordnung herrscht«, sagte sie mit einer vagen Handbewegung. »Ich hatte viel zu tun.«

Fräser betrachtete sie besorgt. »Geht es dir nicht gut, Catherine?«

»Mir? Mir geht's phantastisch. Wie ist es mit einem kleinen Drink?«