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»Hier könnte einem das Gruseln ankommen«, meinte Larry. »Es ist, als ob man in ein anderes Jahrhundert geraten wäre«, antwortete Catherine. Ohne es zu merken, flüsterten sie, fast als fürchteten sie, die lastende Stille zu brechen. Hinter den Fenstern des Hauptbaus nahmen sie neugierige Gesichter wahr, die zu ihnen hinausstarrten, nur weibliche, alles in Schwarz gekleidete Gestalten.

»Es ist eine Art religiöses Irrenhaus«, meinte Larry.

In der Tür des Hauses erschien eine große schlanke Frau und kam mit schnellen Schritten auf sie zu. Sie trug die Tracht einer Nonne und hatte ein angenehmes, freundliches Gesicht.

»Ich bin Schwester Teresa«, sagte sie: »Kann ich Ihnen helfen?«

»Wir kamen hier zufällig vorbei«, erklärte Catherine, »und dieses Haus weckte unsere Neugier.« Sie blickte zu den Gesichtern hinüber, die aus den Fenstern spähten. »Wir wollten Sie nicht stören.«

»Wir werden nicht von vielen Besuchern beehrt«, sagte Schwester Teresa. »Wir haben fast keinen Kontakt zur Außenwelt. Wir gehören zum Orden der Karmeliterinnen. Wir haben ein Schweigegelübde abgelegt.«

»Für wie lange?« fragte Larry.

»Gia panta – für den Rest unseres Lebens. Ich bin hier die einzige, der zu sprechen erlaubt ist, und nur dann, wenn es notwendig ist.«

Catherine sah sich in dem großen stillen Hof um und unterdrückte einen Schauder. »Verlässt keine je dieses Haus?«

Schwester Teresa lächelte. »Nein. Dazu besteht kein Grund. Unser Leben spielt sich in diesen Mauern ab.«

»Entschuldigen Sie, dass wir Sie gestört haben«, sagte Catherine.

Schwester Teresa nickte. »Keine Ursache. Gehen Sie mit Gott.«

Catherine und Larry gingen wieder durch das große Tor, das sich langsam hinter ihnen schloss. Catherine drehte sich noch einmal um. Es kam ihr wie ein Gefängnis vor, aber in gewisser Weise erschien es ihr noch schlimmer. Vielleicht, weil es eine freiwillig auferlegte Buße war, ein Verzicht, und Catherine dachte an die jungen Frauen, die sie hinter den Fenstern wahrgenommen hatte, hier eingemauert, für den Rest ihres Lebens von der Welt abgeschlossen in dem tiefen, ewigen

Schweigen des Grabes. Sie wusste, dass sie diesen Ort niemals vergessen würde.

Noelle und Cotherine

Athen 1946

Früh am nächsten Morgen ging Larry ins Dorf hinunter. Er bat Catherine mitzukommen, aber sie lehnte ab, sagte, dass sie lange schlafen wolle. Doch sowie er fort war, stand Catherine auf, kleidete sich eilig an und ging in den Gymnastiksaal des Hotels, den sie sich am Tag vorher angesehen hatte. Die Gymnastiklehrerin, eine griechische Amazone, musterte kritisch ihren Körper.

»Sie sind faul gewesen, sehr faul«, schalt sie Catherine. »Das war einmal ein guter Körper. Wenn Sie bereit sind, hart an sich zu arbeiten, Theou thelondos – so Gott will -, können Sie wieder in Form kommen.«

»Dazu bin ich bereit«, sagte Catherine. »Wollen mal sehen, wie Gott mich in Form bringt.«

Unter der Anleitung der Amazone trainierte Catherine täglich, ertrug die Qualen folternder Massagen, eine spartanische Diät und anstrengende Übungen. Das alles hielt sie vor Larry verborgen, doch nach dem vierten Tag waren die Veränderungen an ihr so erkennbar, dass er sich dazu äußerte.

»Der Aufenthalt hier scheint dir gut zu bekommen«, sagte er. »Du siehst wie eine ganz andere Frau aus.«

»Ich bin auch eine andere Frau«, erwiderte Catherine plötzlich schüchtern.

Am Sonntag morgen ging Catherine in die Kirche. Sie hatte noch nie eine griechisch-orthodoxe Messe erlebt. In einem so kleinen Dorf wie Ioannina hatte sie mit einer kleinen ländlichen Kirche gerechnet, aber zu ihrer Überraschung kam sie in eine große reich verzierte Kathedrale mit schönen kunstvollen Schnitzereien an den Wänden und an der Decke und einem Marmorfußboden. Vor dem Altar stand ein Dutzend großer silberner Kandelaber, und die Wände ringsum schmückten

Fresken mit biblischen Darstellungen. Der Priester war ein schmächtiger, dunkelhäutiger Mann mit einem schwarzen Bart. Er trug eine prunkvolle gold-rote Robe und eine hohe schwarze Kopfbedeckung und stand auf etwas, was Catherine für eine Sänfte auf einem Podium hielt.

An den Wänden standen einzelne Holzbänke und daneben eine Reihe einfacher Stühle. Die Männer saßen vorn in der Kirche und die Frauen hinten. Wahrscheinlich kommen die Männer zuerst in den Himmel, dachte Catherine.

Ein Gesang auf griechisch begann, und der Priester stieg von der Plattform herunter und ging zum Altar. Ein roter Vorhang teilte sich, und dahinter erschien ein reich gekleideter, weißbärtiger Patriarch. Auf einem Tisch vor ihm standen eine mit Juwelen geschmückte symbolische Kopfbedeckung und ein goldenes Kreuz. Der alte Mann entzündete drei zusammengebundene Kerzen, die die Heilige Dreieinigkeit darstellten, wie Catherine vermutete, und reichte sie dem Priester.

Die Messe dauerte eine Stunde, und Catherine gab sich dem Anblick und dem Gesang hin und dachte, wie glücklich sie sei. Sie beugte den Kopf zu einem Dankgebet.

Am nächsten Morgen frühstückten Catherine und Larry auf der Terrasse ihres Bungalows, von wo man den See überblickte. Es war ein einmalig schöner Tag. Die Sonne schien, und eine milde Brise wehte vom Wasser herauf. Ein freundlicher junger Kellner hatte ihnen das Frühstück gebracht. Catherine war noch im Neglige, und als der Kellner kam, schlang Larry seine Arme um Catherine und küsste sie auf den Nacken. »Was für eine herrliche Nacht«, murmelte Larry.

Der Kellner hatte sein Lächeln unterdrückt und sich diskret zurückgezogen. Catherine war etwas verlegen geworden. Es sah Larry so gar nicht ähnlich, vor Fremden zärtlich zu sein. Er hatte sich wirklich verändert, dachte Catherine. Es schien, als legte Larry jedes Mal seinen Arm um Catherine und zeigte ihr seine Zuneigung, wenn ein Stubenmädchen oder ein Page in das Zimmer kam, ganz als ob er aller Welt zeigen wollte, wie sehr er sie liebte. Catherine fand das sehr rührend.

»Ich habe für diesen Vormittag große Pläne«, sagte Larry. Er deutete nach Osten, wo man einen riesigen Gipfel in den Himmel aufragen sah. »Wir steigen auf den Berg Tsoumerka.«

»Ich habe ein Prinzip«, erklärte Catherine. »Ich klettere nie auf etwas, was ich nicht buchstabieren kann.«

»Ach komm, man sagt, man hätte eine phantastische Aussicht von da oben.«

Catherine sah, dass Larry es ernst meinte. Sie blickte wieder zu dem Berg hinauf. Er sah aus, als ob er steil in die Höhe ragte. »Klettern ist nicht gerade meine Stärke, Liebling«, sagte sie.

»Es ist ein leichter Spaziergang, überall führen Fußwege hinauf.« Er zögerte. »Aber wenn du nicht mitgehen willst, kann ich ja allein gehen.« Die Enttäuschung war in seiner Stimme deutlich herauszuhören.

Es wäre so einfach, nein zu sagen, so einfach, hier unten zu sitzen und den Tag zu genießen. Die Versuchung war fast übermächtig. Aber Larry wollte, dass sie mit ihm ginge. Das genügte Catherine.

»Also gut. Ich will nur sehen, ob ich irgendwo einen Berghut auftreibe«, sagte sie.

Larrys Gesicht zeigte eine solche Erleichterung, dass Catherine froh war, sich entschlossen zu haben mitzugehen. Außerdem konnte es interessant werden.

Sie war noch nie auf einen Berg gestiegen.

Sie fuhren zu einer Wiese am Rand des Ortes, wo der Weg auf den Berg begann, und parkten den Wagen. Neben dem Weg war ein kleiner Imbissstand, und Larry kaufte Sandwiches, Obst, Schokolade und eine große Thermosflasche mit Kaffee.

»Wenn es da oben hübsch ist«, sagte er dem Verkäufer, »dann verbringen meine junge Frau und ich vielleicht die

Nacht dort.«

Er drückte Catherine an sich, und der Verkäufer grinste.

Catherine und Larry gingen bis zu der Stelle, an der der Fußpfad bergauf begann. Eigentlich waren es zwei Pfade, die in entgegen gesetzten Richtungen auseinander führten. Catherine gestand sich ein, dass es nach einem leichten Aufstieg aussah. Die Pfade waren breit und nicht zu steil. Als sie den Kopf hob, um zum Gipfel hinaufzusehen, erschien er ihr drohend und abweisend, aber ganz so hoch würden sie wohl nicht hinaufsteigen. Sie würden ein Stück weit nach oben klettern und dann picknicken.