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»Vielleicht nicht; aber solche Fragen stellt Julian Comstock bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Er macht sich einen Spaß daraus.«

»Und handelt sich damit viel Ärger ein.«

»Kann man so sagen.«

»Das soll dir eine Lehre sein. Und außerdem kennst du die Antwort. Habe ich dir nicht aus den Dominion-Schriften vorgelesen und dir die biblischen Geschichten erzählt?«

»Da war ich ein Kind, Mutter. Jetzt sollten wir wie zwei erwachsene Menschen reden.«

»Man bleibt immer das Kind seiner Eltern, Adam. Egal wie alt oder klug man wird, du wirst sehen.«

»Du hast bestimmt Recht. Und? Glaubst du an Gott?«

Sie blickte mich an, als wolle sie prüfen, wie ernst ich es meinte. »Ich glaube an alles Mögliche«, sagte sie dann, »auch wenn ich das, woran ich glaube, nicht immer verstehe. Ich glaube an den Mond und an die Sterne, obwohl ich nicht weiß, woraus sie bestehen oder wie sie entstanden sind. Ich denke, dazu gehört auch Gott — so wirklich, dass man ihn ab und zu fühlt, aber geheimnisvoll in seiner Beschaffenheit und oft so, dass man nicht klug aus ihm wird.«

»Das ist eine raffinierte Antwort.«

»Ich wünschte, ich hätte eine bessere.«

»Und wie steht es mit dem Himmel? Glaubst du, wir kommen in den Himmel, wenn wir sterben?«

»Für den Himmel, so glaubt man, gibt es strikte Zugangsbeschränkungen, obwohl keine zwei Kirchen in den Einzelheiten übereinstimmen. Ich weiß es nicht. Es wird sich wohl so wie mit China verhalten — alle glauben, dass es China gibt, aber nur wenige werden es jemals besuchen.«

»In New York City gibt es Chinesen«, gab ich zum Besten. »Und ganz viele Ägypter.«

»Aber kaum Engel, glaube ich.«

»So gut wie keine.«

Genug Theologie, gab sie mir wortlos zu verstehen, und wir verplauderten unseren letzten Tag mit fröhlicheren Dingen; am nächsten Morgen sagte ich ihr Lebewohl und kehrte Williams Ford zum zweiten und letzten Mal den Rücken.

»Auf den vielen Reisen, die du unternommen hast«, sagte Ben Kreel, als wir auf der Wire Road nach Connaught trabten, »bist du da jemals bis Colorado Springs gekommen?«

»Nein, Sir«, sagte ich. Es war wieder ein sonniger Tag. Eine warme Brise ließ die Telegrafendrähte summen. Der Zug, der mich aus der Heimat meiner Kindheit und all ihren Andenken zurück zu meiner jungen Familie bringen würde, fuhr in drei Stunden von Connaught ab. »Herumgekommen bin ich hauptsächlich in Labrador, ziemlich weit nördlich und östlich von Colorado.«

»Ich war fünfmal in Colorado Springs«, sagte Ben Kreel, »zur ekklesiastischen Schulung. Da sieht es überhaupt nicht so aus wie auf den Bildern in den Dominion-Heften. Du weißt, was ich meine — da zeigen sie nur die Dominion-Akademie mit ihren weißen Säulen und diesen großen Gemälden vom Niedergang der Städte

»Die Akademie ist imposant, sie macht was daher.«

»Sicher, aber Colorado Springs ist mehr als nur die Akademie — dasselbe gilt für das Dominion.«

»Sie haben sicher Recht, Sir.«

»Colorado Springs ist eine Stadt voller frommer, wohlhabender Männer und Frauen, die treu zu Nation und Glauben stehen; und das Dominion ist nicht in erster Linie ein Gebäude oder eine Organisation — das Dominion ist in erster Linie eine Idee. Eine sehr kühne und ehrgeizige Idee — die Idee, die geschundene und unvollkommene Welt, in der wir leben, zu erobern und zu heilen und zu erneuern — ein himmlisches Königreich daraus zu machen, so geläutert, dass selbst Engel nicht zögern würden, es zu betreten.«

Kein Wunder, dass sie Manhattan mieden, dachte ich bei mir. »Das scheint mir noch ein langer Weg zu sein, Sir. Wir haben noch nicht einmal Labrador erobert, geschweige denn die Welt.«

»Dazu braucht es mehr als eine Generation. Aber wir können erst direkt mit dem Himmel kommunizieren, wenn wir die Welt vervollkommnet haben — und wir können die Welt erst vervollkommnen, wenn wir uns selbst vervollkommnet haben. Das ist die Aufgabe des Dominions, Adam: uns zu vervollkommnen. Es ist keine leichte Aufgabe, aber sie ergibt sich aus dem allgegenwärtigen Trieb, seinen Nächsten zu lieben und guten Willens zu sein. Die sich daran reiben, sind in der Regel irgendeiner Unvollkommenheit verhaftet, der sie mit sündiger Sturheit frönen.«

»Ja, Sir, das haben Sie uns damals an den Feiertagen gepredigt.«

»Schön, dass du dich erinnerst. Unser Feind ist jeder, der gegen Gott rebelliert — erinnerst du dich noch an diesen Aphorismus?«

»Ja, Sir.«

»Was glaubst du, in welcher Gestalt diese Rebellion für gewöhnlich auftritt?«

»In Gestalt der Sünde?«

»Sünde, ja, sicher, Sünden gibt es in Hülle und Fülle. Aber die meisten schaden nur dem Sünder. Manche Sünden sind heimtückischer und zielen direkt darauf ab, das Dominion in seinem Werk zu behindern.«

»Worauf wollen Sie hinaus, Sir?« Mir schwante nichts Gutes.

»Als du bei der Armee warst, gab es da in deinem Regiment einen Dominion-Offizier?«

»Ja.«

»Und erfreute er sich allgemeiner Beliebtheit?«

»Nicht unbedingt, nein.«

»Wie sollte er auch? Schließlich war es seine Aufgabe, die Tugend zu fördern und falsches Handeln zu geißeln. Diebe lieben keine Gefängnisse und Sünder keine Kirchen. Was ich damit sagen will, ist Folgendes: Das Verhältnis zwischen dem Dominion und den Vereinigten Staaten ist dasselbe wie zwischen diesem Seelsorger und der Truppe. Er hatte nicht die Absicht, sich beliebt zu machen, er wollte eine verirrte Herde durch Überredung und sanfte Gewalt in das Gehege der göttlichen Liebe führen.«

Aus einem unerfindlichen Grund fiel mir Lymon Pugh ein und seine Beschreibung der Abpackindustrie für Rindfleisch.

»Das Dominion hat großes Interesse am Schicksal dieser Nation — und jeder anderen Nation«, sagte Ben Kreel. »Verglichen mit diesem institutionellen Interesse sind die Launen von Präsidenten flüchtige Erscheinungen.«

»Sie sprechen in Rätseln, Sir«, beklagte ich mich. »Wenn es um Julian geht, dann sagen Sie es doch gleich.«

»Wer bin ich, um über den Präsidenten zu richten? Ich bin nur ein kleiner Pastor vom Lande. Doch das Dominion beobachtet, das Dominion richtet; und das Dominion ist älter als Julian Comstock, und letzten Endes auch mächtiger.«

»Julian hat nichts gegen das Dominion, gestritten wird nur um Details.«

»Ich hoffe, du behältst Recht, Adam; doch selbst wenn — warum versucht er dann, die uralte und heilsame Verbindung zwischen dem Dominion und den Armeen aufzulösen?«

»Tut er das?«

Ben Kreel lächelte unangenehm. Über viele Jahre hinweg war mir dieser Mann wie ein kleiner Gott vorgekommen, über jeden Tadel erhaben: Er hatte eine liebenswürdige Art, er war ein guter Lehrer und ein entschlossener Friedensstifter. Wenn ich mir Ben Kreel jetzt ansah, entdeckte ich etwas Säuerliches und Triumphierendes in seinen Zügen, als freue er sich, einem Parvenü wie mir die Schau zu stehlen. »Tja, genau das macht er, Adam; weißt du das nicht? Ich bekam heute früh ein Telegramm aus Colorado Springs. Julian der Eroberer, wie man ihn nennt, hat das Dominion angewiesen, seine Vertreter aus den Armeen zurückzuziehen und nicht mehr an militärischen Beratungen teilzunehmen.«

»Das ist ein gewagter Schritt«, sagte ich erschrocken.

»Das ist mehr als ein gewagter Schritt, Adam. Das ist fast eine Kriegserklärung.« Er lehnte sich zu mir herüber und sagte in einem öligen und zutraulichen Ton: »Und diesen Krieg kann er unmöglich gewinnen. Wenn ihm das nicht klar ist, solltest du ihn vielleicht aufklären.«

»Ich werde ihm von unserem Gespräch berichten, Sir, verlassen Sie sich darauf.«

»Ja, danke«, sagte Ben Kreel. »Julian Comstock hat einen guten Freund in dir.«