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Die Lautstärke ließ mich abwarten. Julian wurde gerade aufgeklärt, wie wichtig es sei, keine unnötige Aufmerksamkeit zu erregen oder irgendeinen Streit zu provozieren, der geeignet war, die Exekutive aufhorchen zu lassen. »Wir sind verdammt weit weg vom Regierungspalast«, erwiderte Julian, als ich ins Zelt trat.

»Nicht so weit, wie du denkst«, sagte Sam wütend. »Und das Allerletzte, was du brauchen kannst, ist die Aufmerksamkeit des Dominions. Major Lampret ist kein Deklan Comstock, aber es hätte ihn ein Fingerschnippen gekostet, dich an die Front zu schicken — besonders jetzt, da General Galligasken oben am Saguenay kämpft und jeden Mann brauchen kann. Wenn das in deinen Kopf geht, dann benimm dich auch so.«

»Tu ich ja!«, versetzte Julian. »Und es tut verdammt weh! Ich stand eben vor einem Mann, der mir nicht das Wasser reichen kann, und ließ ohne Widerrede seine Anspielungen und höhnischen Bemerkungen über mich ergehen! Ich habe ihm in die Augen gesehen, Sam, und während er kläffte und winselte, habe ich nur gedacht: Der Mann ahnt ja nicht, was ich mit ihm anstellen könnte und wie rasch er auf die Knie fallen würde, wenn er es erführe! Ich bin nicht erzogen worden, um vor einem Armeepfaffen zu kriechen! Und trotzdem habe ich es getan — ich habe meinen Stolz hinuntergeschluckt und es getan —, aber das reicht dir wohl nicht!«

»Du hättest deinen Stolz ein bisschen früher schlucken und es dir zweimal überlegen sollen, bevor du Soldaten in Volksverhetzung unterrichtest! Darf ich dich erinnern, dass ich diese Mätzchen verboten hatte?«

»Verboten, mir?«

Julian stand auf und stand so kerzengerade, dass er einen Zoll größer schien, als er tatsächlich war.

»Dein Vater hat mich damit betraut, auf dich aufzupassen«, sagte Sam.

»Dann tu es! Tu, was man dir gesagt hat, und pass auf mich auf! Aber bemuttere und zensiere mich nicht, und zweifle nicht an meinem Urteilsvermögen! Das hat nie zu deinem Aufgabenbereich gehört! Tu, worum man dich gebeten hat, und tu es wie jeder andere intelligente Diener auch!«

Die Worte trafen Sam, als hätten sie wirklich Gewicht und Wucht. Sein Gesicht verzerrte sich, erstarrte dann zur Soldatenmaske. Er schien voller ungesagter oder unsagbarer Worte, und was er schließlich sagte, war: »In Ordnung, Julian — wie du willst.«

Die devote Antwort traf Julian mitten ins Herz. Seine Wut war wie weggeblasen. »Sam, es tut mir leid! Ich war einfach — na ja, die Worte waren schneller als ich. Du bist kein Diener für mich, du weißt das!«

»Mir kamen die ersten Zweifel.«

»Dann verzeih mir! Nicht mit dir bin ich unzufrieden — nicht mit dir!«

»Schwamm drüber«, sagte Sam.

Julian schien sich zu schämen und stürzte, ohne mich wahrzunehmen, aus dem Zelt.

Sam schwieg eine ganze Weile, so dass mir der Gedanke kam, ich könnte unsichtbar geworden sein; ich wollte mich eben räuspern, als er mich ansah und den Kopf schüttelte. »Er ist ein Comstock, Adam. Ein Comstock, wie er leibt und lebt, mit allen Vor- und Nachteilen. Ich vergesse das immer. Mache nicht denselben Fehler.«

»Keine Sorge«, sagte ich.

Bei der nächsten Sonntagsversammlung erregte Major Lampret Aufsehen, weil er mit seiner Predigt über »Nicht-hilfreiche Gedanken« namentlich Julian aufs Korn nahm. Er brandmarkte Julians Apostasien und zog über sie her und spottete über einen Gefreiten, der seine religiösen Ansichten zum Besten gab. Dann erfuhren wir, der Wochenendurlaub sei gestrichen, nicht nur für Julian, sondern für alle Männer unserer Kompanie, um Julian dafür zu bestrafen, dass er den Engeln auf den Schlips getreten hatte, und uns, dass wir so töricht gewesen waren, ihm dabei zuzuhören. Mit dieser Taktik sollte Julian bei seinen »Jüngern« unbeliebt gemacht und etwas von dem Wohlwollen, das die anderen ihm entgegenbrachten, neutralisiert werden. Und es funktionierte, zumindest eine Zeit lang. Männer, die sich der Möglichkeit beraubt sahen, ihren Sold in einem Bordell in Montreal zu vergeuden, ließen in Julians Gegenwart abschätzige Bemerkungen fallen, manche so bissig, dass Julian tief verletzt war, obwohl er mit keinem Wort darauf einging.

Aber das war noch nicht alles. Etwa um diese Zeit griff eine bestimmte Verleumdung von Major Lampret wie ein Lauffeuer um sich und war wochenlang in aller Munde: dass nämlich der Major ein Wolkenverkäufer aus Colorado Springs sei, der darauf bedacht war, selbst nicht in die Schusslinie zu geraten, weil von allen unsterblichen Seelen, die ihm anvertraut waren, die seine zu wichtig und zu kostbar sei, um sie dem Bleiregen auszusetzen. Mit anderen Worten: Major Lampret sei ein Feigling, der sich hinter seinem Quasi-Zivilstatus verstecke.

Die Quelle dieser Verleumdung war nicht auszumachen; das Gerücht sprang von einer Soldatengruppe zur nächsten, ohne dass jemand verantwortlich schien; aber ich bemerkte, dass Julian jedes Mal lächelte, wenn es ihm zu Ohren kam.

Ich war so sauer wie alle anderen, denn ich hatte vorgehabt, in Montreal Calyxa ausfindig zu machen, um sie näher kennenzulernen. Ich tröstete mich aber mit der Aussicht auf eine spätere Gelegenheit und nutzte die Zeit, um meinen Bericht über die Schlacht von Mascouche fertigzustellen und damit den Journalisten Mr. Theodore Dornwood aufzusuchen.

Dornwood hatte seine Zusage vergessen, und ich musste ihn erinnern, dass er eingewilligt hatte, meine Arbeit zu lesen; und schließlich ließ er sich erweichen und nahm mir die Blätter aus der Hand. Während er las, bewunderte ich wieder seine Schreibmaschine. Ich ließ mir Zeit, die Mechanik in Augenschein zu nehmen, ich drückte sogar ganz behutsam auf die Tasten und beobachtete, wie die geölten Hebel sich hoben und fielen und verspürte die berauschende Macht, Buchstaben zu erzeugen — auf dem leeren weißen Papier akkurate Druckbuchstaben und keine Bleistiftschnörkel erscheinen zu lassen. Ich wollte auch so eine Maschine haben. Sie waren bestimmt teuer. Aber ich würde meinen Sold sparen und mir irgendwann eine Schreibmaschine kaufen. Und wenn ich dafür bis Manhattan pilgern musste. Das schwor ich mir feierlich.

»Nicht schlecht, wirklich«, sagte Dornwood nachdenklich, als er mit Lesen fertig war.

So viel Lob hatte ich von ihm erwartet — eigentlich noch mehr. »Sie würden also sagen, es ist in Ordnung?«

»O ja.«

»Hat es Ihnen denn gefallen?«

»Kann man so sagen.«

»Würden Sie es auch gut nennen?«

»Doch, doch — es ist auf seine Weise ganz gut, wirklich.«

Ich lauschte dem Wort nach: »gut« aus dem Mund eines echten New Yorker Zeitungskorrespondenten, auch wenn ich ihn ein bisschen hatte schubsen müssen. Und nicht bloß »gut« — nein »ganz gut«. Ich war außer mir vor Stolz.

»Natürlich wirst du das eine oder andere noch lernen müssen«, fügte Dornwood ernüchternd hinzu.

»Wieso das?«, fragte ich. »Ich habe mich doch bemüht, alles so wahrheitsgetreu wie möglich zu beschreiben. Es kommen keine Elefanten vor und auch sonst nichts in der Art.«

»Deine Zurückhaltung ist bewundernswert — vielleicht sogar übertrieben.« Dornwood legte eine Pause ein, um seine Gedanken zu sammeln, und das muss keine leichte Aufgabe gewesen sein, gemessen am Schnaps, den er intus hatte (nach den leeren Flachmännern zu urteilen, die herumlagen), und gemessen am Aroma des Hanfrauchs, der das Zelt schwängerte. »Sosehr ich zu schätzen weiß, was du geschrieben hast — es ist klar, die Grammatik stimmt, es ist geordnet —, aber damit sich eine Zeitung dafür interessiert, müsste es erst noch aufgepeppt werden.«