Das letzte Lagertreffen, das Major Lampret abhielt, war besser besucht, aber auch nur, weil wir hinbeordert wurden. Wir standen im Kreis auf freigeräumtem Boden, der Himmel war bewölkt, Schnee rieselte auf uns herab, als uns eine bittere Meldung erreichte. General Galligasken sei von feindlichen Granatsplittern getroffen worden, obwohl sein Hauptquartier außer Reichweite der konventionellen Artillerie lag — vielleicht sei ein chinesisches Geschütz verantwortlich. Der General lebe noch, sei aber zur Notversorgung nach Tadoussac geschafft worden und werde wahrscheinlich einen Arm verlieren, wenn er durchkomme. Er werde durch einen neuen General namens Reddick aus New York City ersetzt. Eine Schachfigur der Exekutive, flüsterte Sam, und ein Lakai des Dominions. Das waren schlechte Nachrichten.
Es sollte noch schlimmer kommen. Reddick befahl in seinem Enthusiasmus einen Großangriff im Morgengrauen. Wir sollten auf den Waffen schlafen und auf alles gefasst sein.
Der Quartiermeister gab frische Munition aus und eine doppelte Ration — eine erfreuliche Abwechslung, auch wenn dieses »letzte Abendmahl« nur wenig dazu beitrug, die gedrückte Stimmung zu zerstreuen. Da war die Ankunft einer Division Kavallerie schon eher dazu angetan, uns aufzumuntern — Männer, die mit Grabenfegern bewaffnet waren, wie sie sich in der Schlacht von Mascouche so bewährt hatten. Vielleicht waren wir doch nicht dem Untergang geweiht. Ein Strohhalm, an den wir uns klammerten.
Der Himmel hatte sich rot gefärbt, als alle unsere Hörner erschollen und alle unsere Artilleriegeschütze gleichzeitig feuerten, um den Beginn des Angriffs zu signalisieren.
Wir formierten uns in Regimentern, unseres gehörte zur vordersten Linie. Ich fragte Sam, welche Strategie das sein könnte, aber er wusste es nicht. Die Armeen waren so groß, dass man als Einzelner den Überblick verlor, und diese Schlacht wurde von einem Führungsstab im Hintergrund dirigiert. Man hatte Telegrafenleitungen verlegt, damit Reddick sich besser mit Feldkommandeuren verständigen konnte, und es gab Kuriere zu Fuß und zu Pferd. Das alles sei aber ein zu schwerfälliger Apparat, um eine massive Schlacht zu koordinieren, meinte Sam, ein Geschehen, das ständig im Fluss sei. Folglich läge die Initiative hauptsächlich bei den Regimentskommandeuren. Julian fragte pointiert und laut, ob Major Lampret sich wohl herablasse, höchstselbst an der Schlacht teilzunehmen, oder ob er das Geschehen lieber von hinten beaufsichtige, spirituell sozusagen. Lampret schnappte die Äußerung auf — was zweifellos beabsichtigt war — und verkündete der Mannschaft, sich mit einem Gewehr zu bewaffnen, falls eines übrig sei. Das brachte ihm ein paar vereinzelte Beifallsrufe ein; sein Gesicht war allerdings kreidebleich, als er das Angebot machte, und er durchbohrte Julian mit einem langen Blick.
Dann waren wir mittendrin. Ich will dem Leser die grässlichen Einzelheiten dieses furchtbaren Morgens ersparen und nur so viel sagen, dass es keine Stunde dauerte, bis unsere Kompanie auf die Hälfte reduziert war; und ich bekam so viel zu sehen, was eigentlich ins Innere des menschlichen Körpers gehört, dort aber nicht geblieben war, dass ich jede Abscheu vergaß und zu einem gefühllosen, funktionierenden Etwas wurde. Der Gefechtslärm war buchstäblich ohrenbetäubend, und ohne die geniale Choreographie für Fahnenträger und Hornsignale hätten wir jede Ordnung vergessen und nur noch ums nackte Überleben gekämpft.
Hier wie in Mascouche waren es die Grabenfeger, die den Ausschlag gaben. Die schweren Gewehre waren deutlich herauszuhören — jenes vernichtend langgezogene Husten, das die deutschen Truppen fürchten gelernt hatten. Sobald diese Waffen zum Einsatz kamen, begann die Laurentische Armee überraschend schnell vorzurücken, obwohl mir immer noch nicht klar war, welches Ziel wir eigentlich verfolgten. Doch General Reddick befahl, den fliehenden Feind zu verfolgen, und wir mussten wohl oder übel gehorchen.
Die Schlacht verließ das mit Kratern übersäte Niemandsland aus Gräben und Schanzen, während sich die Mitteleuropäer in ihre vorbereiteten Stellungen im welligen Waldland zurückzogen. Der Befehl zur Verfolgung tönte aus allen Himmelsrichtungen, und nach Sam, der eine leichte Oberschenkelwunde davongetragen hatte und die Blutung mit einem Baumwolltaschentuch stillte, war unsere Kavallerie wahrscheinlich dazu ausersehen, die deutsche Armee seitlich zu umgehen, um sie dann völlig aufzureiben. In diesem Sinne bekam unser Regiment Befehl, in den Wald vorzudringen, um dem Feind keine Ruhe zu gönnen und alle zurückgelassenen Vorräte oder Tiere einzusammeln und alle Versprengten zu töten oder gefangen zu nehmen.
Es war ein kühner Plan, und wir hätten sicherlich eine hilfreiche Rolle gespielt, wenn da nicht diese folgenschwere Gewehrkugel gewesen wäre.
Unser Kompaniechef war Captain Paley Glasswood, vormals Schalterangestellter in New York City, mindestens zehn Jahre jünger als Sam Godwin und etwa so alt wie Major Lampret und ranghöher als die meisten von uns. Gegenwärtig führte er uns durch heftiges, aber (wie es damals schien) wirkungsloses Feuer von Heckenschützen in den Wald hinein und über einen Fluss und die Biegung eines sanft gewölbten Hügelkamms entlang in ein bewaldetes Tal hinab — ohne jede Feindberührung; und so marschierten wir mehr als zwei Stunden lang, geduldig, aber ratlos, ehe der Captain stehen blieb und theatralisch sagte:
»Ich bin müde, Jungs, und die Sterne sind schrecklich hell.«
Dann setzte er sich ächzend und brabbelnd auf einen umgestürzten Baumstamm.
Dabei blieben noch Stunden bis zur Abenddämmerung; auch wenn der Tag etwas düster war und hin und wieder eine Handvoll Schnee versprühte, konnte sich keiner von uns einen Reim darauf machen, wie das mit den Sternen gemeint war. Sam ging nach vorne zu Captain Glasswood und fragte ihn, was los sei, bekam aber keine Antwort. Dann beäugte er die linke Seite von Captain Glasswoods Kopf und verzog das Gesicht. »Oh, verdammt! Komm her, Adam — hilf mir, wir müssen ihn hinlegen.«
Der Captain erhob keinen Widerspruch, als wir ihn unter einem Baldachin knarrender Kiefern auf den kalten Waldboden streckten. Sein Blick war glasig, und eine Pupille hatte die Größe eines Comstock-Dollars. Als ich ihn zu Boden bettete, sah er mich feierlich an. »Oh, Maria, nicht wieder heulen«, sagte er verärgert. »Ich war seit Dienstag nicht mehr im Lucille’s.«
»Was ist mit ihm?«, fragte ich.
Sam, der eben den Kopf des Captains abgelegt hatte, zeigte mir seine Hände mit den Streifen von geronnenem Blut. »Er wurde getroffen«, sagte er voller Abscheu.
»Wo?«
»In den Kopf. Mitten ins Ohr, wie es aussieht.«