»Ich bin sein Adjutant«, sagte ich. »Und sein Freund.«
»Verstehe. Und jetzt sind Sie ein assistierender Chirurg.«
»Moment mal, das bin ich nicht.«
»Doch, sind Sie. Ich bin Dr. Linch. Und Sie …?«
»Colonel Adam Hazzard.«
Er langte in ein Regal und warf mir einen Baumwollkittel zu. »Anziehen, Colonel Hazzard. Haben Sie sich vor kurzem die Hände gewaschen?«
»Ja, vorgestern noch.«
»Tunken Sie sie in den Eimer, der da auf dem Tisch steht.«
Die Flüssigkeit brannte in den kleinen Schnitten, die ich mir im Laufe des Rückzugs zugezogen hatte, ätzte aber den meisten Schmutz von den Händen. Die Chemikalie musste schon jemand benutzt haben, denn obenauf schwamm schmieriger roter Schaum.
»Wo Sie schon mal dabei sind, spülen Sie doch eine von den Knochensägen da vorne«, sagte Linch und zeigte auf ein ekliges Ding mit Klinge, das ich gehorsam in denselben Eimer tauchte und mit der sauberen Stelle eines Handtuchs abtrocknete. »Jetzt halten Sie den Arm fest, während ich amputiere.«
Dr. Linch war ein barscher Typ und duldete keine Widerrede.
Ich hatte noch nie eine Amputation aus nächster Nähe erlebt. Linch war nicht mehr jung, aber seine Hände waren bemerkenswert sicher; während ich am liebsten das Weite gesucht hätte, musste ich seine flinken Finger bewundern. Ich war wie verhext vom schnellen und sauberen Schnitt der Knochensäge. Linch zeigte großes Geschick im Verschließen der Blutgefäße, die aus dem Stumpf von Sams Unterarm hingen. Er trug eine Reihe von Nähnadeln im Revers seines weißen Jacketts, jede war mit einem Seidenfaden bestückt. Dann und wann pflückte er sich eine heraus und nähte damit eine rinnende Ader zu, wobei mir das Bild eines Anglers in den Kopf kam, der einen pulsierenden blauen Wurm auf den Haken steckt. Linch schnitt den Faden immer ein paar Zoll später ab, damit er gezogen werden konnte, sobald der Stumpf verheilt war. Er bestand darauf, mir die Prozeduren zu erklären, auch wenn mir dabei fast schlecht wurde; und ich schwor mir, nie die Laufbahn eines Arztes einzuschlagen, selbst dann nicht, wenn sich das Schreiben eines Tages nicht mehr lohnen sollte. Amputieren war mindestens so schlimm wie Entbeinen — in mancher Hinsicht noch schlimmer, denn ein totes Rind wacht nicht kreischend auf, wenn an ihm herumgesäbelt wird, so dass es ein zweites Mal betäubt werden muss.
Wenn ich genauer hinsah, empfand ich unweigerlich Abscheu; also sah ich so oft wie möglich beiseite, obwohl der Raum voller Betten war, in denen Männer lagen, die genauso schlimm verletzt waren wie Sam, wenn nicht schlimmer, und dieser Anblick tröstete ein bisschen. Hier wurde hauptsächlich amputiert. Das schmirgelnde Geräusch der Knochensägen schien nie zu verstummen. Eine blutverschmierte Ordonnanz kam in Abständen durch den Raum und sammelte abgetrennte Gliedmaßen ein. Dr. Linch hatte die Überreste von Sams Unterarm achtlos fallen lassen; als der Mann sie aufhob und in seinen Abfalleimer warf, führte mir diese abwegige Hygienemaßnahme — viel deutlicher, als es die Operation getan hatte — die ganze Grausamkeit des Geschehens vor Augen. Ich wollte Sams Hand wieder aus dem Eimer holen — sie einfach so wegzuwerfen kam mir respektlos vor, und ich wurde den Gedanken nicht los, Sam könnte sie irgendwann zurückhaben wollen. Ich musste die Zähne zusammenbeißen, um mich wieder zu beruhigen.
Bei einem dieser wenig erfolgreichen Versuche, mich von der Operation abzulenken, begegnete mir ein bekanntes Gesicht in einem neuen Kontext. Zwischen den Verwundeten und Sterbenden bewegte sich ein aufgeschossenes, ausgezehrtes Individuum mit Dominion-Hut, spendete Trost und zitierte aus der Bibel. Er musste mich erkannt haben, denn er versuchte dauernd, sein Gesicht abzuwenden — der Mann war niemand anderes als der Gefreite Langers!
Ich war empört, hielt aber den Mund, bis die Hautlappen von Sams Stumpf vernäht waren. Kaum hatte Dr. Linch letzte Hand an den Verband gelegt, sagte ich: »Dr. Linch, wir haben hier einen Hochstapler«, und deutete auf Langers. »Dieser Mann ist kein Dominion-Offizier.«
»Ich weiß Bescheid«, sagte Dr. Linch gleichgültig.
»Bescheid! Und warum werfen Sie ihn dann nicht raus?«
»Weil er einem Zweck dient. Colonel Hazzard, hier gibt es weit und breit keine echten Dominion-Offiziere. Julian Comstock hat sie praktisch ausgesperrt, und das ist gar nicht mal so schlecht, denn das erspart uns die Sonntagsschelte. Aber ein sterbender Soldat braucht für gewöhnlich einen gottgefälligen Mann an seiner Seite und schnüffelt nicht im Stammbaum des Pastors. Als ich bei der Truppe nach einem Freiwilligen gefragt habe — irgendwem, der irgendwie mit der Kirche zu tun hat, und wenn er nur den Klingelbeutel herumgehen lässt —, da hat sich dieser Langers gemeldet. Die anderen hatten Angst, ihren Einsatz zu verpassen oder als Drückeberger zu gelten.«
»Das ist das Letzte, woran Langers denkt. Welche Beziehung zur Kirche soll er denn haben?«
»Er sei früher Kolporteur gewesen und habe Schriften zu religiösen Themen verkauft.«
Langers’ Schriften, stellte ich klar, seien nicht viel mehr als pornografische Anleitungen gewesen, die von keiner biblischen Autorität gebilligt würden; Langers sei ein arglistiger Betrüger und notorischer Lügner.
»War das jemals ein Grund, um einem Dominion-Offizier die Qualifikation abzusprechen? Machen Sie sich keine Gedanken, Colonel, vielleicht hat das Boot ein Leck, aber wir haben kein anderes …«
Ich befolgte seinen Rat. Vielleicht war er nicht so sarkastisch gemeint, wie er klang. Als ich die chirurgische Station verließ, hörte ich, wie Langers einen Mann tröstete, der eine furchtbare Kopfverletzung erlitten hatte. Das gesunde Auge des Opfers war fest auf Langers gerichtet, während das Schlitzohr die vermutlich einzigen Bibelverse falsch zitierte, die er jemals auswendig gelernt hatte — nämlich aus dem Hohen Lied Salomons, vermengt mit Stellen des verbotenen Dichters Walt Whitman.
»Wie viel süßer ist deine Liebe als Wein!«, psalmodierte er mit sanfter Stimme, die Hand wie zum Segen erhoben und ein verschmitztes Lächeln auf den Lippen. »Göttlich bin ich innen und außen und mache heilig, was ich berühre, oder was mich berührt. Ich sehe Gott in den Gesichtern der Männer und Frauen, und in meinem eigenen Antlitz im Spiegel. Nordwind, erwache! Südwind, herbei! Durchweht meinen Garten, lasst strömen die Balsamdüfte! Auch mächtige Wasser können die Liebe nicht löschen, auch Ströme schwemmen sie nicht hinweg. Leg mich wie ein Siegel auf dein Herz, denn stark wie der Tod ist die Liebe, und die Leidenschaft ist hart wie das Grab.«
Diese Worte waren nicht der übliche Zuspruch an einem Sterbebett, aber sie taten einfach gut; und im Stillen verzieh ich dem Gefreiten Langers, dass er sie unter Vorspiegelung falscher Tatsachen von sich gab, denn die Träne, die in das gesunde Auge des Sterbenden trat, war fraglos echt und zeugte ebenso fraglos von dessen Dankbarkeit.
3
Am nächsten Tag war Sam wach, obwohl die verabreichten Dosen an verdünntem Opium nicht nur seine Schmerzen, sondern auch sein Denkvermögen in Schach hielten.
Julian besuchte ihn nicht, weil er alle Hände voll zu tun hatte, um Striver auf eine längere Belagerung vorzubereiten. Wir waren gut geschützt, unser Verteidigungsgürtel reichte vom Lake Melville bis zum Northwest River, so dass man uns nicht ohne weiteres umgehen konnte; und einen Frontalangriff würden die Deutschen mit verheerenden Verlusten bezahlen. Aber sie konnten uns aushungern, sie mussten nur warten. Und das war vermutlich ihre Absicht. Das hieß, wir mussten eine Bestandsaufnahme aller Lebensmittel und medizinischen Versorgungsgüter machen, die Depots unter schärfste Bewachung stellen und alles rationieren — um nur einiges zu nennen, womit Julian beschäftigt war.