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Voller Angst wartete Juniper darauf, dass sich die Seelen ihren Platz suchten. Ihre Eltern mussten zu ihr zurückkehren. Sie mussten einfach! Das Gesicht nass vor Tränen, starrte Juniper sie an und wünschte sie ins Leben zurück. »Ich brauche euch! Ich brauche euch beide so sehr …«

In diesem Moment bemerkte sie ein Flackern in den Augen ihrer Eltern und ein Zucken, das durch ihre Hände und Beine lief. Sie stöhnten leise, als würden sie nach einer langen Nacht voller Albträume erwachen.

Mehr Ballons. Juniper sprang auf und griff sich zwei weitere Ballons. Kitty sah aufmerksam zu, wie Mr. und Mrs. Berry die Luft aus dem dritten und vierten Ballon tranken.

Ungeduldig und so nervös, dass sie es kaum aushalten konnte, schlug Juniper mit den Fäusten immer wieder gegen ihre Oberschenkel. »Schnell! Hilf ihnen! Rette sie!«, flehte sie. »Rette sie!« Sie zog Kitty an sich und drückte den kleinen Hund trostsuchend an ihre Brust.

Zitternd beobachtete Juniper, wie das Leben in ihre Eltern zurückfloss. Ihre Haut begann zu leuchten, ihre Brustkörbe hoben und senkten sich. Ihre einst so leeren Augen spiegelten plötzlich die fast vergessene Vergangenheit wider. Langsam setzten sich beide auf und schüttelten die Köpfe, um ihre Benommenheit zu vertreiben.

Immer noch ziemlich angeschlagen, richteten Mr. und Mrs. Berry ihre Blicke auf ihre Tochter. Eine Weile starrten sie Juniper einfach nur an, ohne ein Wort herauszubringen.

Bitte lass es funktionieren, hoffte Juniper im Stillen. Bitte seid wieder meine Mom und mein Dad.

Die Stille dehnte sich aus. Doch dann …

»Juniper? Juniper?! Dem Himmel sei Dank! Juniper!« Mrs. Berry sprang auf, riss ihre Tochter in ihre Arme und drückte sie so fest sie konnte. Sie bedeckte Junipers ganzes Gesicht mit Küssen und hörte auch nicht auf, als die aufgeregte Kitty zu bellen begann und Juniper und ihre Mutter in die Beine zwickte.

»Mein Mädchen!«, rief Mr. Berry, als er seine Frau und seine Tochter in die Arme schloss. »Du hast es geschafft! Mein kleines Mädchen hat es geschafft!«

Auf diesen Moment hatte Juniper so lange gewartet. Der hoffnungsvolle Gedanke daran hatte ihr die Kraft gegeben, diesen Albtraum durchzustehen. Jeden Abend, wenn sie ins Bett gegangen war, hatte sie sich nach diesem Augenblick gesehnt. Jetzt war er Wirklichkeit geworden. Endlich hatte sie ihre Eltern zurück.

Es dauerte eine Weile, bis Mr. und Mrs. Berry sich wieder beruhigt hatten. Sie konnten gar nicht mehr aufhören, einander, Juniper und sogar Kitty zu küssen. Doch dann erklärte Juniper ihnen alles, was passiert war, seit sie ihre Eltern das erste Mal dabei beobachtet hatte, wie sie in die Welt unterhalb des Baumes hinabgestiegen waren. Sie berichtete von Giles und Dimitri, von Skeksyl und Neptun. Sie erzählte von dem schwarzen Raum der Träume, von Theodor, den Funken und davon, wie sie den Baum letztendlich gefällt hatten. Sie erzählte ihnen, wie sehr sie sie vermisst hatte.

Dann kam sie zum wichtigsten Punkt. Sie sagte ihren Eltern, dass sie noch zwei Ballons übrig hatte, einen für jeden. Sie konnten ihren Inhalt zurückbekommen, doch sie wussten alle drei, was das bedeutete: Sie würden alles, was sie durch den Handel mit Skeksyl gewonnen hatten, mit der Zeit wieder verlieren.

»Ich weiß nicht, ob euch weiterhin alles so gut gelingen wird wie früher«, sagte Juniper. »Es gibt keine Garantie. Vielleicht kannst du dich nicht mehr so gut in deine Figuren hineinversetzen, Dad. Vielleicht hörst du ihre Stimmen nicht mehr.«

Mr. Berry ergriff Junipers Hand. »Ich werde schon die richtigen Worte finden. Nur dass es jetzt meine eigenen sein werden und nicht die von jemand anderem. Vielleicht gefällt das nicht allen, aber das ist mir egal. Ich werde einfach das tun, was sich richtig anfühlt, und ich habe dich und deine Mutter. Das hätte ich eigentlich von Anfang an wissen sollen.«

»Wir waren so verloren«, sagte Mrs. Berry. »Wir hatten alles und trotzdem nichts. Wir drei zusammen, so wie jetzt, das ist es, was wirklich zählt. Wir haben so viel verpasst. Du hast so viel verpasst, Juniper. Es tut uns so, so leid.« Sie sah zu ihrem Mann, dann wieder zu Juniper. »Liebling, gib uns die Ballons.«

Nachdem auch die Luft aus den letzten beiden Ballons zurück in ihre Lungen geflossen war, waren Mr. und Mrs. Berry endlich wieder ganz die Alten.

»Was möchtest du jetzt als Erstes tun, Juniper?«, fragte ihr Vater, ein fast vergessenes Grinsen auf dem Gesicht. Zum ersten Mal seit Langem war er wieder völlig er selbst. Er nahm Junipers Gesicht in die Hände, streichelte ihre Wangen mit den Daumen und wischte ihre Tränen fort. »Alles, was du willst. Was sollen wir machen?«

Juniper brauchte nicht lange zu überlegen. »Ich will eine Party feiern!«

Mr. Berry lachte und zog sie an sich. »So soll es sein. Wir geben eine Party!« Er küsste sie auf die Stirn.

Mrs. Berry hob Juniper hoch und schwang sie im Kreis herum, ein Tanz, auf den sie so lange hatte verzichten müssen. Mr. Berry umarmte beide und Juniper schloss erleichtert die Augen.

»Meine wunderbare Familie«, murmelte Mrs. Berry. »Wir sind wieder zusammen. Alles ist gut.«

Dem konnte Juniper nur zustimmen.

Am Tag der Party kamen fast fünfzig Gäste. Juniper kannte keinen von ihnen. Ihre Namen hatten auf den Ballons gestanden, und mithilfe einiger Angestellter ihrer Eltern hatte Juniper die Nachricht von der Party im Internet verbreitet. Sie hatte gehofft, dass die Besitzer der Ballons darauf stoßen und herkommen würden, um sich zurückzuholen, was sie verloren hatten.

Juniper war noch nie so froh gewesen.

Giles ging es genauso. Fast zeitgleich mit Junipers Eltern hatten die Abernathys ihre Ballons zurückbekommen. Sie waren ebenfalls überglücklich und schlossen Giles als den Sohn, den sie niemals hatten, in die Arme. Das Leben, so wie es sein sollte, kehrte zurück.

Doch nicht für alle. Denn nicht jeder kam zur Party. Vielleicht hatten einige die Einladung nicht gesehen, vielleicht war es für andere schon zu spät – so wie es für die Berrys fast zu spät gewesen wäre –, während andere vielleicht das Leben nicht aufgeben wollten, das sie im Tausch gegen einen Teil ihrer Seele erhalten hatten.

Der Garten hinter dem Haus war voller Ballons, und Juniper beobachtete begeistert, wie die Leute eifrig ihre Ballons suchten und sie öffneten wie Geburtstagsgeschenke. Überall waren strahlende Gesichter und Freudentränen zu sehen. Links und rechts von ihr fielen sich die Leute glücklich in die Arme, einige sangen oder spielten Spiele, als wären sie wieder Kinder.

Als Juniper und Giles zu der Stelle gingen, wo der Baum gestanden hatte, und seine Überreste betrachteten, tippte jemand Juniper von hinten auf die Schulter. »Ich hätte meinen Ballon auch gerne zurück«, sagte Dimitri.

Juniper sah zu ihm auf. »Ich dachte mir schon, dass ich Ihren Namen auf einem der Ballons finden würde. Sie wussten die ganze Zeit, was hier vor sich ging, oder?«

Dimitri nickte. »Als ich zum ersten Mal herkam, habe ich mit diesem … diesem Ding einen Handel geschlossen. Er kann sehr … überzeugend sein. Nachdem ich die Luft aus dem Ballon eingeatmet hatte, fühlte ich mich anders. Ich begann, mich zu hassen, und schwor mir, niemals zurückzukommen. Doch die Versuchung war immer da, darum wollte ich den Baum fällen. Dein Vater hat mich aufgehalten und ich bin froh darüber.«

»Warum?«, fragte Giles.

»Es wird immer Versuchungen geben, egal wohin uns das Leben führt, egal was wir tun. Es wird immer einen leichteren Weg geben. Doch damit gewinnt man nichts. Wir müssen lernen, der Versuchung zu widerstehen. Wir müssen stärker sein als sie. Ich habe hart gekämpft und gewonnen. Jeden Tag habe ich mich dem Baum und allem, wofür er steht, widersetzt. Aber ihr zwei seid anders. Ihr habt nicht für euch gekämpft, nicht nur für eure Eltern, sondern für viele andere. Darum seid ihr die stärksten Menschen, die ich kenne.« Er legte die Hand auf Giles’ Schulter. Dann entdeckte er seinen Ballon an einem Baum in der Nähe. »Wenn ihr mich jetzt entschuldigen würdet, ich habe lange auf diesen Moment gewartet.« Er ging davon, holte seinen Ballon und löste den Knoten.