»Sehen Sie zu, dass Sie auf den rechten Weg kommen und darauf bleiben«, rief er Grant nach. »Sonst …«
»Ja, Sir«, sagte Grant. »Das werde ich tun.«
Wieder draußen in der angenehmen Kühle des Korridors, erkannte Grant, dass Wo ihm keine Gelegenheit gegeben hatte, um eine Versetzung zum Mondobservatorium oder anderswohin zu bitten. Unglücklich überlegte er, wo das verwünschte Sicherheitsbüro sein mochte. Er wusste, dass es irgendwo entlang des Korridors sein musste; wenn er sich richtig an den Lageplan erinnerte, gab es nur diese eine Hauptpassage, die durch die ganze radförmige Station führte. Aber die Station war so groß, dass er womöglich eine Stunde oder länger zu gehen hatte.
Der Korridor lag noch immer still und leer; niemand war in Sicht, den er hätte fragen können. Dann sah er weiter voraus ein Videophon an der Wand. Er nutzte es, um den Lageplan der Station abzufragen und fand das Büro des Sicherheitschefs, eines gewissen Lane O'Hara.
Wie sich zeigte, war das Büro nur ein paar Schritte entfernt. Grant eilte das Stück Korridor hinauf und klopfte an die Tür, die O'Haras Namen trug.
»Herein.«
Der Raum war um einiges kleiner als der des Direktors. Grant vermutete, dass es ein Vorzimmer sein müsse, denn es enthielt nichts als einen kleinen Schreibtisch und einen einfachen Stuhl davor. Eine aufgeweckte junge Frau saß am Schreibtisch. Eine Sekretärin, dachte Grant. In der Wand gegenüber befand sich eine ungekennzeichnete Tür; dort musste O'Haras Büro sein.
»Ich bin Grant Archer. Der Direktor schickte mich hierher zu Mr. O'Hara.«
»Miss O'Hara«, berichtigte sie ihn. »Das bin ich.« Sie stand auf und streckte ihm die Hand über den Schreibtisch hin. Sie war mindestens zwei Zentimeter größer als Grant.
Der schüttelte ihr überrascht die Hand. »Sie sind der Sicherheitschef?«
»Eigentlich in Vertretung, aber der Chef ist zur Behandlung einer Krankheit in die Heimat zurückgekehrt und wird, wenn überhaupt, wohl erst nächstes Jahr wiederkommen. Ich bin Lane O'Hara … Elaine, wenn Sie auf meinem Taufschein nachlesen.«
»Ich verstehe.«
Lane O'Hara war allem Anschein nach nicht viel älter als Grant, gertenschlank und in einen weiten, schiefergrauen Rollkragenpullover und sonderbar aussehende glänzend schwarze Lederleggings gekleidet, deren Außennähte mit Reihen stumpfgrauer Metallknöpfe versehen waren. Ihr Gesicht war elfenhaft, mit hohen Backenknochen, einer Stupsnase, einem ziemlich spitzen Kinn und gefühlvollen Lippen, die ein angenehmes Lächeln zeigten. Ihre Augen waren von einem hellen Graugrün, und auch sie lächelten. Sie trug das kastanienbraune Haar im Nacken zu einem Knoten aufgesteckt.
»Was erwarteten Sie?«, fragte sie. »Einen hünenhaften rohen Kerl von einem Polizisten vielleicht?« Sie sprach mit einem singenden Tonfall, den Grant noch nie gehört hatte, musikalisch und charmant.
»So ungefähr«, sagte er und erwiderte ihr Lächeln, als er ihrer auffordernden Geste folgte und sich auf dem Stuhl vor ihrem Schreibtisch niederließ.
»Nun, solche haben wir auch«, sagte sie, als sie sich in ihren kleinen Drehstuhl setzte. »In einer Station dieser Größe braucht man dann und wann ein paar kräftige Burschen.«
Grant stellte sich ein paar streng blickende, stiernackige Wächter vor, wie er sie von der Schule her kannte.
»Also«, sagte O'Hara leichthin, »der Direktor ist sehr aufgebracht darüber, dass Sie in den Plänen der Station herumgeschnüffelt haben, um herauszufinden, was er im Anbau hat.«
»Ich war neugierig …«
»Natürlich waren Sie neugierig. Jeder ist es. Aber der Direktor ist eben ein bisschen paranoid, was den Anbau betrifft. Es ist sein spezielles Projekt, wissen Sie.«
»Ich wusste es nicht«, sagte Grant.
»Wie konnten Sie, da Sie erst eine Stunde vorher eingetroffen waren?« Sie hob die schmalen Schultern. »Nun, ich habe den Auftrag, Sie über die Sicherheitsvorschriften und alle damit verbundenen Fragen zu belehren. Es ist nichts weiter dabei. Ich werde versuchen, es so kurz zu machen, dass wir fertig werden, bevor die Cafeteria für die Nacht schließt.«
»Welche Zeit haben wir hier?«, fragte Grant.
Sie schüttelte bekümmert den Kopf. »Man hat Ihnen nicht einmal Gelegenheit gegeben, Ihre Uhr umzustellen?«
Grant merkte, dass er diese Art von Sicherheitschef mochte. Er glaubte sogar, dass die Unterweisung ihm Spaß machen würde.
9. „UNSERE INTELLEKTUELLEN VETTERN“
Er täuschte sich. Sobald sie anfing, die Sicherheitsbestimmungen der Station zu erläutern, wurde O'Hara streng geschäftlich. Sie brachte eine erstaunliche Menge von Bestimmungen, Einschränkungen und Verboten auf den Bildschirm, erläuterte sie und prüfte anschließend durch gezielte Fragen, wie weit Grant sich ihre Instruktionen eingeprägt hatte.
Zuletzt entließ sie Grant mit einem zögernden: »Das wird genügen müssen, denke ich«, aber nur um hinzuzufügen, dass die Cafeteria in fünfzehn Minuten aufhören würde, das Abendessen zu servieren.
»Ich weiß nicht, wo die Cafeteria ist«, jammerte Grant.
»Gehen Sie vor der Tür nach rechts und folgen Sie Ihrer Nase«, sagte O'Hara.
Grant stand auf und reckte sich, steif vom langen Sitzen auf dem unbequemen Stuhl.
»Sie sollten sich beeilen«, sagte O'Hara.
»Was ist mit Ihnen? Essen Sie nichts?«
Sie seufzte. »Doch, ich hoffe es. Aber vorher muss ich noch etwas erledigen. Laufen Sie nur zu!«
Grant folgte dem Rat und machte auf dem Weg zur Cafeteria nur einmal Halt, um an einem der öffentlichen Videophone die genaue Lage seines Ziels zu erfahren.
Als er sich der geschäftigen, voll besetzen, von Stimmengewirr und Geschirrgeklapper erfüllten Cafeteria näherte, merkte er, dass er seinen Ohren hätte folgen können. Zum ersten Mal seit Verlassen der Heimat fand Grant sich in einer vertrauten Umgebung. Die Düfte richtigen gekochten Essens statt der durch Mikrowelle erhitzten Fertiggerichte, die er an Bord des Frachters bis zum Überdruss gegessen hatte, trieben ihm beinahe Freudentränen in die Augen.
Die Cafeteria umfasste einen offenen Bereich zu beiden Seiten des Hauptkorridors. An den Rückwänden beider Seiten waren offene Küchenabteilungen hinter langen Büfetts zur Essenausgabe und Getränkeautomaten. Ein paar andere Spätankömmlinge standen mit Tabletts in den Händen vor den Essenausgaben und stellten ihre Abendmahlzeiten zusammen. Die Auswahl schien auf beiden Seiten gleich zu sein. Der gesamte teppichbelegte Bereich mit Ausnahme des vom Korridor beanspruchten Raums wurde von zwanglos gruppierten Tischen eingenommen. Leute gingen hin und her, suchten freie Tische, hielten Ausschau nach Freunden.
Grant kannte keinen Menschen in dieser Menge. Obwohl manche Tische schon geräumt waren, mussten mehr als hundert Männer und Frauen in der Cafeteria versammelt sein, schwatzten, aßen, lachten, lärmten — und alle waren ihm fremd.
Dann sah er Egon Karlstad mit zwei Frauen und einem muskulös aussehenden Schwarzen an einem Tisch sitzen. Aber am betreffenden Tisch gab es keine leeren Stühle, und Grant ging zur Essenausgabe und nahm sich ein Tablett. Als Neuling musste er sich damit abfinden, allein oder mit Fremden zu essen. Seine Stimmung hob sich rasch, sobald er die Qualität und Vielfalt der angebotenen Speisen sah. Die Fleischgerichte waren unzweifelhaft Sojaderivate, aber das Gemüse sah frisch und knackig aus, und die Früchte schienen direkt aus dem Garten Eden zu kommen, so köstlich und verlockend sahen sie aus.
Grant folgerte, dass die Blumen auf Dr. Wos Schreibtisch echt waren. Die Leute hier mussten ausgedehnte Hydrokulturen betreiben.
Er belud sein Tablett, nahm den größten Becher mit Sojamilch, den der Getränkeautomat anbot, und wanderte auf der Suche nach einem Platz durch das Labyrinth der Tische.