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Der Gorilla setzte sich auf die Keulen. Grant sah, wie der Blick seiner dunklen, rotgeränderten Augen von Karlstad zu ihm und wieder zurück ging. »Ee-ghon«, sagte der Gorilla in einem heiseren, angestrengten Flüsterton. Er erinnerte Grant an Direktor Wos heiser-gepresste Stimme.

»Gutes Mädchen, Sheena«, sagte Karlstad wie zu einem Kind. »Du hast Recht, ich bin Egon. Und dies ist Grant«, sagte er und zeigte auf seinen Begleiter.

Er spricht zu einem Gorillaweibchen von vielleicht zwei Zentnern, dachte Grant. Und der Gorilla antwortet!

»Grant ist ein Freund«, sagte Karlstad im gleichen gütigen Ton.

»Gant«, flüsterte der Gorilla.

»Richtig.« Karlstad wandte sich zu ihm und sagte: »Grant, dies ist Sheena. Sie arbeitet mit uns.«

Grant musste zweimal schlucken, bevor er etwas herausbrachte. »Ha … hallo, Sheena.«

Sheena sah ihn aufmerksam an, dann streckte sie ihm langsam und feierlich die dicke rechte Hand hin.

»Legen Sie Ihre Hand einfach in Sheenas«, sagte Karlstad mit halblauter Stimme. »Sanft und freundlich.«

Nicht ohne Herzklopfen streckte Grant die rechte Hand aus und berührte Sheenas lederige Handfläche. Ihre Hand war um einiges dicker und größer, und Grant konnte nicht umhin, sich vorzustellen, wie ihre Faust sich um seine Hand schloss und sie zerquetschte. Aber Sheena ließ seine Hand auf der ihren ruhen und blickte zu ihm, dann auf seine Hand. Langsam beugte sie den Kopf vor und schnüffelte geräuschvoll an Grants Hand.

Dann sagte sie: »Gant«, als wollte sie seinen Namen in ihrem Gedächtnis fixieren.

Schließlich zog sie ihre Hand zurück, und Grant ließ erleichtert den Arm sinken.

»Wir gehen jetzt, Sheena«, sagte Karlstad, noch immer im Ton eines Mannes, der freundlich mit einem Kind spricht.

Sheena dachte ein paar Sekunden darüber nach. »Ja«, sagte sie schließlich. »Du gehen.«

»Sagen Sie ihr gute Nacht«, raunte Karlstad ihm zu.

»Ah … gute Nacht, Sheena.«

»Gant«, antwortete der Gorilla. »Gant.«

Karlstad wandte sich langsam um und verließ die Kammer des Gorillas. Grant folgte ihm so dicht auf den Fersen, dass sie siamesische Zwillinge hätten sein können. Sie wanderten zurück, vorbei an den Fischtanks zu der Luke, wo sie das Aquarium betreten hatten. Grant hörte das schnaufende Atmen des Gorillas und wusste, dass Sheena ihnen folgte, nicht mehr als zwei oder drei Schritte hinter ihm. Die Delphine schienen sie anzugrinsen, als hätten sie ihren Spaß an der Aufführung.

»Das ist der verzwickte Teil«, bemerkte Karlstad mit halblauter Stimme, als sie hinausgingen. »Gorillaweibchen greifen gewöhnlich nicht an, und Sheena schon gar nicht, aber wenn sie es tun, dann geschieht es, wenn man ihnen den Rücken zukehrt. In Gefangenschaft können Gorillas ohne einen uns erkennbaren Grund jähzornig werden.«

Grant fühlte, wie ihm die Knie weich wurden.

»Blicken Sie sich nicht um«, riet Karlstad. »Wenn ihr in den Sinn kommt, uns anzugreifen, können wir nichts dagegen tun.«

Grant hörte sich mit unsicherer Stimme fragen: »Hat sie jemals jemanden angegriffen?«

Karlstad ließ sich mit der Antwort mehrere Herzschläge Zeit. »Nicht wirklich angegriffen«, sagte er dann. »Aber sie ist so verdammt stark, dass sie versehentlich Rippen gebrochen hat.«

»Was … wie kommt es, dass sie sprechen kann?«

»Das war Wos brillante Idee. Ließ einen künstlichen Kehlkopf mit Stimmbändern bauen und ihr chirurgisch einsetzen. Dann injizierte er ihrem Gehirn neuronale Stammzellen, um zu sehen, in welchem Maß ihre Intelligenz sich verstärken lässt.«

»Unsere intellektuellen Vettern«, erinnerte sich Grant.

Sie hatten die Luke erreicht. Karlstad stieß sie auf, und sie stiegen durch. Grant half ihm beim Schließen. Sheena stand in ihrer üblichen Haltung im Gang, halb aufgerichtet auf allen vieren, auf die Handknöchel gestützt. Karlstad winkte ihr zu, bevor er die Luke schloss. Grant fühlte sich besser, sobald die Verschlüsse einschnappten.

»Sheena ist noch weit davon entfernt, eine intellektuelle Cousine zu sein«, sagte Karlstad wieder im Gesprächston, als sie zu ihren Quartieren zurückmarschierten.

»Aber sie spricht«, sagte Grant. »Sie kann offensichtlich denken. Vielleicht fehlt es ihr nur an intellektueller Stimulation, an Zuwendung.«

»Natürlich kann sie denken. Die meisten Tiere können es. Aber Sheena wird nie über die Gehirnleistung einer Zwei- bis Dreijährigen hinauskommen. Schädelinhalt und Gehirnentwicklung lassen keine Leistungssteigerung auf das Niveau eines normalen erwachsenen Menschen zu.«

»Ich verstehe.«

Karlstad lachte grimmig. »Wo wollte ihr den Schädel öffnen und vergrößern, um mehr Raum für zerebrales Wachstum zu schaffen.«

»Was geschah?«

»Sheena war klug genug, zu erkennen, was vorging. Erinnerte sich wahrscheinlich nur zu gut an die Kehlkopfoperation. Kaum hatte man sie in den Operationsraum geführt, da riss sie sich los und rannte davon. Bei der Gelegenheit brach sie ein paar Rippen. Und Arme.«

»Also verstand sie, was geschehen sollte?«

»Und ob! Sie rannte zurück in ihre Kammer, und niemand konnte sie dort hervorlocken. Wir wollten sie betäuben und den Eingriff vornehmen, aber das medizinische Hilfspersonal war praktisch außer Gefecht gesetzt, und so war es unmöglich.«

»Und er versuchte es nicht wieder?«

»Noch nicht«, sagte Karlstad. »Aber er wird es tun. Der schlaue alte Wo gibt nicht auf. Der nicht.«

Im Korridor brannte jetzt die Nachtbeleuchtung und es war ganz still. Die meisten Leute waren in ihren Quartieren oder schliefen bereits. Außer einem Paar mittleren Alters, das Hand in Hand vor ihnen durch den im Zwielicht liegenden Korridor schlenderte, war niemand in Sicht.

»Also haben wir da hinten einen Gorilla, der frei herumläuft«, sagte Grant.

Karlstad wartete mit seiner Antwort, bis das Paar, das inzwischen umgekehrt war und ihnen entgegenkam, vorbeigegangen war, dann sagte er mit gedämpfter Stimme: »Sheena arbeitet als Bewacherin des Aquariums.«

»Warum braucht das Aquarium eine Wache?«

»Es braucht keine. Das alles ist Wos brillante Idee«, sagte Karlstad, noch immer mit gedämpfter Stimme. »Er ließ das Tier hierher schaffen, als es noch ganz klein war, also muss er zeigen, dass die Ausgaben für einen praktischen Zweck gemacht wurden.«

Grant schüttelte verwundert den Kopf.

»Wenigstens einen Vorteil hat Sheenas verbesserte Gehirnleistung.«

»Was für einen Vorteil?«

»Sie kann ihre Kammer in Ordnung halten und geht zur Toilette, wenn sie ein Geschäft verrichten muss.« Er lachte. »Natürlich musste sie die Toilettenbenutzung erst lernen, wie jedes Kind. Aber als sie erwachsen wurde, mussten wir einen besonders verstärkten Toilettensitz für sie anbringen.«

»Kann ich mir denken«, murmelte Grant. Er mochte sich das alles nicht vorstellen.

Als er in sein Quartier kam und die Tür hinters ich schloss, überlegte er, ob er Ellis Beechs Büro eine Nachricht schicken sollte. Delphine und Gorillas. Unsere intellektuellen Vettern. Dann dachte er, dass die Neue Ethik schon darüber Bescheid wissen musste. Wer konnte einen jungen Gorilla in voller Geheimhaltung in die Station schicken? Und erst Delphine!

Außerdem, dachte er erschöpft, worauf lief das alles hinaus? Warum brachte Dr. Wo diese Tiere hierher?

Was hat er vor? Das ist es, was ich herausfinden muss. Das ist meine Rückfahrkarte zu Marjorie.

Erst als er im Bett lag und eindämmerte, fiel ihm ein, dass Karlstad ihn überlistet hatte. Die Begegnung mit Sheena musste hier eine Art Initiationsritus sein. Er fragte sich, wie viele Neuankömmlinge vor Angst die Flucht ergriffen oder in Ohnmacht gefallen waren. Oder sich nass gemacht hatten.

Wenn er es recht bedachte, hatte er sich ganz gut gehalten. Karlstad konnte den anderen nicht viel erzählen. Von Angst gelähmt zu sein, hatte seine Vorteile, erkannte er.