»Sollen wir das Bild auf den Wandbildschirm schalten?«, fragte Karlstad.
»Und wenn jemand hereinkommt?«
Er zuckte die Achseln. »Ich werde den Bildschirm löschen, bevor sie Gelegenheit haben, sich darüber klar zu werden, was wir sehen.«
»In Ordnung«, sagte Grant und nickte.
Im Wandbildschirm erschien das Bild lebensgroß, aber etwas körnig. Er muss eine Mikrokamera benutzen, dachte Grant, mit einer faseroptischen Verbindung. O'Haras glatter weißer Tauchanzug haftete wie eine Haut an ihr. Sie hat keine so tolle Figur, sagte sich Grant. Schlank, beinahe knabenhaft. Beinahe.
Muzorawa kam in Sicht. Sein Tauchanzug war hellgrün, ließ aber seine kräftigen Beine bloß. Sie waren mit Implantaten besetzt, deren Metallknöpfe dicht an dicht aus der Haut standen, wie die offenen Stellen eines Leprakranken. Kein Wunder, dass sie die ganze Zeit lange Hosen tragen, dachte Grant. Ihn schauderte vor der Hässlichkeit der Verunstaltung.
Ein halbes Dutzend Techniker in grauen Overalls waren geschäftig an der Arbeit. Karlstad bediente eine Taste, und der Blickwinkel veränderte sich. Nun sahen sie über Muzorawas Schulter in den Delphintank. Aber es waren keine Delphine in Sicht. Statt ihrer enthielt der Tank etwas, was wie die Nachbildung einer Schalttafel aussah, eine breite, etwas gekrümmte Anordnung von Bildschirmen, Reihen von Kontrolleuchten und Knöpfen.
Grant sagte: »Hoffentlich platzt Sheena nicht dazwischen.«
»Nein, nein«, versicherte ihm Karlstad. »Die kleine Sheena ist sicher in ihrer Kammer, ruhig gestellt bis zu den knochigen Augenbrauen. Sie schläft wie ein Säugling.«
Zwei Techniker in dunkelgrauen Tauchanzügen stiegen die Leiter hinauf, die in die Trennwand zwischen zwei Tanks montiert war, und sprangen mit mächtigem Aufklatschen ins Wasser.
Grant sah, wie sie sich am Boden des Tanks niederließen. Blasen perlten von ihren Gesichtsmasken nach oben.
»Könnt ihr Nachtwächter nicht in den Tank hinein, ohne dass die Hälfte vom Wasser herausschwappt?«, schimpfte eine nasale Stimme. Der Versuchsleiter, dachte Grant, der alles von einem zentralen Punkt überwachte.
Die beiden Techniker winkten fröhlich vom Boden des Tanks.
»Also los«, sagte die Stimme des Versuchsleiters, etwas kratzig durch elektrostatische Störungen. »Lassen wir die Simulation durchlaufen.«
O'Hara nickte und zog die Haube ihres Tauchanzugs und ein transparentes Visier über den Kopf, das ihr ganzes Gesicht bedeckte. Zwei der Techniker halfen ihr mit den Armen durch die Schultergurte eines Sauerstoffbehälters, dann schlossen sie an dessen oberem Ende einen dünnen Schlauch an und führten ihn zu ihrer Gesichtsmaske. Um ihre schmalen Hüften legten sie einen mit Gewichten beschwerten Gürtel. O'Hara schloss die Schnalle.
Zwei andere Techniker taten das Gleiche für Muzorawa. Schließlich überprüften sie, dass die Luftzufuhr durch die Schläuche funktionierte.
»Hier alles klar«, sagte O'Hara. Ihre Stimme war durch die Maske gedämpft.
Muzorawa verlangte einen etwas stärkeren Luftstrom, und ein Techniker justierte die Einstellung auf seiner Sauerstoffflasche. Dann nickte er und machte einen Kreis mit dem rechten Daumen und Zeigefinger.
O'Hara wandte sich um und stieg die Leiter zum oberen Rand des Tanks hinauf. Grant sah, dass sie barfuß war.
»Radioüberprüfung«, sagte eine körperlose Stimme.
»O'Hara auf eins«, sagte sie. Es hörte sich etwas undeutlich an. Offenbar hatte sie ein kleines Funkgerät, eingebaut in die Gesichtsmaske.
Aber die Stimme des Versuchsleiters sagte: »Im Grün. Vorwärts und hinein.«
O'Hara schwang ihre langen Beine über den Rand des Tanks und glitt ins Wasser, ohne mehr als ein paar Riffel zu hinterlassen.
»Nun, das ist die Art und Weise, wie man ins Wasser geht«, sagte die bewundernde Stimme des Versuchsleiters.
Die beiden Techniker unten im Tank machten übertriebene Applausbewegungen.
Muzorawa erstieg die Leiter erheblich langsamer und schwerfälliger als O'Hara. Grant hatte den Eindruck, dass Zeb Schwierigkeiten bei der Koordination der Beinbewegungen hatte. Aber er schaffte es hinauf, schwang beide Beine über den Rand, als wären sie steife Holzstücke, und plumpste ins Wasser.
»Nun kommt der langweilige Teil«, murmelte Karlstad.
»Und was ist das?«
Grinsend antwortete Karlstad: »Die Arbeit, natürlich.«
O'Hara und Muzorawa glitten zu der Schalttafel und steckten ihre bloßen Füße in am Boden befestigte Schleifen. Die beiden Techniker hielten sich hinter ihnen in Bereitschaft.
»Simulation eins-a«, verkündete die Stimme des Versuchsleiters. »Trennung und Systemüberprüfung. Manuelles Verfahren.«
Die Schalttafel war in Brusthöhe angeordnet, sah Grant. Die zwei Scooter standen davor, verankert in den Fußschlingen, und arbeiteten sich durch eine lange Checkliste, die vom Versuchsleiter Punkt für Punkt angesagt und kontrolliert wurde. Es war wirklich langweilig, dachte Grant. Eintönig und sich immer wiederholend.
»Sie sagten, Dr. Wo werde an dieser Simulation teilnehmen«, sagte Grant zu Karlstad.
»Er wird schon kommen.«
»Wann?«
»Wenn das langweilige Routinezeug erledigt ist, wird der Alte seinen dramatischen Auftritt inszenieren, keine Bange.«
Ich sollte arbeiten, dachte Grant. Ich sollte die Daten in die Gleichungen einsetzen, um zu sehen, wie sie die Strömungskarten beeinflussen. Stattdessen aber beobachtete er O'Hara und Muzorawa, während sie geduldig und methodisch die Simulation absolvierten.
»Das ist der Trennungsvorgang«, sagte Karlstad. »Die Loslösung der Tauchsonde von der Station.«
»Und das dauert so lange?«
Karlstad grunzte. »Sie können nicht starten, bevor alle Bordsysteme doppelt kontrolliert sind und die Nabelschnur, die sie mit der Station verbindet, gekappt ist.«
»Aber trotzdem, können diese Verfahrensweisen nicht automatisiert werden? Ich meine, es gibt zuverlässige Computerprogramme für Systemüberprüfungen …«
»Achtung!«, unterbrach ihn Karlstad. »Da kommt er.«
Grant konnte nur die Techniker außerhalb des Tanks sehen, die sich umwandten und den Korridor entlangspähten, wo etwas oder jemand jenseits des Aufnahmewinkels der Kamera war. Er hörte Karlstad wieder die Computertastatur bedienen. Der Aufnahmewinkel veränderte sich und zeigte Dr. Wo, der in seinem elektrischen Rollstuhl zum Tank fuhr. Er trug einen hellroten Tauchanzug mit glänzenden Metallklammern über der unteren Hälfte seiner jämmerlich dünnen, schwachen Beine.
Wo rollte zum Tank, und die Techniker bildeten einen ehrerbietigen Halbkreis um seinen Rollstuhl.
»Dr. Wo«, sagte die körperlose Stimme des Versuchsleiters. »Wir haben den Trennungsvorgang abgeschlossen und sind bereit, mit der Simulation von Zündung und Eintritt zu beginnen.«
»Gut«, sagte der Direktor. »Ich werde jetzt an der Simulation teilnehmen.«
Niemand sagte ein Wort. Niemand rührte sich. Wo stemmte sich hoch und stand unsicher auf seinen von Stahlklammern gestützten Beinen. Nach einem langen, atemlosen Augenblick tat er einen Schritt zur Leiter. Noch einen Schritt. Mein Gott, dachte Grant, er tappt dahin wie Frankensteins Monster. Ohne ihre Hilfe wird er nie die Leiter hinaufkommen.
Als hätte er seine Gedanken gelesen, sagte Karlstad: »Der Handel, den unser Herr und Meister mit dem Versuchsleiter abgeschlossen hat, ist folgender: wenn er ohne fremde Hilfe die Leiter hinaufkommt, kann er in den Tank steigen und an der Simulation teilnehmen. Andernfalls nicht.«
»Als ob der Versuchsleiter ihm etwas verweigern könnte«, höhnte Grant.
»Während der Simulation ist der Versuchsleiter die oberste Instanz. Unangefochten. Wenn er nein sagt, ist es nein. Es spielt keine Rolle, zu wem er spricht. Für die Dauer der Simulation ist er der Chef.«