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Sie ist eine Freundin, sagte sich Grant. Wie ein Kind, eine kleine Nichte oder ein Nachbarskind. Sie warfen den Ball hin und her, bis die Deckenlichter ausgingen und von der schwachen Nachtbeleuchtung abgelöst wurden.

»Zeit zum Schlafen, Sheena«, sagte Grant und mühte sich auf die Beine. Oft schmerzten ihn vom langen Sitzen die Gelenke oder es schliefen ihm die Füße ein.

Sheena erhob sich auf alle viere und ging langsam auf ihren Knöcheln zu ihrer Kammer. Sie war so groß und ihr Gang so breit und behäbig, dass Grant ihr folgen musste; um neben ihr zu gehen, gab es nicht genug Raum.

Niemals lehnte sie sich auf, wenn die Schlafenszeit gekommen war, niemals versuchte sie sich zu widersetzen und den Zeitpunkt hinauszuzögern. Ihr Benehmen, erkannte er bald, war besser als das der meisten Kinder, die er in der Heimat gekannt hatte.

Pascal und ihre Assistenten hatten schließlich das Aufzeichnungsgerät hereingebracht und ein paar Meter von Sheenas Kammer in den Korridor gestellt. Sehr nahe bei ihrer Kammer, dachte er, als er es zuerst sah. Vielleicht allzu nahe. Der Gorilla stand im offenen Eingang ihrer Kammer, starrte angestrengt die massige graue Metallkonsole an und wandte sich dann zu Grant.

»Es ist in Ordnung, Sheena«, sagte er. »Bloß ein Gerät aus dem Neurolabor. Es wird dir nicht wehtun. Keine Sorge.«

Er wusste, dass sie nicht alle Worte verstehen konnte, hoffte aber, dass sein Tonfall sie beruhigen und ermutigen würde.

Sheena näherte sich vorsichtig der Maschine, schnüffelte misstrauisch, beklopfte sie mit beiden Händen und schlug sie dann plötzlich hart genug mit der flachen Hand, dass das Gerät trotz seiner blockierten Räder ein Stück verschoben wurde.

»Nein, nein!«, rief Grant, ging zu ihr und fragte sich, wie viel die Festkörperelektronik vertragen konnte.

Sheena wandte sich zu ihm um. Es war unmöglich, ihren Gesichtsausdruck zu deuten, aber Grant glaubte etwas in ihren Augen zu sehen — Verwunderung? Sorge? Angst?

»Es ist in Ordnung, Sheena«, wiederholte er. »Hab keine Angst davor.«

»Schlecht«, keuchte Sheena. »Schlecht.« Und sie stieß gegen das Gerät.

»Nein, es ist nicht schlecht. Hab keine Angst davor. Es wird dir nicht wehtun.«

Sie setzte sich schwerfällig und wandte den Kopf von Grant zu der stummen elektronischen Maschine und zurück zu Grant.

»Warum?«, fragte sie.

Grant zwang sich zu einem Lächeln. »Wir müssen sehen, wie dein Gehirn arbeitet, Sheena. Das ist alles.«

»Nein«, sagte der Gorilla entschieden. »Schlecht Ding.«

Grant streckte instinktiv die Hand aus und rieb Sheenas knochigen Kopf. »Ich werde nicht zulassen, dass jemand dir wehtut, Sheena. Ich werde es nicht zulassen.«

»Grant Freund.«

»Ja«, sagte er und nickte. »Ich bin dein Freund. Sie dürfen dir nicht wehtun. Niemals. Ich werde es nicht zulassen.«

Sheena schien darüber nachzudenken. Dann fragte sie: »Warum du?«

»Ich bin dein Freund, Sheena«, wiederholte Grant.

»Nicht mich.«

Grant verstand nicht, was sie meinte.

»Grant nicht mich«, sagte Sheena.

»Ich bin Grant, ja. Und du bist Sheena.«

»Grant nicht mich.«

Er überlegte, was sie ihm klarzumachen versuchte.

»Lane nicht mich.«

Nun traf es ihn wie ein Donnerschlag. Sie begriff, dass die Menschen verschieden von ihr waren!

»Fisch nicht mich«, sagte Sheena und zeigte mit einem langen kräftigen Arm zum Aquarium.

»Du bist …« Grant zögerte. Wie sollte er ihr antworten? Er holte tief Luft, dann sagte er: »Du bist Sheena. Sheena ist groß. Sheena ist stark.«

»Nicht wie mich.«

»Richtig, Sheena, niemand sonst ist wie du. Du bist der einzige Gorilla im Umkreis von einer halben Milliarde Kilometer.«

»Warum nicht wie mich?«

»Ich wünschte, ich könnte dir das erklären, Sheena«, sagte Grant mit Tränen in den Augen. »Ich wünschte wirklich, ich könnte es.«

10. INTELLIGENZ

»Es ist amtlich«, sagte Muzorawa.

»In dreißig Tagen geht es los.«

Er war ins Labor für Flüssigkeitsdynamik gekommen, um, wie er sagte, Grants Fortschritte bei der kartographischen Aufzeichnung der Meeresströmungen zu sehen. Grant war froh über seinen Besuch. Muzorawa hatte beinahe die ganze Zeit für die Tiefenmission trainiert, und Grant fand, dass er die unbeirrbare, ruhige Kameradschaft des älteren Mannes vermisst hatte.

»Dreißig Tage«, sagte er.

Muzorawa nickte ernst. »Ich glaube nicht, dass ich bis dahin oft Gelegenheit haben werde, Sie zu sehen. Wo steckt uns in Quarantäne.«

»Wozu Quarantäne?«

»Aus Sicherheitsgründen, sagt er. Niemand von der Besatzung darf Mahlzeiten in der Cafeteria einnehmen. Einer der Konferenzräume wird als Speisezimmer für uns hergerichtet.«

»Dann werde ich Sie überhaupt nicht zu sehen bekommen«, sagte Grant.

Muzorawa schenkte ihm sein warmes Lächeln. »Ich werde hin und wieder hereinschauen, aber nicht viel mit Ihnen arbeiten können.«

»Ich weiß.«

»Diese kartographische Arbeit, die Sie geleistet haben, wird uns eine große Hilfe sein. Eine sehr große Hilfe.«

»Ich hoffe es.«

Grant saß am Computertisch, den die Techniker mit einem holographischen Projektionsraum ausgestattet hatten, sodass er die ozeanischen Strömungen in drei Dimensionen betrachten konnte. Die Darstellung war in grellen Falschfarben, Stahlblau und Signalrot, um die wirbelnden, turbulenten Strömungen im Ozean deutlicher sichtbar zu machen. Trotzdem musste Grant genau an der richtigen Stelle sitzen und seinen Kopf im richtigen Winkel halten, um den dreidimensionalen Effekt zu erzielen.

Vom benachbarten Platz fragte Muzorawa: »Nun, haben Sie mir etwas Neues zu zeigen?«

»Vielleicht, denke ich.« Grant nahm den Kopfhörer auf, den er auf dem Schreibtisch abgelegt hatte, und rief seine letzte graphische Darstellung ab. Die Holographie erlosch und wurde von einem flachen Diagramm wellenförmiger Linien ersetzt, die mit roten Datenpunkten gesprenkelt waren.

»Schrotschussmuster«, murmelte Muzorawa.

»Nicht genau«, widersprach Grant. Er fuhr mit ausgestrecktem Finger eine der Linien nach und erklärte: »Wenn Sie alle Datenpunkte zeitlich integrieren, bekommen Sie etwas, das wie eine Periodizität aussieht.«

Muzorawa richtete sich auf. »Periodizität?«

»Die Gewitterstürme tragen Energie von unten in die obere Atmosphäre, nicht wahr?«

»Richtig«, sagte Muzorawa in vorsichtigem Ton.

Grant zeigte auf den Bildschirm und sagte: »Die Gewitterstürme kommen in Zyklen. Sowohl ihre Frequenz wie auch ihre Intensität verändern sich alle paar Tage. Das heißt alle paar Erdentage.«

»Wie wäre das zu erklären?«

Grant lächelte. »Ich halte es für eine Gezeitenwirkung. Es scheint ein Zusammenhang mit den Positionen der vier großen Monde zu bestehen. Sehen Sie …« — wieder zeigte er auf die Linien — »wenn alle vier auf derselben Seite des Planeten sind, entfalten die Stürme ihre größte Aktivität — auf eben dieser Seite des Planeten.«

Lange starrte Muzorawa schweigend auf die Darstellung. Schließlich fragte er: »Wie verlässlich sind diese Daten?«

»Einige gehen ein Vierteljahrhundert zurück«, räumte Grant ein. »Ich habe sogar Datenpunkte von den frühesten Missionen, bevor diese Station gebaut wurde.«

»Gezeitenwirkungen.« Muzorawa schüttelte den Kopf. »Schwer zu glauben.«

»Aber sie sind da«, beharrte Grant. »Klein aber eindeutig vorhanden.«

»Wie im Namen des Propheten könnten Gezeitenwirkungen die Gewitterstürme beeinflussen?«

Mit einer kleinen wedelnden Handbewegung antwortete Grant: »Es könnten elektromagnetische Kräfte daran beteiligt sein, ebenso wie die Gravitation.«