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»Elektromagnetisch?« Muzorawa beäugte ihn ungläubig.

»Io und die anderen Galileischen Monde schneiden die Linien von Jupiters Magnetfeld, nicht wahr?«

Muzorawa ließ sich in den Stuhl zurücksinken und dachte nach. Ohne bewusst zu überlegen, rief Grant eine Echtzeitansicht von Jupiter für den großen Wandbildschirm ab. Der Planet dräute über ihnen, gewaltig und Furcht einflößend. Wolken bildeten Streifen und Wirbel, Blitzentladungen zuckten hier und dort entlang des Terminafors und in der Nachtseite des Planeten. Glühwürmchen?, dachte Grant. Eher wie Wasserstoffbomben; jede Blitzentladung setzte Megatonnen von Energie frei.

Mit wachsender Lebhaftigkeit sagte Muzorawa: »Das ist sehr interessant, Grant. Äußerst interessant. Ich werde die Aufzeichnungen überprüfen müssen, so weit wir zurückgehen können … bis zur Sonde Galileo, wenn nötig.«

»Das kann ich machen«, sagte Grant. »Sie werden in den nächsten paar Wochen genug zu tun haben.«

Muzorawa stimmte mit einem widerwilligen Nicken zu. Dann fragte er: »Haben Sie irgendwelche Gezeitenwirkungen im Roten Fleck beobachtet?«

Die Frage überraschte Grant. »Sie haben doch nicht vor, in den Fleck zu gehen, wie?«

»Gott behüte!« Muzorawa hob beide Hände. »Ich frage mich bloß, ob der Fleck sich in einer vorhersehbaren Weise verändert.«

»Es gibt nicht genug Daten aus dem Innern des Roten Flecks«, sagte Grant. »Ich habe vereinzelte Daten aus der Zeit vor fünf Jahren und mehr, aber auch damals überlebten die Sonden nicht länger als ein paar Minuten; zu kurz, um wirklich aufschlussreiche Daten zurückzusenden.«

»Sie hörten auf, Sonden in den Roten Fleck zu schicken, als Wo die Station übernahm«, sagte Muzorawa. »Er hielt es für eine Vergeudung von Zeit und Mühe.«

»Er hat Recht. Das ist ein unglaublich mächtiger Zyklon dort unten.«

»Ja, richtig. Trotzdem …«

Ohne den Blick vom Bildschirm zu wenden, fragte Grant wieder: »Sie werden nicht in der Nähe des Flecks hinuntergehen, oder?«

»Nein, natürlich nicht. Wir werden auf der entgegengesetzten Seite des Planeten sein.«

»Wie tief wollen Sie hineingehen?«

»Tief genug, um festzustellen, was diese Dinger sind, die wir bei der ersten Mission im Ozean schwimmen sahen.«

»Glauben Sie wirklich, dass sie lebendig sind?«, fragte Grant.

Muzorawa wandte sich vom Bildschirm zu Grant. »Wie hoch ist oben?«, fragte er.

Grant verstand. Stelle keine nutzlosen Fragen. Die erste Mission hatte im Ozean Objekte ausgemacht. Diese neue Mission sollte versuchen, diese Objekte wieder zu finden und zu bestimmen, was diese Objekte waren. Bis mehr Daten darüber vorlagen, konnten Fragen über die Natur der Objekte nicht beantwortet werden.

Aber dann nickte Muzorawa kaum merklich. »Ich glaube, sie sind lebendig, ja. Aber das ist nur eine Meinung, eine Frage des Glaubens — oder vielleicht wäre es besser zu sagen, eine Frage der Hoffnung. Bis wir Beweise bekommen, ist das alles, was wir haben: unser Glaube, unsere Vermutungen, unsere Hoffnungen und unsere Befürchtungen.«

»Befürchtungen?«

»O ja, Befürchtungen.« Muzorawa zeigte auf den großen Wandbildschirm. »Es gibt viele Leute, die fürchten, was wir unter diesen Wolken entdecken könnten.«

Grant sah ihn erstaunt an. »Wer? Niemand hier in der Station, nicht wahr?«

»Wahrscheinlich nicht«, antwortete Muzorawa. »Wo hat das gesamte Personal hier ziemlich gründlich durchleuchtet.« Er zögerte, überlegte seine nächsten Worte, dann sagte er: »Zuerst fürchtete er Sie, wussten Sie das?«

»Er fürchtete mich

Muzurawa lächelte. »Ja. Er befürchtete, Sie wären ein Agent der Zeloten, um seine Arbeit auszuspionieren.«

»Der Zeloten?«

»Der Glaubenseiferer. Sie sind immer unter uns, Menschen, die neues Wissen fürchten. Vor bald tausend Jahren vernichteten sie einen großen persischen Astronomen und Mathematiker: Omar Khayyam.«

»Ich dachte, er sei ein Dichter gewesen.«

Muzorawa schüttelte bedächtig den Kopf. »Seine Vierzeiler waren ein Steckenpferd von ihm. Er war vor allem Wissenschaftler. Er fand drei Jahrhunderte vor Kopernikus heraus, dass die Eide sich um die Sonne dreht. Dafür musste er sterben. Bis heute weiß niemand, wo er begraben liegt.«

»Glaubenseiferer …« murmelte Grant.

»In meinem Teil der Welt nennen Sie sich ›Das Schwert des Islam‹. Sie haben genug von diesen Fanatikern unter Ihrer Neuen Ethik, nicht wahr?«

»Aber ich bin keiner von ihnen!«

»Dr. Wo war Ihrer nicht sicher. Darum gab er uns Anweisung, Ihnen sensible Informationen vorzuenthalten.«

»Aber warum sollte die Neue Ethik oder die Zeloten oder wer immer ihn ausspionieren?« Grant sagte es mit schlechtem Gewissen, weil es auf eine bewusste Täuschung seines Mentors und Freundes hinauslief. Aber ich bin kein Zelot, sagte er sich, kein religiöser Eiferer. Das nicht!

Muzorawa legte Grant seine Hand auf die Schulter. »Junger Freund, es gibt mächtige Strömungen, die neues Wissen fürchten. Das Studium außerirdischer Lebensformen missfällt ihnen.«

»Ich weiß, dass einige Strenggläubige mit der Idee außerirdischen Lebens nicht glücklich sind«, gab Grant zu, »aber …«

»Wenn sie mit außerirdischen Bakterien und Flechten nicht glücklich sind«, unterbracht ihn Muzorawa, »wie werden sie erst über die Begegnung mit intelligenten außerirdischen Lebensformen denken?«

»Intelligenten?«

»Die Möglichkeit besteht.«

Grant hatte ein hohles Gefühl im Magen. »Intelligente Wesen? Sie meinen, hier auf Jupiter?«

»Die Möglichkeit besteht«, wiederholte Muzorawa. »Aber die extremen Bedingungen … und es gibt keine Beweise …«

»Sie haben keine Beweise gesehen. Dr. Wo vertraut Ihnen noch immer nicht vollkommen.«

»Sie meinen die Dinger, die Sie im Ozean sahen?«

»Er glaubt es«, sagte Muzorawa.

»Intelligent?«

»Es gibt nicht einmal genug Daten, um zu beweisen, dass es sich um lebende Organismen handelt. Aber der Direktor glaubt, dass sie nicht nur lebendig, sondern auch intelligent sein mögen.«

Endlich ging Grant ein Licht auf. »Darum hat er die Delphine in die Station bringen lassen. Und Sheena!«

»Ja, um nichtmenschliche Intelligenz zu studieren. Um uns auf die Probleme einer möglichen Kommunikation mit den Jovianern vorzubereiten.«

»Alles das nur auf der Grundlage seines Glaubens, seiner Vermutung?«

»Der Glaube ist eine mächtige Kraft, junger Freund. Mächtiger als Sie denken. Kopernikus glaubte, dass die Erde um die Sonne kreist. Maxwell glaubte, das Licht sei eine Form elektromagnetischer Strahlung und hatte dafür keine weiteren Hinweise als die Koinzidenz von Zahlen in seinen Gleichungen.«

»Und die Kreationisten glauben, dass Gott uns nach seinem Ebenbild erschaffen habe. Außerirdisches Leben bedroht diesen Glauben.«

»Und intelligentes außerirdisches Leben zerstört ihn.«

»Aber wir wissen seit Jahrzehnten von den Marsbewohnern«, konterte Grant.

»Sie sind längst ausgestorben«, sagte Muzorawa. »Und sie können von den Gläubigen wegerklärt werden.«

Grant nickte. Sein eigener Vater glaubte fest daran, dass die seit Jahrmillionen verschwundenen Marsbewohner zur Erde gekommen seien, und dass der Mars der ursprüngliche Garten Eden gewesen sei. Alle archäologischen und anthropologischen Beweise und Erkenntnisse zeigten, dass solch eine Vorstellung unsinnig war, ganz und gar unmöglich, aber viele Gläubige hielten daran fest. Weil sie es glauben wollten.

»Intelligentes außerirdisches Leben«, fuhr Muzorawa fort, »das uns in keiner Weise ähnelt, ist eine beängstigende Vorstellung für viele Menschen in vielen Religionen.«