Dann wieder warnte ihn eine innere Stimme, dass er auf einem Pulverfass sitze. Alles kam darauf an, keine unüberlegten Schritte zu tun. Diese Geschichte konnte ihn das Leben kosten.
Wie sich herausstellte, war die Befehlszentrale ein nicht weiter bemerkenswerter kleiner Raum, in dem sich sechs Schreibtische mit Datenanschlüssen und Kommunikationseinrichtungen drängten. Es sah so aus, als wäre alles mit dem Schuhlöffel in ein Abteil hineingezwängt worden, das mehrere Nummern zu klein war. Es gab kaum genug Platz, um sich mit Verrenkungen zu den kleinen Stühlen der Arbeitsplätze durchzuwinden. Direktor Wo hatte jedoch einen separaten Schreibtisch vor sich, genau in der Mitte des Raums und mit einem schmalen Gang, der von der Korridortür direkt zu seinem Platz führte. Dieser Mittelgang war der einzige freie Raum in der Zentrale.
Die Bildschirme waren mit der Simulationskammer im Aquarium verbunden, und so bekam Grant Muzorawa und O'Hara und die anderen in jeder Schicht zu sehen, wenigstens auf dem Bildschirm. Und auch Karlstad, der angespannt und beinahe ängstlich auf seinem Unterwasserposten stand, die Füße in Plastikschlaufen, die ihn am Boden verankerten.
Dr. Wo setzte Grant an die Konsole zur Überwachung der elektrischen Energiesysteme der Tauchsonde. Frankovic, der neben ihm für die lebenserhaltenden Systeme zuständig war, hatte den Auftrag, Grant über alles zu belehren, was dieser wissen musste.
»Hat er Sie also auch in dies hineingesaugt«, sagte Karlstad in sein Kehlkopfmikrofon, als Grant zuerst in die Befehlszentrale kam und die Besatzung im Tank begrüßte.
»Wir sind eben eine festgefügte kleine Familie«, erwiderte Grant.
»Glauben Sie bloß das nicht«, stieß Karlstad hervor. »Wir sind Gefangene. Marionetten an seinen Fäden. Er bewegt die Finger, und wir tanzen.«
Krebs platschte in den Simulatortank und Karlstad verstummte.
Grant wandte sich zu seinem Nebenmann Frankovic. »Es wird Zeit, dass Sie mir zeigen, was ich hier tun soll«, sagte er. Der schmale kleine Stuhl war alles andere als bequem.
»Sie wollen sich wohl mit Wo auf guten Fuß stellen?«, sagte Frankovic. »Das ist ein sehr zweifelhaftes Beginnen. Bisher ist noch jeder dabei auf den Bauch gefallen.«
Die Abende verbrachte Grant mit Sheena, ganz gleich wie müde er nach den langen Stunden in der Befehlszentrale war. Er verstand jetzt Dr. Wos Interesse am Gorilla und den Delphinen. Wie verständigen wir uns mit einer anderen Spezies? Wie machen wir uns Lebewesen verständlich, die nichts mit uns gemeinsam haben?
Nicht selten trug Grant sein Abendessen hinunter zum Aquarium und aß mit dem Gorilla. Natürlich zog Karlstad ihn damit auf, aber Grant wollte, dass Sheena die Kopfbedeckung mit den neuralen Kontakten mit möglichst wenig Aufhebens akzeptierte. Nachdem er sich mehrere Abende mit dem Netz auf dem Kopf zu ihr gesetzt hatte und sich dabei ziemlich albern vorgekommen war, brachte er ein zweites mit und bot es Sheena an.
Sie schien zwischen Neugier und Furcht hin und her gerissen. Zuerst sah sie nur von dem Kontaktnetz auf Grants blondem Haar zu dem anderen, das neben ihm am Boden lag.
Er teilte seinen Früchtebecher mit Sheena, als sie mit ihren vom Sirup klebrigen Fingern das Netz vom Boden nahm. Sie hielt es vors Gesicht und untersuchte das mit Elektroden besetzte Geflecht der Drähte, das wie ein geheimnisvoller Schmuck in ihrer Hand hing.
Grant tippte an sein eigenes Netz, lächelte und sagte: »Lustiger Hut, Sheena.«
»Lustig Hut«, brachte sie in ihrem heiseren Flüstern hervor.
»Ich hab ihn dir mitgebracht.«
Sheenas tiefbraune Augen blickten von dem baumelnden Netz zu Grants Gesicht und wieder zurück.
Er sagte nichts. Langsam hob Sheena das Netz höher und ließ es dann ungeschickt auf ihren Kopf fallen. Es glitt ab und landete mit einem leisen metallischen Ticken am Boden.
»Ich helf dir«, sagte Grant und griff nach den Drähten.
»Nein.« Sheena stieß seine Hand zurück. Es war nur eine wischende Armbewegung, aber kräftig genug, dass Grant beinahe das Gleichgewicht verlor. Er hatte vergessen, wie stark der Gorilla war. Er hatte sich so an ihr gutmütiges Wesen gewöhnt, dass er es für selbstverständlich hielt. Das war ein Fehler.
Sheena fummelte mit dem Netz, diesmal mit beiden Händen, und legte es wieder über ihren Kopf. Es saß schief und vorn über einem Auge, rutschte aber nicht ab.
Der Anblick war lächerlich, und Grant verbiss sich ein Lachen. »Gutes Mädchen, Sheena«, lobte er sie.
»Lustig Hut«, sagte der Gorilla.
»Lustig Hut«, pflichtete er ihr bei und legte die flache Hand auf seinen Kopf.
In einer Woche, dachte er, konnten sie das Netz anschließen und anfangen, Ablesungen von ihrer Gehirntätigkeit zu machen. Zuvor aber musste sie sich daran gewöhnen. Er beschloss, sich von Pascal zeigen zu lassen, wie man die Konsole bediente. Es war nicht zweckmäßig, Fremde ins Spiel zu bringen; es würde Sheena nur aufregen.
Er holte tief und erleichtert Atem. Nein, sagte er sich, Sheena in Aufregung zu versetzen, brachte niemandem etwas. Nur Geduld konnte zum Ziel führen.
DRITTER TEIL
Da sieht man Weise sterben, wie Tor und Narr vergehen …
Der Mensch bleibt nicht im Ansehen, er gleicht den Tieren, die untergehen.
1. GENERALPROBE
Der Monat verging wie ein einziger kurzer Tag. Grant arbeitete Doppelschichten in der Befehlszentrale der Missionsleitung, eingezwängt neben Frankovic, während er die Bildschirme beobachtete, wo Lane, Karlstad, Irene Pascal und Muzorawa unter Dr. Krebs' strengem Blick im Aquarium an den Simulatoren arbeiteten.
Anfangs gebrauchten sie nur die manuellen Steuerungselemente im Simulationstank, aber nach einigen Tagen begannen sie, die Verbindung mit den Bordsystemen der Tauchsonde durch die Biochip-Elektroden zu nutzen.
Dr. Wo saß an seinem Datenanschluss in der Mitte der Befehlszentrale so lange die Simulationen liefen, doch gewann Grant den Eindruck, dass der Direktor oft geistesabwesend aussah, ohne Reaktion auf die Vorgänge im Aquarium. Vielleicht sorgte er sich wegen der Untersuchungskommission der IAB, die unterwegs zur Station war und sie voraussichtlich sieben Tage nach dem Beginn der Mission erreichen würde.
Abends aßen sie im Konferenzraum und besprachen die Tagesarbeit. Krebs aß selten mit ihnen, und wenn sie es tat, wurde sie von den anderen gemieden und aß mit finsterer Miene allein am Kopfende des Tisches. Die einzigen Worte, die sie für die Mannschaft fand, waren Warnungen vor Verstößen gegen Sicherheitsbestimmungen und Beschwerden, dass ihre Arbeit im Simulator nachlässig oder sogar schlecht gewesen sei.
Die meisten Abende stahl Grant sich frühzeitig fort, um einige Zeit mit Sheena zu verbringen. Die anderen waren so auf die Mission und die damit zusammenhängenden Fragen fixiert, dass sie Grants »Verabredungen« mit dem Gorilla kaum erwähnten. Sogar Karlstad hatte ein neues Thema für die Tischgespräche gefunden.
»Mein Gott«, sagte er eines Abends beim Essen, »auf diese Weise angeschlossen zu sein, ist wirklich besser als Sex — beinahe.«
»Wenn Sie sich daran gewöhnt haben und die Möglichkeiten ausschöpfen«, erklärte Muzorawa, »können Sie über die Biochips sogar Verbindung miteinander herstellen. Es ist fast wie Telepathie.«
»Tatsächlich?« Karlstad wandte sich mit einem begehrlichen Blick zu O'Hara.