Ich atme Luft!
Der chirurgische Eingriff hat nicht geklappt, war sein erster Gedanke. Die Mission bleibt mir erspart. Er wollte lachen, aber Enttäuschung und Scham überspülten sein Gefühl von Erleichterung.
Seine Beine schmerzten. Den Kopf zu heben, erforderte einige Anstrengung, doch als es ihm gelang, sah er, dass er ein weites grünes Krankenhaus-Nachthemd trug, das zwei Handbreit über den Knien endete — und dass die Außenseiten seiner Beine mit Metallelektroden besetzt waren.
Das Fleisch um diese nietenähnlichen Metallköpfe war rot, entzündet und gekräuselt.
Mit zitternden Händen fasste er sich an den Hals. Hinter den Ohren waren Plastikanschlüsse für die Schläuche der intravenösen Ernährung eingesetzt. Sie waren kaum größer als Centmünzen, aber sie zu berühren, ließ ihn erschauern. Es war ein übles Gefühl, diese Anschlüsse zu betasten, denn er wusste, dass sie unter seiner Haut in die Halsadern führten.
»Wie fühlen Sie sich, mein Freund?«
Grant wandte ein wenig den Kopf und sah Muzorawa neben seinem Bett sitzen. Zeb lächelte vorsichtig, wie ein Mann, der auf gute Nachricht hofft.
»Etwas schwindlig«, sagte Grant und ließ den Kopf aufs Kissen zurücksinken.
»Das ist normal.« Muzorawa zeigte zu den Monitoren über Grants Kopf und sagte: »Ihr Zustand scheint recht gut zu sein.«
»Wie lange war ich ohnmächtig?«
»Ungefähr sechs Stunden, glaube ich.«
»Und die ganze Zeit saßen Sie hier?«
Muzorawa schmunzelte. »Nein, wir wechselten ab. Ich kam erst vor ein paar Minuten. Wären Sie früher erwacht, hätten Sie an meiner Stelle Lane gesehen.«
»Oh.«
»Der Eingriff verlief glatt«, sagte Muzorawa. »Sie waren ein ausgezeichneter Patient.«
»Das ist gut, nehme ich an.«
»Besser als Sie wissen.« Dann verlor sich Muzorawas Lächeln. »Während Sie in Narkose waren, bekamen wir Irenes Autopsiebericht.«
»Was ging daraus hervor?«
»Sie hatte eine schwere Ladung Amphetamine im Blut.«
»Was?« Trotz seines Schwindelgefühls richtete Grant sich zu sitzender Haltung auf.
Muzorawa hob die Hände und ließ sie wieder auf die Schenkel fallen. »Anscheinend wirkten diese Amphetamine in der Hochdruckumgebung stärker als normal auf das Zentralnervensystem.«
»Und das verursachte ihren Herzinfarkt?« Grant konnte es nicht glauben.
Muzorawa nickte.
»Aber weshalb hat sie das Zeug genommen?«, fragte Grant.
»Vielleicht, um ihre Angst zu beherrschen. Oder ihre Reaktionsfähigkeit und Wachsamkeit zu erhöhen …« Seine Stimme verlor sich in Schweigen.
»Sie glauben das nicht, wie?«
Muzorawa schüttelte den Kopf. »Nein. Ich habe nie gewusst, dass Irene Drogen irgendwelcher Art nahm. Ganz gewiss keine Kokainderivate.«
»Sie bekam etwas von Red Devlin«, erinnerte sich Grant.
»Wann?«
»Mehrere Tage bevor Sie in den Tank eintauchten. Muntermacher, nannte er die Pillen, glaube ich.«
Muzorawa runzelte die Stirn. »Ich werde mit Devlin sprechen. Aber ich kann nicht glauben, dass Irene Speed oder etwas Ähnliches nehmen würde, schon gar nicht während der Mission. Sie wusste es besser.«
»Aber vielleicht … wenn sie sich fürchtete …«
»Es hätte ihr ganz und gar nicht ähnlich gesehen.«
»Wie soll es dann in ihr Blut gekommen sein?«
Muzorawa beugte sich näher zum Bett. »Vielleicht wurden ihr die Amphetamine ohne ihr Wissen beigebracht.«
»Sie meinen, jemand hätte ihr das Zeug ins Essen getan?«
»Oder in ihr Getränk.«
»Aber wer würde das tun?«
»Ein Zelot.«
»Devlin? Ein Zelot?« Grant hätte beinahe gelacht.
»Vielleicht.«
»Nein«, erwiderte Grant. »Ausgeschlossen. Woher sollte er wissen, wie das Zeug auf Irene wirken würde, wenn sie in der Tauchsonde war? Wie sollte irgendjemand es wissen?«
Muzorawa schüttelte sehr ernst den Kopf. »Mein Freund, Sie nehmen an, dass die Zeloten allesamt unwissende, irrationale Dummköpfe seien. Das ist falsch. Ein Mensch kann intelligent und sehr gebildet und trotzdem ein religiöser Fanatiker sein.«
»Es konnte nicht Devlin sein«, murmelte Grant, mehr zu sich selbst als zu Muzorawa. »Er … er ist bloß ein besserer Koch.«
»Er ist ein höchst einfallsreicher Mann«, sagte Muzorawa. »Sehr tüchtig, in seiner Weise.«
»Aber er ist kein Zelot. Er ist ein Typ, der fünf gerade sein lässt. Er kann es nicht gewesen sein.«
»Warum nicht? Glauben Sie, alle Zeloten seien wild blickende Hysteriker? Ein Mann mag lächeln und doch ein Schurke sein, wie Shakespeare sagte.«
»Aber … Devlin?« Grant blickte in Muzorawas wachsame dunkle Augen. »Glauben Sie nicht, dass es wahrscheinlicher wäre, wenn einer von uns dahinter steckte? Einer von der Besatzung?«
»Nein, ganz sicher nicht. Das wäre wie Selbstmord.«
»Aber einem Zeloten würde es nichts ausmachen, sein Leben hinzugeben, wenn er damit sein Ziel erreichte. Oder ihres.«
»Ich kann nicht glauben, dass es Egon oder Lane war.«
»Was ist mit Krebs?«
»Krebs?«
»Sie ist unheimlich, Zeb. Ich denke, dass sie vielleicht verrückt ist.«
Muzorawa dachte eine Weile nach. Dann sagte er mit gedämpfter Stimme: »Wenn es tatsächlich Krebs war, dann sind wir alle zum Untergang verurteilt.«
12. TRAINING
Der Chirurg, der Grant die Biochips und Elektroden implantiert hatte, war ein glattgesichtiger, scharfzüngiger Zuchtmeister: jung, nicht viel älter als Grant, offensichtlich begabt und sich seiner Talente bewusst, ungeduldig mit seinem knapp bemessenen Personal, seiner Dienstpflicht, den Einrichtungen der Station und insbesondere seinen Patienten.
»Sie können nicht ewig im Bett bleiben«, erklärte der Chirurg, kaum dass er den Plastikvorhang auf der Seite von Grants Alkoven zurückgezogen hatte. Zwei weitere Ärzte standen in respektvoller Distanz hinter ihm und sahen zu. »Dr. Wo will Sie auf den Beinen sehen. Jetzt.«
Mit einiger Beklommenheit hob Grant die Beine und schwenkte sie vom Bett. Sie fühlten sich wie Holzstücke an, als gehörten sie nicht zu ihm.
»Lassen Sie das Bett los!«, verlangte der Chirurg. »Stehen Sie auf ihren eigenen Beinen!«
Grant versuchte es und stand leicht schwankend da. Ihm war, als müsse er jede Sekunde umfallen. Der Chirurg musterte ihn finster, die Fäuste in die Hüften gestemmt. Die beiden anderen Ärzte sahen schweigend zu.
»Gut, nun gehen Sie auf mich zu«, sagte der Chirurg und streckte die Hände aus.
Grant tat einen zögernden, unbeholfenen Schritt. Seine Beine schmerzten; ein Stechen ging von den Implantaten aus.
Der Chirurg ging rückwärts und winkte ihn voran. »Kommen Sie, nur zu!«
Grant setzte den anderen Fuß nach vorn. Es war wie das Vorziehen eines toten Gewichts, aber eines toten Gewichts, das vor Schmerz brannte.
»Nun los, gehen Sie schon, verdammt!«, schrie der Chirurg. Die Ärzte hinter ihm zogen sich zurück, blieben auf Distanz von ihrem Chef.
Grant zwang sich zu einem weiteren Schritt, dann strauchelte er. Er streckte die Hand instinktiv nach dem Chirurgen aus, konnte aber nur dessen Ärmel zu fassen bekommen, als er stürzte und schmerzhaft hinschlug.
»Gott im Himmel!«, jaulte der Chirurg. »Reißt mir der Kerl doch den Ärmel aus dem Hemd!«
Er kehrte Grant den Rücken und stapfte zornig davon. Seine Assistenzärzte eilten ihm nach. Grant blieb allein am Boden liegend zurück.
»Der ungeschickteste verdammte Trottel, der mir je untergekommen ist«, hörte er den Chirurgen laut klagen. »Tölpelhafter Kerl! Wo wird der Schlag treffen, wenn er davon hört.«