Draußen begann ein Wind zu heulen und zu kreischen, als protestiere er gegen ihren Eintritt in die Atmosphäre. Grant lachte in sich hinein. Nur zu, tu was du willst!, forderte er Jupiter heraus. Die Kraft der Triebwerke war seine eigene Kraft, sein eigener Körper stand gegen die blinde Wut dieser fremden Welt. Die Tauchsonde schwankte und wurde von Stößen hin und her geworfen, blieb aber auf ihrem Kurs und drang tiefer in die Wolkenhülle ein. Grant fühlte sich wie ein erbarmungsloser Eroberer, der sich einer heftig widerstrebenden Frau aufzwang. Er vergewaltigte Jupiter, und wie dieser auch widerstand, er war zu mächtig, zu rücksichtslos, um Barmherzigkeit oder Zurückhaltung zu zeigen.
Plötzlich schalteten sich die Triebwerke ab. Grant fühlte es wie einen Schlag in die Magengrube. Er keuchte, würgte beinahe. Einen endlosen Augenblick stand er schwankend in den Fußschlaufen, die Hände zu Fäusten geballt. Er war entsetzt über seine eigenen Gedanken, seine Empfindungen. Schuldgefühl, Scham und Schrecken über die primitive, in ihm vergrabene Wildheit peinigten seine Seele. Er konnte den Wind lauter kreischen hören, als der Sturz der Tauchsonde durch die tiefe Atmosphäre andauerte. Er fühlte, wie die Außenhaut durch die Reibungshitze weißglühend aufleuchtete.
Sie stürzten jetzt durch die tiefe Atmosphäre, angezogen von der mächtigen Schwerkraft Jupiters, keine Eroberer mehr, sondern bescheidene Diener, die der massiven Anziehungskraft des Planeten gehorsam waren.
Grant öffnete die Augen und blickte zu den Bildschirmen über Muzorawas Konsole, wo die Aufzeichnungen der Sensoren zu sehen waren. Sie stürzten durch einen Strudel wirbelnder Wolken. Zeb stand wie erstarrt davor, den Blick gebannt auf die Bildschirme gerichtet, die Hände zu Fäusten geballt.
Vorsichtig und verstohlen, ohne Befehl, stellte er wieder die Verbindung mit Zebs Sensoren her und fühlte plötzlich die weißglühende Hitze ihres überschallschnellen Eintritts in diese dichte, turbulente Atmosphäre. Die Tauchsonde zitterte und bockte, geschüttelt von den Stößen der Orkanwinde, und verwandelte die Wolken ringsum in kochenden Dampf, in brennende Gase, die ihnen wie ein langer Kometenschweif folgten.
Wieder übermannte ihn die Wildheit des primitiven Instinkts. Am liebsten hätte er den brennenden Gasen, die ihre Sonde einhüllten, seinen Trotz entgegengeschrien. Ihr könnt uns nichts anhaben!, knurrte er in sich hinein. Du kannst nur tun, was wir wollen, sagte er dem Riesenplaneten. Wir gebrauchen dich, gebrauchen deine dichte Atmosphäre, um uns genug zu verlangsamen, dass wir in deine See eindringen und deine Geheimnisse entdecken können.
Jupiter dachte anders darüber. Die Tauchsonde schwankte seitwärts, taumelte, als sie von ungeheuren Windgeschwindigkeiten gebeutelt wurde. Grant taumelte, wurde gegen die Konsole geworfen und wäre durch den Brückenraum gesegelt, wenn er nicht in den Fußschlaufen verankert gewesen wäre. Er musste sich mit beiden Händen an der Konsole festhalten, um nicht noch einmal gegen sie geschleudert zu werden.
Die Sonde verlangsamte. Grant fand sein Gleichgewicht wieder, blickte umher und sah, dass niemand von den anderen seine Raserei bemerkt hatte. Oder wenn sie etwas gesehen hatten, schenkten sie ihm keine Beachtung. Zeb, Lane und Egon waren eingeschlossen in ihre eigenen Wahrnehmungswelten, fühlten, hörten, sahen und schmeckten sogar die von den Bordsystemen und Sensoren ausgehenden Signale. Grant hatte von der rohen, urtümlichen Kraft gekostet, und nun, in ihrer Abwesenheit, fühlte er sich leer, beraubt, zornig. Und furchtsam.
»Wir nähern uns dem Boden der Wolkendecke.« Krebs' Stimme klang verfremdet und fern, eine Störung in Grants Universum von Macht und Stärke wie das Schrillen eines Weckers, das einen warmen, erregenden Traum stört.
Die rauschhafte Begeisterung der ersten Stunde war verflogen, aber der Fusionsgenerator sang noch immer sein verführerisches Lied von Macht, flüsterte zu Grant von den unbekannten Tiefen des Universums, von Welten, die zu entdecken und zu erobern waren.
»Sehen Sie sich das an!«
Grant konnte nicht feststellen, wer es sagte, aber die Worte weckten ihn aus seiner nahezu hypnotischen Trance.
»Bringen Sie es auf den großen Bildschirm.« Das war eindeutig Krebs' Stimme. Ihr harter, scharfer Tonfall war selbst in der unheimlichen Verzerrung dieses dickflüssigen Mediums, in dem sie lebten, unverkennbar.
Der Wandbildschirm über ihren Konsolen zeigte eine wilde Wolkenlandschaft, soweit die Sensoren sehen konnten, ein ungeheures Panorama brodelnder Wolken, die von mächtigen Windströmungen getrieben dahinjagten, während aus dunstigen Tiefen neue Wolkengebirge heraufbrodelten, bis ihre Köpfe von den orkanartigen Winden abgeschert wurden. Hoch über allem war der Himmel bedeckt von seiner immerwährenden dicken Schicht vielfarbig getönter Wolken, welche die ganze Welt umspannten, deren Farben von der Unterseite her gesehen aber seltsam gedämpft und pastellartig wirkten.
Die Wasserstoff-Helium-Atmosphäre war transparent wie … ja, wie Luft und in dichten Massen durchsetzt von den dicken, sich auftürmenden Wolken, die beinahe den hoch aufgetürmten Kumuluswolken eines tropischen Himmels auf Erden ähnelten, bis sie in die Zone der stärksten Turbulenzen gerieten und auseinander gerissen wurden.
Tief unten, wo sie entstanden, war nur Dunst auszumachen. Grant erinnerte sich, dass die Jupiteratmosphäre sich allmählich verdichtete, bis sie unter dem ungeheuren Druck flüssig wurde, und dass es keine klare Trennungslinie zwischen Luft und See gab. Irgendwo dort unten dehnte sich ein weltumspannender Ozean, dessen Wasser sauer und korrosiv war, stark vermischt mit Ammoniak und exotischen Verbindungen.
Nicht wie auf Erden, sagte sich Grant. Ganz und gar nicht wie auf Erden, wo die Ozeane Becken in der steinigen Kruste füllen und die Schwere bei weitem nicht ausreicht, die Luft zu verflüssigen. Nicht wie Mars oder Venus oder gar die Galileischen Monde, nicht wie diese Kugeln aus Gestein und Eis. Dies war eine fremde Welt, völlig verschieden von allem, was man je gesehen hatte.
Die Zheng He taumelte und bockte in den Turbulenzen, die im Randbereich der Strahlströme entstanden. Grant sah die Tauchsonde als eine winzige Scheibe, die von den Strahlströmen, Wirbelstürmen und Orkanen der Jupiteratmosphäre wie ein Blatt im Wind herumgewirbelt und fortgerissen wurde.
»Fernbereichssensoren«, befahl Krebs.
Die Ansicht auf dem großen Bildschirm verschwand, und Sekunden später erschien eine andere. Am fernen Horizont schien das Wolkenpanorama begrenzt von einer dunklen Wand, die aus der Tiefe bis hoch hinauf in die Wolkendecke reichte. In dieser Unheil verkündenden Wand, die Ähnlichkeit mit einer aufziehenden Gewitterfront hatte, wetterleuchtete es unaufhörlich.
»Das muss der Große Rote Fleck sein«, meinte Karlstad. Seine Stimme klang hohl vor Ehrfurcht. »Wir sind verdammt nahe daran.«
»Triebwerke einschalten. Minimale Marschgeschwindigkeit«, befahl Krebs.
Seit sie in die Atmosphäre eingetreten waren, hatten sie die Triebwerke nur zeitweilig in Schubumkehr laufen lassen, um den freien Fall abzubremsen, den größten Teil der Bremswirkung aber der dichten Atmosphäre überlassen, die ihre Fallgeschwindigkeit in Wärme umgewandelt hatte. So waren sie wie ein durch den Jupiterhimmel geschleuderter Diskus durch die dichte Wolkendecke und hinab in die klarere Wasserstoff-Helium-Atmosphäre geglitten.
»Hören Sie schlecht, Archer? Triebwerke einschalten, sagte ich!«
Grant schrak zusammen und aktivierte die Triebwerke mit einem Gedanken. Sicherheitshalber drückte er mit einer Fingerspitze auf die Einschalttaste seiner Konsole. Unaufmerksamkeit und Träumen, erkannte er, konnte hier ebenso gefährlich sein wie die Versuchung der Macht, wenn sie in die Hände Sterblicher gelegt war. Wenn er die Maschinen mit einem Gedanken beherrschen konnte, so konnte er auch sich selbst und die anderen mit einem törichten Impuls vernichten.