Der Außendruck nahm gleichmäßig zu, während die Atmosphäre sich zu Flüssigkeit verdichtete. Die Sensoren ließen jetzt eine lange, starke Dünung erkennen, Strömungen, die durch das ammoniakhaltige Wasser zogen. Diesen Ozean zu befahren, würde nicht einfach sein, erkannte er. In dieser hohen Dünung steckte ein gewaltiges Maß an Energie.
Als Lane und Zeb zur Brücke zurückkehrten, war Krebs längst wach und gab ihre Befehle. Die Sonargeräte gaben helle Ping-Geräusche von sich, als die ausgesandten Töne von kompakten Wassermassen reflektiert wurden. Grant übergab Muzorawa widerwillig die Sensoren. Ausgerechnet jetzt, wo sie tatsächlich in den Ozean eindrangen, würde Zeb die Verbindungen übernehmen, dachte er eifersüchtig.
O'Hara begann die Zahlen des Höhenmessers auszurufen. »Zehntausend Meter zur reflektierenden Schicht. Sinkgeschwindigkeit nominal.«
»Still!«, sagte Krebs. »Ich kann die Daten sehr gut selbst ablesen.«
Sie wirkte gereizter als gewöhnlich. Das unmittelbar bevorstehende Eintauchen in den Ozean sorgte für allgemeine Nervenanspannung.
»Triebwerke auf Schubumkehr schalten. Ein Drittel Leistung«, befahl Krebs.
Grant führte den Befehl aus. Er musste nun zum zentralen Bildschirm aufblicken, um zu sehen, was draußen vorging. Wellen waren zu sehen, lange Reihen unruhiger Dünung, scheinbar ganz nahe. Er hatte den Eindruck, dass sie sich der Tauchsonde entgegenreckten, zornig anschwollen, höher und höher brandeten.
Er stieß die Füße tiefer in die Bodenschlaufen und erfasste die Handgriffe an seiner Konsole. Ein schneller Blick über die Schulter zeigte ihm, dass Krebs sich mit einer Hand an einem Griff in der Decke festhielt und dort wie ein gedrungener Affe baumelte.
Tiefer hinab zu dieser langen, mächtigen Dünung. Grant hörte den Pulsschlag in den Ohren pochen. Muzorawa sah angespannt aus. Seine Hände umklammerten die Konsolengriffe, dass die Muskeln seiner Unterarme sich klar abzeichneten.
Grant wandte sich zu O'Hara, als Krebs befahclass="underline" »Fünf Grad backbord!«
Auf dem großen Bildschirm sah Grant eine starke Strömung gerade auf sie zulaufen, blutrot in der Falschfarbenwiedergabe des Sonarsystems.
»Nach dem Eintauchen volle Kraft voraus!«, befahl Krebs. Schon kam der Aufschlag. Die Tauchsonde prallte trotz verhältnismäßig geringer Sinkgeschwindigkeit auf die Oberfläche, als wäre sie fester Boden. Eine von Grants Bodenschlaufen riss sich los, und einen Moment verlor er den Kontakt mit den Triebwerken.
Er starrte auf die Konsole, aber die Sonde zitterte und schwankte so heftig, dass auf den Monitoren nur verschwommene Bilder zu erkennen waren. Dann fühlte er die Triebwerke wieder auf Schub laufen und ihre Leistung rasch auf volle Kraft steigern. Er lächelte zufrieden, als sie die Sonde unter die mächtige Oberflächenströmung trieben, tief hinab unter ihre seitwärts drückende Gewalt.
Das Zittern und Schwanken der Turbulenz verloren sich. Nun waren sie wirklich im Ozean, sicher unter der gefährlich unruhigen Oberfläche, in einer Zone, wo die Strömungen glatt und gleichmäßig dahinzogen — jedenfalls die meiste Zeit.
»Triebwerke auf halbe Kraft«, sagte Krebs beinahe freundlich.
»Wir sind im Ozean«, sagte Karlstad, als könnte er es kaum glauben.
»Offensichtlich«, erwiderte O'Hara.
»Schluss mit dem Geschwätz«, grollte Krebs. »Alle Systeme überprüfen.«
Grant fand, dass der Generator und die Triebwerke einwandfrei arbeiteten. Der einzige Schaden, den er feststellen konnte, war die losgerissene Fußschlaufe am Boden.
»Die vordere Infrarotkamera funktioniert nicht«, meldete Muzorawa. »Sie muss beim Aufschlag beschädigt worden sein.«
»Reparieren oder ersetzen«, sagte Krebs.
Muzorawa nickte. »Ich habe eine Diagnose laufen, Captain. Wenn der Schaden zu ernst ist, um repariert zu werden, werde ich auf die Ersatzkamera übergehen.«
O'Hara meldete keine größeren Probleme mit den Manövriersystemen, obwohl eines der Leitwerke sich nur teilweise entfaltet hatte. Die Tauchsonde hatte sechs Leitwerke zur Steuerung und zwei in Reserve. Krebs befahl O'Hara, eine der Reserven einzusetzen und das schadhafte Leitwerk wieder einzuziehen.
»Lebenserhaltende Systeme?«, fragte Krebs.
»Alle Systeme funktionieren einwandfrei, Captain. Keine Probleme«, sagte Karlstad.
Bevor Krebs mit weiteren Bemerkungen kommen konnte, sagte Lane in besorgtem Ton: »Captain, ich kann das Leitwerk nicht wieder einfahren. Es sitzt in halb offener Position fest.«
Krebs musterte sie stirnrunzelnd. »Fahren Sie das Leitwerk auf der gegenüberliegenden Seite bis zur gleichen Stellung ein und fixieren Sie es dort. Zum Manövrieren machen Sie Gebrauch von den beiden Ersatzleitwerken.«
O'Hara nickte.
»Noch etwas?«
Niemand von der Besatzung hatte weitere Probleme zu melden. »Sehr gut«, sagte Krebs. »Machen Sie eine halbe Stunde Pause. Aber nicht schlafen! Für den Fall, dass ich Sie brauche, müssen Sie wach und einsatzbereit sein.«
Sie zogen ihre Kontakte ab und versammelten sich am Nahrungsspender. Karlstad erreichte ihn zuerst und griff nach einem der Schläuche. Grant ließ O'Hara den Vortritt.
»Sie wollen ein Kavalier werden, wie?«, neckte sie ihn.
»Ah, ja, kann sein«, murmelte Grant.
»Dann sage ich danke«, sagte Lane und nahm den anderen Schlauch.
Es störte Grant noch immer, zu sehen, wie sie den Schlauch in die Ventilöffnung im Hals steckte. Wenn er sich bewegte, fühlte er einen leichten Verspannungsschmerz in Schultern und Nacken. Er wandte sich zu Muzorawa, der neben ihm wartete, und sagte: »Nun wären wir also im Ozean.« Es war müßiges Geschwätz, das war ihm bewusst.
»Krebs hat den Eintritt sehr gut bewerkstelligt«, sagte Zeb mit halblauter Stimme. »Als wir während der ersten Mission in die starke Oberflächenströmung stießen, fielen fünfzig Prozent der Energie aus.«
»Wie konnte das geschehen?«, fragte Grant. »Es sind alles Festkörperschaltungen.«
»Der Generator nicht«, erwiderte Muzorawa. »Eine der Zufuhrleitungen für Deuterium wurde losgeschlagen. Es war ein hartes Stück Arbeit, sie zu reparieren.«
Grant war entsetzt. »Die Strahlung …!«
Muzorawa lächelte. »Das beste an Fusionsgeneratoren ist, dass die Strahlung ganz im Inneren der Reaktionskammer bleibt. Deuterium und Helium drei, die dort eingeführt werden, sind nicht radioaktiv.«
»Oh«, sagte Grant. Er reckte die Arme, soweit es in dem engen Winkel beim Nahrungsspender möglich war.
»Haben Sie sich verletzt?«, fragte O'Hara.
»Nein, nur eine Verspannung. Die wird vergehen.«
»Ich habe Kopfschmerzen«, sagte sie. »Wenn das ein Trost für Sie ist.«
»Ich auch«, bemerkte Karlstad. Er wandte sich zu Muzorawa. »Was ist mit Ihnen, Zeb? Irgendwelche Beschwerden?«
Der schwieg einen Moment lang. Dann meinte er: »Wir werden alle unter Schmerzen und Beschwerden zu leiden haben, und sie werden noch zunehmen, so lange die Mission dauert.«
»Sehr tröstlich«, sagte Karlstad.
»Ich glaube, dass es mindestens teilweise an den neuralen Verbindungen liegt. Wir fühlen die Bordsysteme als unsere eigenen körperlichen Empfindungen.«
Grant nickte.
»Und in dem Maße, wie die Systeme beansprucht und abgenutzt werden«, fuhr Muzorawa fort, »werden wir ihre Schmerzen fühlen.«
»Richtig, ich erinnere mich«, sagte O'Hara.
»Also können wir uns auf mehr und mehr Schmerzen gefasst machen«, murrte Karlstad.
»Genau.«
»So schlimm ist es nicht«, meinte O'Hara. »Man kann damit fertig werden.«
Muzorawa nickte wissend. »Die Bordsysteme mögen zusammenbrechen, aber wir nicht. Maschinen haben keinen Geist, keinen Mut, keinen Willen zum Erfolg ungeachtet der Kosten.«
»Vielleicht sehen Sie es so«, sagte Karlstad. »Ich jedenfalls nicht.«