»Das hilft uns noch immer nicht zu entscheiden, was wir jetzt tun sollten«, sagte O'Hara. »Wir …« Sie brach ab, ihre Augen weiteten sich.
Hinter Grant ertönte Krebs' heiser-schrille Stimme. »Also haben Sie mich in den Fleischwolf gesteckt, hm?«
Grant fuhr herum. Wie lange stand sie schon dort in der Luke? Wie viel hatte sie gehört?
»Ich kann Ihnen allen versichern«, fuhr Krebs fort, »dass Sie mit mir untergehen werden, wenn man mich zur Rechenschaft zieht.«
7. ENTSCHLOSSENHEIT
»Wir sind hier, um den Ozean zu erforschen«, sagte Krebs mit fester Stimme. »Wir kehren nicht um, weil irgendein Bürokrat in der IAB den Politikern erlaubt hat, ihr eigenes Verantwortungsgefühl zu überstimmen.«
»Aber Captain …« begann Karlstad.
»Still! Männer und Frauen sind für dieses Ziel gestorben. Glauben Sie, dass ich auf ihre Gräber spucken werde, indem ich umkehre? Nicht bevor wir unser Möglichstes getan haben, um festzustellen, ob es dort unten Leben gibt.«
»Ja, Captain«, sagte Karlstad, als hätte er nie an etwas anderes gedacht.
»Ich stimme damit vollkommen überein«, sagte Muzorawa.
»Es spielte keine Rolle, ob Sie übereinstimmen oder nicht«, schnarrte Krebs. »Wir gehen tiefer. Jetzt.« Sie zeigte auf O'Hara. »Und keine Kommunikation mit der Station! Nichts! Aus keinem Grund. Selbst wenn wir in diesem Sarg zugrunde gehen sollten, werden wir keinen Versuch machen, mit der Station Verbindung aufzunehmen, es sei denn auf meinen Befehl hin. Ist das klar?«
»Völlig klar«, antwortete Lane.
»Gut. Nun übernehmen Sie Ihre Positionen. Wir gehen auf zehn Kilometer Tiefe.«
Wortlos schlossen die vier und Krebs ihre Kontakte an. Grant fühlte sich beinahe erleichtert. Wenigstens wusste sie jetzt alles. Es wurde nicht mehr hinter ihrem Rücken gemunkelt. Die visuelle Agnosie beeinträchtigte nicht ihre Fähigkeiten, die Expedition zu leiten.
»Bereit für Verbindung«, meldete er. Vor den anderen, wie er bemerkte.
»Sehr gut, Mr. Archer. Sie können sich einschalten.«
Als Grant zum Konsolenschalter griff, der ihn wieder mit den Antriebs- und Energiesystemen verbinden würde, erkannte er, dass Krebs keine Zelotin sein konnte. Sie wollte diese Mission nicht sabotieren, sie wollte sie durchführen, ungeachtet der späteren Konsequenzen.
Er fühlte sich erleichtert, was sie und die Mission betraf. Was nach der Mission geschehen würde, wenn sie zur Station und dem wartenden Ellis Beech zurückkehrten, stand auf einem anderen Blatt. Daran mochte er jetzt nicht denken.
Sobald die anderen angeschlossen waren, gab Krebs den Befehl, auf zehn Kilometer Tiefe zu gehen. Nach mehreren Stunden hatten sich die Kopfschmerzen hinter Grants Augen auf den ganzen Schädel ausgedehnt. Er merkte, dass der Druck sich aufbaute. Je tiefer sie tauchten, desto stärker wurde der Außendruck auf die Hülle, was bedeutete, dass auch der Innendruck zur Kompensation erhöht werden musste.
Wie tief konnten sie gehen, ohne sich schwere Gesundheitsschäden einzuhandeln? Er kannte die Spezifikationen der Tauchsonde und ihre zulässige Tauchtiefe, aber das waren nur Zahlen. Entscheidend war, wie viel Druck die Besatzung aushalten konnte. Die Sonde konnte wahrscheinlich einen viel höheren Druck aushalten als ihre Insassen. Sie würden lange vor der Sonde zusammenbrechen.
Er blickte zu Karlstad, der die lebenserhaltenden Systeme überwachte. Er sah angespannt aus, seine Lippen waren zu einer dünnen Linie zusammengepresst, das Gesicht noch blasser als gewöhnlich. Wenn wir nicht in dieser Flüssigkeit untergetaucht wären, dachte Grant, würde er schwitzen. Egon kann den Druck fühlen, der auf der Hülle lastete; für ihn musste es wie eine gigantische Schraubzwinge sein, die versuchte, seinen Körper zu zermalmen.
»Zehn Kilometer«, rief Lane.
»Sinkgeschwindigkeit und Abstiegswinkel beibehalten«, sagte Krebs. »Wir gehen tiefer.«
Grant hörte ein Ächzen. Es kam nicht von einem der anderen, es war ein metallisches Knirschen.
»Achten Sie nicht auf dieses Geräusch«, sagte Krebs. »Es ist nicht wichtig.«
Als ob es ihr gehorchen würde, hörte das metallische Ächzen auf.
»Unterstützungszylinder neun braucht Schmierung«, sagte Krebs, um sie zu beruhigen. »Kein Grund zur Sorge.«
Die konzentrischen Schalen, die den Rumpf der Zheng He bildeten, waren untereinander durch hydraulische Zylinder als Stützen verbunden. Sie gaben unter dem Außendruck ein wenig nach und verteilten ihn weiter, aber Grant begann sich zu fragen, wie gut die Hydraulik die einzelnen Schalen stützen würde, wenn auch nur einer der Zylinder nachgab.
Vielleicht hatte er Unrecht. Vielleicht würde die Tauchsonde versagen, bevor ihre Schmerzen unerträglich wurden.
Nach angespannten vier Stunden gleichmäßigen Absinkens wurden Muzorawa und Karlstad für eine Ruhepause abgelöst.
»Eine Stunde, dann melden Sie sich hier zurück, um O'Hara und Grant abzulösen«, befahl Krebs.
Grant übernahm Karlstads lebenserhaltende Systeme. Wie er erwartet hatte, konnte er den Druck in jeder Ebene der Konstruktion anwachsen fühlen. Von allen Seiten presste er ihn zusammen, erdrückte ihn langsam wie eine riesenhafte Boa constrictor, die ihn mit ihren Windungen umschlang. Das Atmen wurde schwierig, es kostete ihn eine bewusste Anstrengung, den Brustkorb beim Einatmen zu heben.
Hör auf!, schalt er sich. Es ist neunzig Prozent Einbildung. Neunundneunzig Prozent! Ein Blick auf die Druckanzeige beweist es; sie ist nur ein paar Prozentpunkte aufwärts gegangen, seit wir in den Ozean eingetaucht sind. Du lässt deinen Verstand von Emotionen überwältigen.
Trotzdem fühlte er sich erdrückt. Die Kopfschmerzen pochten in seinen Schläfen. Er blickte zu O'Hara. Sie schien äußerlich unverändert, überwachte den Kurs und den Neigungswinkel der Sonde, beobachtete mit leuchtenden Augen die Sensoren, die normalerweise von Zeb überwacht wurden. Am liebsten hätte Grant sich in die sensorischen Aufzeichnungen eingeschaltet, um zu sehen, was sie sah. Aber er hatte genug zu tun. Jede unnötige Ablenkung konnte fatale Folgen haben.
Dann fragte er sich aber, wie der zunehmende Druck sich auf Krebs auswirkte. Ihr Zustand war möglicherweise eine Folge des durch Druck erzeugten Gehirntraumas. Dieses konnte sich nur verschlimmern, je tiefer sie sanken. Ob sie unter Schmerzen litt? Unter Verwirrung? Er warf ihr einen schnellen Blick über die Schulter zu. Krebs schien völlig normal, schwebte an ihrem gewohnten Platz unter den Deckenanschlüssen und erwiderte seinen Blick mit finsterer Miene.
»Sie folgt den Strömen organischer Partikel«, sagte O'Hara zu Grant, als sie in der Katakombe waren, um ihre Ruhepause anzutreten.
»So deutlich können Sie diese Partikel sehen?« Lächelnd sagte sie: »Im Sonar erscheinen sie wie ein Schneesturm, manchmal als Wirbel, manchmal wie Schneetreiben.«
Grant zeigte zum Wandbildschirm. »Können Sie es mir zeigen?«
O'Hara nickte und sprach ins Mikrofon des Bildschirms: »Darstellung Sonaraufzeichnung.«
Der Bildschirm wurde hell und zeigte einen Strom weißer Partikel, die in Wirbeln, aber einer allgemein vorherrschenden Richtung durch den dunklen Ozean trieben. Es war genau wie Lane es geschildert hatte: ein Schneetreiben. Er wusste, dass die weiße Farbe der Darstellung eine vom Computerprogramm geschaffene Unterscheidungshilfe war. Sie ließ die organischen Partikel vor dem schwarzen Hintergrund des Ozeans besser erkennen und verfolgen. Himmel, dachte Grant, hätte ich das gewusst, so hätte ich die Partikel zur Kartierung der ozeanischen Strömungen verwenden können.
Einer plötzlichen Eingebung folgend, trat er ans Mikrofon und sagte: »Korrelation Sonaraufzeichnungen mit Kartierung.«