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»1973 hat man zahlreiche solcher Geräte im Kleifarvatn gefunden«, sagte Erlendur. »Sendegeräte, Kurzwellensender, Aufnahmegeräte und sogar Radios. Alles aus Ostblockstaaten, das meiste aus der Sowjetunion.«

»Davon weiß ich nichts«, erwiderte der Botschaftssekretär.

»Nein. Selbstverständlich nicht«, sagte Erlendur. »Aber was für einen Grund kann es dafür gegeben haben, dass man diese Apparate in den See geworfen hat? Gab es keine andere Methode, solche alten Geräte loszuwerden?«

»Ich befürchte, dass ich Ihnen da nicht weiterhelfen kann«, sagte der Botschaftssekretär, der jetzt nicht mehr lächelte. »Ich habe versucht, Ihnen, so gut ich konnte, Rede und Antwort zu stehen, aber einiges weiß ich ganz einfach nicht. So sieht es aus.«

Elínborg und Erlendur standen auf. Der Mann trug eine Selbstgefälligkeit zur Schau, die Erlendur missfiel. Ihr Stützpunkt! Was wusste dieser Mann darüber, wie man in Island über den Stützpunkt dachte?

»Waren diese Geräte vielleicht so vorsintflutlich, dass kein Grund mehr bestand, sie per Kurier zurückzuschicken?«, fragte Erlendur. »Es ging natürlich nicht, sie einfach wie gewöhnlichen Müll zur Deponie zu bringen. Das waren Geräte, die eindeutig bewiesen, dass auf Island Spionage betrieben wurde. Als die Welt einfacher und die Linien klarer waren.«

»Sie können gern so viel darüber spekulieren, wie Sie wollen«, sagte der Botschaftssekretär und erhob sich. »Aber ich habe jetzt einen anderweitigen Termin.«

»Hätte der Mann im Kleifarvatn aus dieser Botschaft gewesen sein können?«

»Nein.«

»Oder aus einer anderen diplomatischen Vertretung der Ostblockländer?«

»Meines Erachtens ist das völlig indiskutabel. Und jetzt muss ich Sie wirklich bitten …«

»Wird jemand aus diesen Jahren vermisst?«

»Nein.«

»Das wissen Sie einfach so, ohne es zu überprüfen?«

»Ich habe es überprüft. Von uns wird niemand vermisst.«

»Kein Botschaftsangehöriger ist plötzlich verschwunden und nie wieder aufgetaucht?«

»Auf Wiedersehen«, sagte der Botschaftsrat und lächelte.

Er hielt die Tür für sie auf.

»Ganz bestimmt niemand, der verschwunden ist?«, sagte Erlendur, während er auf den Flur hinaustrat.

»Niemand«, sagte der Botschaftssekretär und machte ihm die Tür vor der Nase zu.

Sigurður Óli wurde gar nicht erst zum amerikanischen Botschafter oder seinen Untergebenen vorgelassen. Stattdessen wurde ihm die als »Vertraulich« gekennzeichnete Mitteilung zugestellt, dass im besagten Zeitraum keine Amerikaner als vermisst gemeldet worden waren. Sigurður Óli wollte Druck machen und ein Gespräch erzwingen, aber dieses Ansinnen wurde auf einer Sektionsleiterkonferenz im Dezernat mit der Begründung abgelehnt, dass man schon etwas Handfestes vorweisen können müsse, was den Schluss auf eine direkte Verbindung zwischen den Knochen im See und der amerikanischen Botschaft, der Basis oder amerikanischen Staatsangehörigen auf Island zuließe.

Man neigte zu der Theorie, dass dieser Skelettfund vor dem Hintergrund der Spionage auf Island zu sehen war und dass es sich vermutlich um einen Ausländer handelte. Sigurður Óli rief einen Freund an, der als Abteilungsleiter im Außenministerium für Verteidigungs- und Sicherheitsfragen zuständig war, und fragte an, ob er ihnen ehemalige Mitarbeiter des Ministeriums nennen könne, die imstande wären, der Kriminalpolizei Informationen über ausländische Botschaftsangehörige in den sechziger und siebziger Jahren zu geben. Er ging so wenig wie möglich auf die Einzelheiten der Ermittlung ein, verriet aber gerade so viel, dass es ihm gelang, das Interesse seines Freundes zu wecken, der versprach, sich wieder mit ihm in Verbindung zu setzen.

Erlendur hielt ein Glas Weißwein in der Hand und fühlte sich auf Elínborgs Party völlig deplatziert. Er hatte sehr mit sich gekämpft, ob er sich blicken lassen sollte oder nicht, aber zum Schluss hatte er sich doch dazu durchgerungen. Er langweilte sich auf solchen Feiern und den wenigen anderen Festivitäten, zu denen er eingeladen wurde. Er trank einen Schluck Weißwein und schnitt eine Grimasse. Er war sauer.

Sehnsüchtig dachte er an seinen Chartreuse zu Hause.

Er lächelte Elínborg zu, die mitten in einer Menschentraube stand und ihm zuwinkte. Sie sprach mit Leuten von der Presse. Es hatte einige Aufmerksamkeit erregt, dass eine Mitarbeiterin der Kriminalpolizei ein Kochbuch herausgab. Erlendur freute sich darüber, wie sehr sie es genoss, im Mittelpunkt zu stehen. Einmal hatte sie ihn zusammen mit Sigurður Óli und dessen Frau Bergþóra eingeladen, um ein neues indisches Geflügelrezept an ihnen auszuprobieren, von dem sie sagte, sie würde es in ihr Buch aufnehmen. Das Gericht war ungewöhnlich kräftig gewürzt und schmeckte köstlich. Sie lobten Elínborg so sehr, dass sie einen hochroten Kopf bekam.

Erlendur kannte außer seinen Kollegen nicht viele auf der Party, und er war geradezu erleichtert, als er sah, dass Bergþóra und Sigurður Óli auf ihn zusteuerten.

»Vielleicht versuchst du es mal mit einem Lächeln, wenn du uns siehst«, erklärte Bergþóra und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Sie erhoben die Gläser zu einem Skál auf Elínborg und stießen an.

»Wann kriegt man endlich diese Frau zu sehen, mit der du zusammen bist?«, fragte Bergþóra, und Erlendur bemerkte, dass Sigurður Óli neben ihr erstarrte. Das ganze Dezernat redete darüber, dass es in Erlendurs Leben auf einmal eine Frau zu geben schien, aber nur wenige wagten, ihn darauf anzusprechen.

»Vielleicht irgendwann einmal«, entgegnete Erlendur, »vielleicht zu deinem Achtzigsten.«

»Ist sie dann nicht schon mausetot?«, gab Bergþóra zu bedenken.

Erlendur lächelte.

»Was ist das denn hier für eine Truppe?«, fragte Bergþóra und ließ ihre Blicke über die Gesellschaft schweifen.

»Ich kenne nur die Cops«, sagte Sigurður Óli. »Ich denke aber, dass all die Pummeligen hier zu Elínborgs Familie gehören müssen.«

»Da hinten ist Teddi«, sagte Bergþóra und winkte Elinborgs Mann zu.

Jemand schlug mit einem Löffel an ein Glas, und das Stimmengewirr verstummte. Ein Mann begann in einer entfernten Ecke des Saals zu reden. Sie hörten nicht, was er sagte, aber die Leute lachten. Sie sahen, wie Elínborg sich einen Weg zu ihm bahnte und die Rede aus der Tasche zog, die sie vorbereitet hatte. Sie schoben sich näher heran, um zu hören, was sie sagte, schnappten aber nur noch die letzten Sätze auf, in denen sie ihrer Familie und ihren Kolleginnen und Kollegen bei der Kriminalpolizei für ihre Geduld und die Unterstützung dankte. Dann wurde geklatscht.

»Wollt ihr noch bleiben?«, fragte Erlendur und hörte sich an, als sei er im Begriff, die Party zu verlassen.

»Sei doch nicht immer so steif«, sagte Bergþóra. »Gib dich doch mal locker und genieß das Leben ein bisschen. Komm, kipp dir einen hinter die Binde.«

Sie schnappte sich ein Glas Weißwein vom nächsten Tablett.

»Kipp das runter!«

Elínborg tauchte in dem Gewimmel auf, begrüßte sie alle mit einem Kuss und fragte, ob sie sich langweilten. Dabei schaute sie Erlendur an, der sich einen kräftigen Schluck von dem sauren Weißwein zu Gemüte führte. Elínborg und Bergþóra entdeckten einen bekannten Fernsehmoderator unter den Gästen und tauschten sich darüber aus, mit wem er fremdging. Sigurður Óli traf einen Bekannten, und sie begrüßten sich mit Handschlag. Erlendur kannte ihn nicht und nutzte die Gelegenheit, um sich zurückzuziehen. Er wollte sich gerade klammheimlich wegschleichen, als er einem alten Kollegen in die Arme lief, der kurz vor der Pensionierung stand. Erlendur wusste, dass ihm das zu schaffen machte.

»Hast du gehört, wie es um Marian Briem steht?«, erkundigte sich der Mann und trank einen Schluck Weißwein.