Julius sah noch einmal zu den mit Stoff verhüllten Schilden hinüber, die Alexandria fertig gestellt hatte, und bemerkte, dass viele aus der Menge die Hälse reckten, um ebenfalls einen Blick darauf zu erhaschen und dabei eifrig mit den Fingern zeigten und sich unterhielten. Nur Alexandria, Tabbic und er selbst wussten, was sich unter den schweren Stofffalten verbarg, und Julius verspürte eine leise Erregung bei dem Gedanken an die Reaktionen, die sie auslösen würden, wenn er sie schließlich enthüllte.
Hinter ihm gingen seine drei Anwälte noch einmal mit gebeugten Köpfen und unter leisem Gemurmel ihre Unterlagen und Notizen durch. Es hatte ihn zwei Talente Gold gekostet, Quintus Scaevola damit zu beauftragen, den Fall für ihn vorzubereiten, aber es gab nur wenige Männer in Rom, die sich in den Zwillingsverordnungen der Zwölftafelgesetze und des Gewohnheitsrechts besser auskannten als er. Es hatte bereits einer beträchtlichen Summe bedurft, um ihn aus dem Ruhestand zu locken, doch trotz seiner steifen Gelenke hatte sich der Verstand hinter den Augen mit den schweren Lidern als ebenso scharf erwiesen, wie man es Julius berichtet hatte. Er sah zu, wie Quintus den Unterlagen für die Verhandlung eine Fußnote beifügte, und fing seinen Blick auf, als er nachdenklich aufschaute.
»Nervös?«, fragte Quintus und wedelte mit dem Bündel Pergamente zu dem Gericht und der dunklen Menge dahinter hinüber.
»Ein wenig schon«, gestand Julius. »Es steht viel auf dem Spiel.«
»Denk an den Streitwert. Diesen Punkt lässt du immer aus.«
»Ich weiß, Quintus. Wir sind es oft genug durchgegangen«, erwiderte Julius. Der alte Rechtsgelehrte war ihm ans Herz gewachsen, auch wenn der Mann nur für das Gesetz zu leben schien und sich um die anderen Belange der Stadt nicht zu scheren schien. Julius hatte ihn in der ersten Woche ihrer Zusammenarbeit scherzhaft gefragt, was er täte, wenn er erführe, dass sein Sohn ein Haus in der Stadt angezündet hatte. Nachdem er eine ganze Weile schweigend überlegt hatte, hatte Quintus erwidert, dass er den Fall nicht annehmen könne, da das Gesetz es verböte, sich selbst als Zeugen aufzurufen.
Quintus drückte Julius mit strenger Miene die Unterlagen in die Hand. »Scheue dich nicht, um Rat zu fragen. Sie werden versuchen, dich zu vorschnellen Äußerungen zu verleiten. Wenn du das Gefühl hast, dass dir die Argumente entgleiten, wende dich ab, und ich werde dich beraten, so gut ich kann. Erinnerst du dich noch an den Abschnitt aus den Zwölftafelgesetzen?«
Julius hob gereizt die Augenbrauen. »Der, den wir alle schon als Kinder auswendig gelernt haben? Ja, den kenne ich.«
Quintus rümpfte angesichts dieses Sarkasmus die Nase. »Vielleicht solltest du ihn noch einmal aufsagen, um sicherzugehen.«
Julius wollte etwas entgegnen, wurde aber vom fröhlichen Jubel der Menge unterbrochen.
»Der Magistrat und der Prätor. Nur eine Stunde zu spät, Meister Scaevola«, zischte einer der jüngeren Anwälte Quintus zu. Julius folgte ihren Blicken und sah die Gruppe aus dem Senatsgebäude kommen, in dem sie sich vorbereitet hatte.
Als die vier Männer mit ihren Leibwachen in den Gerichtsbereich schritten, verstummte die Menge wieder. Julius musterte sie eingehend. Der Prätor war ihm nicht bekannt, ein kleiner, rotgesichtiger Mann mit Halbglatze. Er ging mit geneigtem Kopf, wie ins Gebet vertieft, und nahm auf dem erhöhten Podium Platz, das eigens für die Verhandlung aufgebaut worden war. Julius sah, wie der Prätor dem Zenturio der Wachen zunickte und den Magistrates das Zeichen gab, sich neben ihm niederzulassen.
Diese Männer waren ihm vertraut, und er stieß einen stummen Seufzer der Erleichterung aus, als er sah, dass ihm keines der Gesichter aus den Fraktionen des Senats bekannt war. Seine schlimmste Furcht war die, dass sie Catos Handlanger sein könnten, doch als einer von ihnen ihm zulächelte, hellte sich seine Stimmung auf. Der Volkstribun nahm als ältester der Richter seinen Platz als Letzter ein. Die Menge ließ vielstimmigen Jubel für ihren Vertreter vernehmen, und der Mann lächelte zurück und hob kurz die Hand. Sein Name war Servius Pella, viel mehr konnte sich Julius über ihn nicht in Erinnerung rufen. Sein Haar war bis dicht an den knochigen Schädel geschoren, die tief liegenden Augen sahen im trüben Licht der Fackeln fast schwarz aus. Julius bedauerte flüchtig, dass er sich nicht die Zeit genommen hatte, den Mann am Rande einer Senatssitzung kennen zu lernen, schob den Gedanken aber sofort wieder beiseite. Er wusste, dass es sinnlos war, sich der Magistrates wegen Sorgen zu machen. Wenn es ihm gelang, mit dem gespreizten Auftreten von Antonidus’ Advokat Rufus fertig zu werden, so hatte er gute Aussichten. Sollte er gedemütigt werden, verlor er nicht nur das Haus, das einmal Marius gehört hatte, sondern auch einen Großteil seines Ansehens im Senat und in der Stadt selbst. Doch er bereute keines der Risiken, die er eingegangen war, um diese Verhandlung zu erzwingen. Marius hätte nicht weniger erwartet.
Julius warf einen Blick zu Cato hinüber und sah, dass dessen starrer Blick auf ihm ruhte. Wie immer war Bibulus an Catos Seite, ebenso Catalus. Julius sah, dass Suetonius neben seinem Vater saß, das gleiche überhebliche Lächeln auf beiden Gesichtern. Selbst wenn sie ihm nicht bekannt gewesen wären, hätten ihre Mienen sie als Verwandte ausgewiesen.
Julius wollte seinen Zorn nicht zeigen und schaute weg. Catos Anhänger würden noch rechtzeitig lernen, ihn zu fürchten, wenn er die Pfeiler ihres Einflusses einen nach dem anderen einriss.
Quintus klopfte Julius auf die Schulter und setzte sich zu den anderen Anwälten. Die Menge scharrte mit den Füßen und flüsterte, da sie spürte, dass die Verhandlung jeden Augenblick beginnen musste. Julius warf noch einmal einen Blick auf die Schilde, ob keine der Hüllen verrutscht und auch nur ein Teil der Bronzeplatten zu sehen war.
Der Prätor erhob sich langsam und strich die Falten seiner Toga glatt. Auf seine Handbewegung hin wurden die Fackeln erstickt, und alle warteten darauf, bis alle verloschen waren und das Forum nurmehr vom grauen Licht des jungen Tages erhellt wurde.
»Dieses erhabene Gericht ist am vierundneunzigsten Tag des konsularischen Jahres zusammengetreten. So soll es in den Annalen verzeichnet werden. Vor dem Angesicht der Götter fordere ich alle Anwesenden auf, hier nichts als die Wahrheit zu sprechen, unter Androhung der Verbannung. Wer auch immer vor diesem Gericht falsches Zeugnis ablegt, dem wird Feuer, Salz und Wasser verweigert, und er wird weit von dieser Stadt fortgeschickt, auf dass er nie wieder zurückkehre, so wie es die Edikte vorschreiben.«
Der Prätor hielt inne und drehte sich zur Seite, um zunächst Antonidus und dann Julius ins Auge zu fassen. Beide Männer verneigten sich zum Zeichen ihres Einverständnisses, und er fuhr mit schneidender Stimme fort, die bis in die schweigenden Reihen der Zuschauer drang.
»Wer ist in diesem Fall der Kläger?«
Antonidus trat vor.
»Das bin ich, edler Herr. Antonidus Sertorius, Oberbefehlshaber der Truppen. Ich klage gegen die unrechtmäßige Aneignung meines Grund und Bodens.«
»Und wer spricht in deinem Auftrag?«
»Rufus Sulpicius ist mein Rechtsbeistand«, erwiderte Antonidus. Seine Worte riefen aufgeregtes Getuschel in der Menge hervor, was den Prätor dazu veranlasste, einen strengen Blick auf die Zuschauer zu werfen.
»Der Beklagte trete vor«, sagte er laut.
Julius stieg von der Plattform, auf der die Schilde standen, und trat Antonidus gegenüber.