Julius machte eine Atempause und musterte die Magistrates, um zu sehen, wie sie auf seine Worte reagierten. Sie sahen ihn mit unbeeindruckten Gesichtern an, die nicht verrieten, was dahinter vorging.
»Mein Onkel wurde ermordet, von einem Dolch aus Sullas eigener Hand, und obwohl seine Legion mehrere Tage lang heldenhaft kämpfte, musste sie sich dem Eindringling am Ende geschlagen geben.«
»Das ist zu viel!«, rief Rufus und sprang auf. »Unter dem Schutz dieser Verhandlung besudelt er den Namen eines geliebten Anführers von Rom. Ich beantrage, ihm für diese Posse einen Tadel auszusprechen.«
Der Magistrat, der schon zuvor gesprochen hatte, beugte sich vor und wandte sich an Julius.
»Du strapazierst unsere Geduld, Cäsar. Sollte das Ergebnis zu deinen Ungunsten ausfallen, darfst du sicher sein, dass wir deine Respektlosigkeit bei der Urteilsfindung berücksichtigen. Hast du verstanden?«
Julius nickte und schluckte, um seine mit einem Mal ausgetrocknete Kehle zu befeuchten.
»Gewiss, aber die Worte müssen ausgesprochen werden«, sagte er.
Der Magistrat zuckte die Achseln. »Es geht um deinen Kopf«, meinte er, als Julius noch einmal tief durchatmete, bevor er wieder das Wort ergriff.
»Das meiste, was darauf folgte, ist bekannt. Der Sieger Sulla beanspruchte den Titel des Diktators für sich. Über diese Periode in der Geschichte der Stadt werde ich keine weiteren Worte verlieren.«
Der Magistrat nickte knapp, und Julius fuhr fort.
»Obwohl er die Stadt treu nach dem Gesetz verteidigt hatte, wurde Marius zum Verräter erklärt, seine Besitztümer vom Staat verkauft. Sein Haus wurde öffentlich versteigert und von Antonidus, dem Kläger dieses Prozesses, gekauft. Die Legion des Marius wurde aufgelöst, ihr Name aus den Ehrenrollen des Senats getilgt.«
Julius hielt inne und neigte den Kopf, als schäme er sich für diese Tat. Ein Murmeln ging durch die Reihen der lauschenden Senatoren, die einander Fragen und Kommentare zuflüsterten. Dann hob Julius den Kopf, und seine Stimme erhob sich über die Richter und alle Anwesenden.
»Mein Fall stützt sich auf drei Tatsachen. Die erste ist, dass die Primigenia wieder ehrenhaft in die Heeresrollen aufgenommen wurde. Wenn sie keinen Makel zurückbehalten hat, wie kann es da sein, dass ihr Befehlshaber als Verräter gilt? Zweitens: Wenn Marius zu Unrecht verurteilt wurde, sollte sein Besitz an seinen Erben übergehen – an mich. Und schließlich habe ich, als ich mir das Haus von den Dieben zurückgeholt habe, die es zwischenzeitig bewohnten, in dem Bewusstsein gehandelt, dass mir mein Vorgehen angesichts des ungerechten Schicksals des Marius vom Gericht verziehen werden würde. Ein großes Unrecht ist geschehen, aber ich bin nicht sein Verursacher, sondern sein Opfer.«
Die Menge johlte, und die Wachen mussten abermals ihre Stöcke auf den Boden stoßen.
Die Magistrates steckten die Köpfe zusammen. Kurz darauf gab einer Rufus ein Zeichen, er möge auf Julius’ Rede antworten. Rufus stand auf. Er seufzte theatralisch.
»Cäsars Versuche, die Angelegenheit zu verwirren, sind hinsichtlich der Ernsthaftigkeit ihres Vortrags zu bewundern, doch das Gesetz sieht alles in einem klaren Licht. Ich bin sicher, dass die Richter diesen kleinen Ausflug in die Geschichte ebenso sehr genossen haben wie ich, aber ich vermute, dass auch sie sich dessen bewusst sind, dass die Interpretation der Vorfälle durch die persönliche Beziehung des Beklagten zu dem Heerführer geprägt ist. So gern ich die Vision, die er hier als Tatsache dargestellt hat, ins rechte Licht rücken würde, entspricht es doch meinem Wunsch, den Fall auf seine rechtlichen Grundlagen zurückzuführen und die Zeit aller Anwesenden nicht länger als nötig zu vergeuden.« Er sah zu Julius hinüber und lächelte ihn freundlich an, damit alle sehen konnten, dass er dem jungen Mann seine Torheiten verzieh.
»Mein Mandant hat das Haus, wie wir gehört haben, bei einer Auktion auf völlig legale Weise erworben. Sein Name steht auf der Besitzurkunde und auf dem Kaufvertrag. Ihm sein Eigentum durch bewaffnete Wachen stehlen zu lassen, stellt einen Rückgriff auf das Recht des Stärkeren dar. Gewiss haben alle Anwesenden gesehen, wie die Speere zu Beginn dieser Verhandlung diesen ansehnlichen Schild berührt haben. Ich möchte daran erinnern, dass der symbolische Akt der Auseinandersetzung genau das beinhaltet. In Rom greifen wir nicht zum Schwert, um Meinungsverschiedenheiten auszutragen – wir unterwerfen uns dem Gesetz.
Ich kann die Argumente des jungen Cäsar nachvollziehen, aber sie haben mit dem hier vorliegenden Fall nicht das Geringste zu tun. Ich bin sicher, dass er liebend gern noch weiter in die Vergangenheit abschweifen und uns die Geschichte des Hauses von seiner Grundsteinlegung an erzählen würde, doch zu einer derartigen Ausweitung der Angelegenheit besteht keinerlei Anlass. Ich muss meinen Antrag auf das Schwert wiederholen, auch wenn ich es bedauere, dass Rom einen so leidenschaftlichen jungen Advokaten verlieren soll.«
Als er sich wieder gesetzt hatte und ein paar Worte mit Antonidus wechselte, der Julius mit zusammengekniffenen Augen beobachtete, zeugte sein Gesichtsausdruck von Betrübnis über die zu erwartenden harschen Strafen.
Julius erhob sich und trat erneut vor die Richter.
»Da Rufus sich auf eine Urkunde und einen Kaufvertrag bezieht, schlage ich vor, dass er sie dem Gericht zur Begutachtung vorlegt«, sagte er rasch.
Die Magistrates blickten zu Rufus hinüber, der das Gesicht verzog. »Würde es sich bei dem Besitz um ein Pferd oder um einen Sklaven handeln, hohes Gericht, so könnte ich euch dergleichen selbstverständlich vorweisen. Da es sich unglücklicherweise um ein Haus handelt, zumal um eines, das völlig überraschend und mithilfe einer Streitmacht überfallen wurde, befanden sich die Dokumente innerhalb seiner Mauern, was Cäsar sehr wohl weiß.«
Der Magistrat, der für die anderen zu sprechen schien, warf Julius einen skeptischen Blick zu.
»Befinden sich diese Papiere in deinem Besitz?«, fragte er.
»Ich schwöre, dass ich sie nicht habe«, antwortete Julius. »Im Haus des Marius findet sich kein einziger Hinweis auf ihre Existenz, bei meiner Ehre.« Er setzte sich wieder. Da er beide Dokumente auf Anraten von Quintus am Vorabend verbrannt hatte, war sein Gewissen rein.
»Also kann der Besitz von keiner der beiden Parteien nachgewiesen werden?«, fuhr der Magistrat gleichmütig fort. Julius schüttelte den Kopf, und Rufus tat es ihm mit vor Zorn versteinertem Gesicht nach. Er erhob sich, um noch einmal das Wort an die Richter zu richten.
»Mein Mandant hat bereits vermutet, dass solche wichtigen Dokumente vor der Verhandlung ›verschwinden‹ würden«, sagte er mit kaum verhüllter Verachtung in Julius’ Richtung. »Stattdessen haben wir einen Zeugen, der bei der Auktion dabei war und den legalen Verkauf an den Heerführer Antonidus bezeugen kann.«
Der Zeuge trat von seinem Platz neben Antonidus nach vorne. Julius erkannte ihn als einen derjenigen, die im Senat in Catos Nähe gesessen hatten. Er war ein gebeugter, gebrechlich wirkender Mann, der sich beim Sprechen ständig eine Locke seines schütteren Haars aus der Stirn strich.
»Ich bin Publius Tenelia. Ich kann den rechtmäßigen Verkauf bezeugen.«
»Darf ich diesen Mann befragen?«, erkundigte sich Julius und trat vor, als er die Erlaubnis dazu erhielt.
»Warst du bei der gesamten Auktion anwesend?«, wollte Julius von Publius wissen.
Der Mann zögerte ein wenig, bevor er antwortete: »Ich habe den betreffenden Titel gesehen.« Seine Augen waren nervös. Julius wusste, dass er die Wahrheit ausschmückte.